# taz.de -- Kommentar Übergriffe beim Karneval: Bleibt mal auf dem Teppich | |
> Die Debatte nach Köln hat zu einer höheren Sensibilität für sexualisierte | |
> Gewalt geführt. Dennoch sollte nicht jedes „Bützchen“ angezeigt werden. | |
Bild: Würden Sie diesen Clown anzeigen? | |
Nach Köln ist vor Köln. 35 Anzeigen wegen sexueller Übergriffe meldet die | |
Polizei in der Karnevalshochburg bis zu Redaktionsschluss. In den Vorjahren | |
waren es bis Aschermittwoch durchschnittlich 50. Wirkt die verstärkte | |
Polizeipräsenz oder die Fassungslosigkeit angesichts der Vorfälle am Kölner | |
Hauptbahnhof in der Silvesternacht? Wir wissen es nicht. | |
Eines aber darf vermutet werden: Die im Anschluss an die Silvesternacht | |
breit geführte Debatte über sexualisierte Gewalt und Alltagssexismus, über | |
Geschlechterbilder und Schubladendenken scheint erste Wirkung zu zeigen. | |
Die Sensibilität gegenüber dem, was angemessen, was ein Flirt ist oder was | |
schon eine Grenzüberschreitung darstellt, ist gestiegen. | |
Sowohl aufseiten derer, die bislang glaubten, Grapschen und Tatschen sei | |
legitim, weil es beim Karneval ohnehin lässiger zugeht. Aber auch bei den | |
Opfern wächst der Mut, sexuelle Übergriffe zu melden. So meldeten zur | |
diesjährigen Weiberfastnacht 22 Frauen sexuelle Übergriffe, vor einem Jahr | |
waren es 9. | |
Auch die Polizei nimmt solche Anzeigen ernster als früher. Noch vor wenigen | |
Jahren bekannte ein Exstaatsanwalt im Fernsehen, seiner Tochter nach einer | |
Vergewaltigung nicht zu raten, zur Polizei zu gehen. Weil die Opfer, in der | |
Regel Frauen, „letztlich die Zeche zahlen“. | |
Dass das jetzt anders ist, ist bedeutsam wie überfällig. Denn Nein heißt | |
Nein, und ungefragtes Anfassen gehört sich nicht. Ganz klar. | |
Möglicherweise verschwimmen mit den neuen Einsichten aber auch andere | |
Grenzen. Muss jede Person, die sich mal im Ton vergreift, auch angezeigt | |
werden? Unterliegen sexuell konnotierte Wörter jetzt in jedem Fall einer | |
Sanktion? Eine Anzeige wegen eines „Bützchens“, das jemand verlangt | |
(wohlgemerkt ohne handgreiflich zu werden), geht dann doch zu weit. Bleibt | |
mal auf dem Teppich. | |
Es gibt immer noch die Möglichkeit, verbal zu kontern, ohne selbst | |
ausfallend und abwertend zu werden. | |
9 Feb 2016 | |
## AUTOREN | |
Simone Schmollack | |
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