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# taz.de -- Hirntot nach Medikamententest: Versuche abgebrochen
> Eigentlich sollte das Medikament Schmerzen lindern, doch schon die
> Versuchsreihe endete tragisch: Sechs Teilnehmer wurden in eine Klinik
> gebracht. Einer ist hirntot.
Bild: Das Unternehmen Biotral soll die Versuche durchgeführt haben.
Rennes/Berlin dpa/taz | Nach einem „schweren Unfall“ bei einem
Medikamentenversuch in Frankreich liegt ein Teilnehmer hirntot auf der
Intensivstation. Fünf weitere Versuchspersonen seien ebenfalls in das
Universitätsklinikum von Rennes gebracht worden, teilte das
Gesundheitsministerium in Paris am Freitag mit. Das von einem europäischen
Labor entwickelte Medikament befand sich in Phase 1 der klinischen Studie,
die in einer zugelassenen privaten Einrichtung erfolgte. Bei Phase 1 wird
der Wirkstoff an gesunden Freiwilligen getestet. Sie folgt auf erfolgreiche
Tierversuche.
Bei dem getesteten Wirkstoff soll es sich um ein schmerzstillendes Mittel
handeln, das ein Cannabinoide enthält. Das berichtete die französische
Nachrichtenagentur AFP unter Berufung auf eine nicht genannte informierte
Quelle. Durchgeführt haben die Tests das private Labor Biotrial in Rennes,
berichtet der französische Nachrichtensender F1.
Eine Bestätigung dafür gab es zunächst nicht, das Gesundheitsministerium
gab auf Nachfrage keine näheren Informationen zu dem Fall und verwies auf
eine Pressekonferenz von Ministerin Marisol Touraine am Nachmittag.
Das Labor habe die Nationale Behörde für die Sicherheit von Medikamenten
und Medizinprodukten über den Stopp des Tests informiert und alle
freiwilligen Versuchsteilnehmer zurückgerufen. Gesundheitsministerin
Marisol Touraine wollte noch am Freitag nach Rennes reisen.
Alle Zwischenfälle oder Nebenwirkungen, die in einer Testreihe auftreten,
müssen den Behörden sofort gemeldet werden. In Deutschland werden diese vom
Paul-Ehrlich-Institut in Langen (Hessen) und dem Bundesinstitut für
Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) in Bonn registriert.
Bundesweit werden pro Jahr rund 1.000 Studien angemeldet. Eine genaue Zahl
der Teilnehmer ist jedoch nicht bekannt, da nicht alle geplanten Tests auch
durchgeführt werden, wie ein BfArM-Sprecher erklärte. In Deutschland sei
bisher kein arzneimittelbezogener tödlicher Fall in einer klinischen
Prüfung bei gesunden Freiwilligen registriert worden, so der Sprecher.
## Ein „absolut außergewöhnliches Ereignis“
In der Regel werden die Wirkstoffe in der Testphase 1 sehr niedrig dosiert,
weit niedriger als sie später im Medikament eingesetzt werden. Außerdem
finden die Tests immer unter direkter ärztlicher Beobachtung statt.
„Deshalb ist es ein absolut außergewöhnliches Ereignis, dass bei so einer
frühen Testphase ein Teilnehmer stirbt oder in ein Krankenhaus kommt“,
sagte Rolf Hömke vom Verband Forschender Arzneimittelhersteller (VFA).
Dem Experten ist nur ein ähnlicher Vorfall in Großbritannien aus dem Jahr
2006 bekannt, bei dem ein Wirkstoff gegen Multiple Sklerose getestet wurde.
Fünf Minuten nach der Einnahme zeigten sechs von acht Männern schwere
Reaktionen. Wenige Stunden später stellten Ärzte multiples Organversagen
fest. Die Patienten schwebten tagelang in Lebensgefahr, ein Mann lag drei
Wochen im Koma. Zuvor waren Medikamententests mit diesen Wirkstoff in
Deutschland abgelehnt worden. Der Wirkstoff stammte von der Würzburger
Pharmafirma TeGenero. Das Unternehmen musste wenige Monate nach dem Vorfall
Insolvenz anmelden.
„Nach dem TeGenero-Desaster wurden die Regeln für Medikamententests noch
mal sehr verschärft, die Dosierung muss nun noch viel niedriger sein“,
sagte Hömke.
15 Jan 2016
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Medikamente
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