# taz.de -- Das große Wal-Sterben: Gestrandet | |
> 28 Pottwale sind seit Januar an den Küsten der südlichen Nordsee | |
> umgekommen – so viele wie schon lange nicht mehr. Warum beschäftigt uns | |
> ihr Schicksal so stark? | |
Bild: Gestrandete Wale vor dem Kaiser-Wilhelm-Koog in Dithmarschen. | |
Warum tun sie das bloß? 28 Pottwale sind seit Anfang Januar an den Küsten | |
der Nordsee gefunden worden. Einige von ihnen waren schon tot, die anderen | |
verendeten, erdrückt von ihrem eigenen Gewicht, am Strand. | |
Die zwölf jungen Bullen, die in der ersten Januarhälfte an der | |
holländischen und deutschen Küste angespült wurden, seien allesamt gesund | |
gewesen, teilte das Institut für Terrestrische und Aquatische | |
Wildtierforschung der Tierärztlichen Hochschule Hannover mit. „Die Tiere | |
waren gut genährt und hatten meist reichlich Tintenfischschnäbel in den | |
Magenkompartimenten und im Darm“, schrieben die Forscher. Die bei den | |
Azoren beheimateten Tiere hätten offensichtlich vor der norwegischen Küste | |
gefressen und seien aufgrund des Strandungsprozesses gestorben. | |
„So viele Pottwale wie dieses Jahr sind jedoch in den vergangen Jahren | |
nicht gestrandet“, sagt die Direktorin des Instituts, Ursula Siebert. | |
Zuletzt habe es so eine Häufung in den 90er-Jahren gegeben. | |
HAMBURG taz | Wie und warum die zehn bis dreizehn Meter langen und | |
tonnenschweren Säugetiere in die teilweise nur 15 Meter tiefe Nordsee | |
geraten sind, ist ein Rätsel. Es wird vermutet, die Tiere hätten sich | |
schlicht verschwommen und nicht mehr aus dem flachen Schelfmeer | |
herausgefunden. „Die Pottwale, die sich per Ultraschall orientieren, werden | |
fehlgeleitet zum Beispiel durch menschengemachten Lärm in den Meeren“, sagt | |
Harald Benke, Direktor des Deutschen Meeresmuseums in Stralsund. | |
Gerade die Nordsee ist in lautes Meer: Sie ist eines der am stärksten | |
befahrenen Seegebiete der Welt; hier wird nach Öl gesucht, hier werden die | |
Sockel von Windkraftanlagen in die Erde gerammt und Waffensysteme | |
ausprobiert. „Das stört die Orientierung und die Kommunikation der Wale, | |
die über Hunderte Kilometer noch die Rufe und Gesänge ihresgleichen hören“, | |
sagt der Walforscher Benke. | |
## Reaktion auf Bootslärm | |
Wie sich die „Lärmverschmutzung“ auf die Tiere auswirkt, untersucht das | |
Institut für Wildtierforschung zusammen mit Forschern der Universität Århus | |
und der Schiffsakustik-Firma DW-Ship-Consult aus Schwentinetal bei Kiel am | |
Beispiel der Schweinswale. Die Forscher ermitteln mit Langzeitmessungen, | |
wie laut es in der Nord- und Ostsee ist; sie testen das Gehör gefangener | |
Schweinswale und verfolgen mit Peilsendern ihre Aktivitäten. | |
„Schon durch die ersten Besenderungen konnten wir sehen, dass die | |
Schweinswale eine deutliche Reaktion auf einigen Bootslärm zeigen und ihr | |
Verhalten ändern“, sagt der verantwortliche Wissenschaftler Jonas Teilmann. | |
Frühere Untersuchungen des Hormon- und Immunsystems der Tiere hätten | |
bereits gezeigt, dass die kleinen Wale in Nord- und Ostsee deutlich | |
häufiger krank seien als ihre Artgenossen in weniger belasteten arktischen | |
Gewässern. | |
## Blutungen im Gehör | |
Als eine wichtige Ursache für Strandungen gilt das aktive Sonar, mit dem | |
Kriegsschiffe feindliche U-Boote orten, indem sie sehr laute Schallwellen | |
aussenden. Im Frühjahr 2000 strandeten auf den Bahamas 17 Wale und Delfine, | |
kurz nachdem die US-Marine dort ein Sonar eingesetzt hatte. Ein | |
Untersuchungsbericht der Amerikaner räumt ein, dass das Sonar die | |
plausibelste Erklärung für die Strandung sei. | |
Die Tiere hätten ein akustisches Trauma erlitten, das zur Strandung führt. | |
Die untersuchten Wale hatten Blutungen im Gehör oder im Gehirn. Als | |
Lärmquelle komme nur das Sonar infrage. Dabei habe sich eine Kombination | |
von Faktoren als fatal erwiesen: Es seien über längere Zeit mehrere Sonare | |
eingesetzt worden. Eine starke Oberflächenströmung habe die Zerstreuung der | |
Schallwellen verhindert und die Wale seien in einer Wasserschlucht | |
geschwommen, aus der sie schlecht hätten flüchten können. | |
## Skelette werden präpariert | |
Eine Studie der East Carolina University weist allerdings darauf hin, dass | |
Wal-Strandungen kein neues Phänomen seien. In den vergangenen 200 Jahren | |
seien im Mittelmeer mehr als 230 tief tauchende Schnabelwale gestrandet. | |
Zwar seien es in den vergangenen 20 Jahren immer mehr geworden, nur einer | |
von zwölf Fällen habe jedoch eindeutig der Kriegsmarine zugeordnet werden | |
können. | |
Die an der deutschen Küsten gestrandeten Pottwale werden jetzt von der | |
Wissenschaft verarbeitet: Die Skelette dreier Wale werden im Meeresmuseum | |
Stralsund präpariert. Das Reinigen und Entfetten wird mehrere Monate | |
dauern. Danach bleibt ein Skelett im Museum, eines geht an die Uni Rostock | |
und eines an die Tierärztliche Hochschule Hannover. | |
Unseren aktuellen Schwerpunkt zum Thema „Wal-Sterben“ lesen Sie in der | |
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12 Feb 2016 | |
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Gernot Knödler | |
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