# taz.de -- Kolumne Der rote Faden: „Talkin’ Bout a Revolution“ | |
> Super Bowl und Wahlkampf. Viel Glamour mit wenig Gewissen. Die Musik der | |
> Mächtigen ist – hm, hm – interessant? Eine Woche in den USA. | |
Bild: An Pomp wird nicht gespart, auch die Demokraten machen mit. | |
Super Bowl oder Primary, Sanders oder Trump, bester Spieler oder beste | |
Umfragewerte, Tacos oder Chili zum Spiel? Die USA huldigen zwei | |
Großereignissen in einer Woche in beinahe religiöser Manier. Der Sonntag, | |
an dem der Super Bowl im Football ausgetragen wird, sollte Feiertagsstatus | |
haben, finden nicht wenige Fans. Tatsächlich sind die Straßen am Nachmittag | |
vor dem Kick-off ausgestorben, selbst Starbucks, stets Sammelbecken für | |
alle Gestrandeten, ist leer. | |
Da geht es nicht nur um Sport – und was für ein kurios schlechtes Spiel | |
[1][war der 50. Super Bowl am Ende] –, da geht es um die Auftritte der | |
Künstler, um den kreativsten Werbespot, um die beste Party vor dem | |
Fernseher (Tacos oder Chili ist dabei eine wahre Glaubensfrage) – und den | |
Glamour einer Industrie, die ihren Topstars Millionen zahlt. Laut Forbes | |
verdient Peyton Manning, Quarterback des diesjährigen Super-Bowl-Gewinners | |
Denver Broncos, mehr als 15 Millionen Dollar im Jahr. Dazu kommen noch | |
einmal gut 12 Millionen durch Sponsoreneinnahmen. | |
Auch die Ausrichtung des Spiels ist lukrativ. 5.000 Dollar kostet ein | |
Ticket im Stadion im Schnitt, die 80 Dollar für den Parkplatz noch nicht | |
eingerechnet. Ein teurer Spaß, da darf nichts stören. | |
Dachte sich wohl auch San Franciscos Bürgermeister Ed Lee und wollte das | |
Auge und damit womöglich das Gewissen des geneigten Football-Fans nicht mit | |
etwas so Unangenehmem wie den Obdachlosen belasten. In der Stadt an der | |
Westküste leben Tausende auf der Straße, Unterkünfte gibt es viel zu | |
wenige. Also schlagen sie ihre Zelte in der Stadt auf. Vor dem Spiel wurden | |
einige „umplatziert“. Sie mussten weichen: den Fans, der Party, der | |
Inszenierung. Obwohl das Stadion 72 Kilometer außerhalb San Franciscos | |
liegt. | |
## Grundsätzlich nicht zimperlich | |
Aber schon Tage vorher strömten Touristen in die Stadt, um zu feiern. Extra | |
dafür wurde unter anderem eine Pop-up-Stadt mitten in Downtown aufgebaut, | |
die „Super Bowl City“. Fast fünf Millionen Dollar ließ sich San Francisco | |
die Ausrichtung der großen Sportparty laut Budgetplanung kosten. Was so | |
viel Geld wohl an der Situation der Obdachlosen verändern könnte? | |
Doch wie die [2][Organisation „Coalition on Homelessness“] in Umfragen | |
([3][hier als pdf]) erhebt, ist die Stadt grundsätzlich nicht zimperlich. | |
„Ich muss mich nachts wie ein Hund verstecken“, sagt einer von ihnen. Immer | |
mehr Gesetze kriminalisieren das Leben von Obdachlosen. Der Kontrast zur | |
Glitzerwelt des Silicon Valley ist einfach zu groß. Immer schön den Schein | |
wahren. | |
Das gilt natürlich auch für die Politik, in der Bernie Sanders das Image | |
des makellosen Politikers gerade in seinen leicht knittrigen Anzügen und | |
der unmodernen Brille konterkariert. Aber das Team des neuen Stars der | |
amerikanischen Linken kennt die Mechanismen einer guten Kampagne genau. Und | |
dazu gehört stets die passende Musik für die Auftritte in den Turnhallen | |
und Arenen des Landes. | |
Bei Sanders werden zwei Klassiker gespielt: Tracy Chapmans [4][“Talkin’ | |
Bout a Revolution“] und David Bowies [5][„Starman“]. Gerade Chapman | |
korrespondiert ganz wunderbar mit Sanders’ Slogan „A Future to Believe in�… | |
nichts anderes als eine politische Revolution rufen Sanders’ Anhänger | |
derzeit aus. Aber es geht nicht nur um den passenden Songtext. Auch | |
ideologisch sind Chapman und Bowie stimmig für die Zielgruppe. Die Leute | |
sollen sich ja wohl fühlen, und ach, wenn man einen ähnlichen | |
Musikgeschmack teilt, dann ist doch schon Nähe hergestellt zum Kandidaten. | |
## „Happy“ von Pharrell Williams | |
Bei Hillary Clinton läuft übrigens ein ziemlich durchschnittlicher | |
Pop-Klangteppich – Stichwort [6][„Happy“] von Pharrell Williams. Noch so | |
ein Versuch, bloß nichts falsch zu machen – und damit doch irgendwie | |
danebenzuliegen. Der [7][“Fight Song“] von Rachel Platten, der stets am | |
Ende von Clintons Auftritten gespielt wird, ist allerdings passender denn | |
je. | |
Bei den Republikanern liegt die Zielgruppe am anderen Ende des politischen | |
wie musikalischen Spektrums, weshalb bei Ted Cruz ganz anderer Stoff aus | |
den Boxen dröhnt: Country. Da trieft der Patriotismus schon aus dem Titel: | |
[8][“Where the Stars and Stripes and the Eagle Fly“], singt Aaron Tippin. | |
Die Flagge und der Weißkopfseeadler, das Wappentier der USA – da drüber | |
geht nur noch die Nationalhymne. | |
Am tiefsten in die Klischeekiste greift aber mal wieder Donald Trump, der | |
zu seinem Einmarsch in die großen Hallen gerne [9][“Nessun dorma“], die | |
Arie aus Puccinis „Turandot“, spielen lässt. Schön dramatisch und im | |
Wortlaut passend. Gut, auf Italienisch, aber das ist eine Petitesse: „Werde | |
ich siegen! Werde ich siegen!“, heißt es am Ende. Selbstbewusstsein hatte | |
der Mann schon immer. | |
12 Feb 2016 | |
## LINKS | |
[1] /Broncos-gewinnen-50.-Super-Bowl/!5275582/ | |
[2] http://www.cohsf.org/ | |
[3] http://www.cohsf.org/Punishing.pdf | |
[4] https://www.youtube.com/watch?v=Q2wneBVssPc | |
[5] https://www.youtube.com/watch?v=tRcPA7Fzebw | |
[6] https://www.youtube.com/watch?v=ZbZSe6N_BXs | |
[7] https://www.youtube.com/watch?v=xo1VInw-SKc | |
[8] https://www.youtube.com/watch?v=TTKmjhJ1__o | |
[9] https://www.youtube.com/watch?v=VATmgtmR5o4 | |
## AUTOREN | |
Rieke Havertz | |
## TAGS | |
Super Bowl | |
Bernie Sanders | |
Hillary Clinton | |
Schwerpunkt USA unter Donald Trump | |
Schwerpunkt USA unter Donald Trump | |
USA | |
Donald Trump | |
Schwerpunkt USA unter Donald Trump | |
USA | |
Chris Christie | |
Bernie Sanders | |
Bernie Sanders | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Präsidentschaftsvorwahlen in den USA: Sanders überrascht in Michigan | |
Dreimal Trump, einmal Cruz, einmal Clinton, einmal Sanders: In Idaho und | |
Hawaii haben die Republikaner gewählt, in Michigan und Mississipi beide | |
Parteien. | |
US-Demokraten am Superwahltag: Die Revolution bleibt aus | |
Hillary Clinton gewinnt am Super Tuesday die Mehrheit der Vorwahlen. Doch | |
ihr Konkurrent Bernie Sanders gibt noch nicht auf. | |
Kolumne American Pie: Wahnwitzige Ego-Nummer | |
US-Präsidentschaftskandidat Donald Trump versuchte einst, sich über den | |
American Football zu profilieren. Er trieb damit eine Liga in den Ruin. | |
Videos im US-Wahlkampf: El Paso oder Melilla, Hauptsache USA | |
Marco Rubio verpflanzt Vancouver in die USA und Donald Trump verlegt die | |
US-Grenze nach Nordafrika. Geographie-Note: ungenügend. | |
Bernie Sanders bei der US-Vorwahl: Sieg, Niederlage, hä? | |
Hat Bernie Sanders wirklich in New Hampshire gewonnen? Ja. Nein. | |
Vielleicht. Parteifunktionäre geben ihre Stimme mehrheitlich Clinton. | |
Vorwahl der US-Republikaner: Christie und Fiorina sind raus | |
Das Feld bei den US-Republikanern lichtet sich. Mit Chris Christie und | |
Carly Fiorina schmeißen zwei weitere Bewerber hin. Damit bleiben sechs | |
übrig. | |
Kommentar US-Vorwahlen: Nichts ist mehr unmöglich | |
Bernie Sanders inszeniert sich als Outsider. Das hat auch schon bei Obama | |
geklappt. Doch selbst ein Präsident Sanders könnte nicht viel verändern. | |
Präsidentschaftsvorwahlen in den USA: „Bernie, Bernie“ | |
Für Hillary Clinton werden die Vorwahlen in New Hampshire zum Desaster, | |
Sanders liegt deutlich vorne. Bei den Republikanern gewinnt Trump. |