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# taz.de -- David Bowie als Gayikone: Ein Model unter Bauerntrampeln
> Mit Bowies „I am gay“ war in der Welt, dass Schwules nicht mehr
> Gegenstand vom Schweigen sein muss. Bowie, ein Dealer mit queeren Rollen.
Bild: David Bowie bei seinem Auftritt beim Montreux Jazz Festival am 18. Juli 2…
Berlin taz | Erinnern wir uns an damalige Helden und Heldinnen der
Popkultur. Mehr als 40 Jahren ist das jetzt her: Dylan, Fogerty, Quatro,
Cooper, Joplin, Jagger, Lennon oder Stewart. Struppies, Löwen mit Mähnen
mit gering femininem Anteil. Die Haare zottelig, freakig, ungekämmt,
antimilitärisch, lang, oft, bei den Männern, von Bärten unterstrichen.
Das waren hippieske Körperkommentare zu den soldatisch anmutenden
Vorstellungen von gutem Aussehen noch bis in die Sechziger. Gegen Bowie,
das elegante Model unter so vielen Bauerntrampeln des Pop, wirkten alle
andere, als mieden sie Deodorants, Seifen und Kämme.
Und dann kam einer wie er, dieser Mann, der in einem Interview 1972 mit der
britischen Popnachrichtenillustrierten Melody Maker sagte: „I am gay.“ Es
war für alle Welt als Selbstauskunft wahnsinnig bizarr. Niemand, schon gar
nicht der Interviewer Michael Watts wäre auf die Idee gekommen, es nun
plötzlich mit dem karrieretödlichen Bekenntnis einer irren Schwuchtel zu
tun haben.
Gay - schwul: Das war damals so absolut außerhalb aller
Satisfaktionsfähigkeit. Andererseits: Das passte ja zu David Bowie, der,
das machte sein zeitgenössisches Genie aus, ja nicht in vorgespurte
Karrierebahnen treten, sehr. Einfach in einem Zeitungsgespräch zu sagen, er
sei schwul.
## Trompeter des eigenen Tons
Das war riskant, hatte, so wusste Bowie natürlich, aber extreme
Distinktionskraft. Fortan würde er als Trompeter des eigenen Tons in
eigener Liga spielen und nicht daran gemessen werden, ästhetisch den oben
genannten Platzhirschen und -kühen genügen zu müssen.
Bowie war einfach „gay“, auch wenn er später nicht expliziter wurde -
„schwul“, so oder so, war das Label, das ihm genehm war. Bloß nicht sein
wie die anderen. Allein die Haare, die Make-ups: David Bowie schien wie vom
Mars zu kommen, grell und schrill, aber akkurat geschmiert und gefönt. Die
Farben - ein früher Wake-up-call in Sachen New Wave, ein Prä-Punk, der
allerdings mit dem Schmuddeligen dieses Stils nie so recht etwas anfangen
konnte.
Dieser Mann war aber, unter dem Radar des heterosexuellen
Kritikmainstreams, seit diesem Satz ein Juwel der Schwulenbewegung, ein
Buddy eigener Ambivalenzen in geschlechtlichen Dinge, ein Dealer mit
queeren Rollen, ein Varietékünstler im Musikalischen…
David Bowie, das war der Mann, der uns „Young Americans“ schenkte, weil er,
wie sein Freund bei „Walk On A Wild Side“, die Chöre im Hintergrund so
liebte, das war Ziggy Stardust, das war der Mann, der Inszenierungen und
das Air von Maskeraden liebte - so wie seine Klamotten immer gebügelt
aussehen, Falten nur dort, wo sie auch hin sollten. Bowie, das war auch
„Let‘s Dance“ in den Achtzigern und der Mann, der auf dem Live Aid Konzert
schon wie eine Art stylisher Godfather des geschmackvollen Pop aussah.
## Er überwand die Schamgrenze
Unter schwulen Männern ist er seit eben diesem Jahr mit dem coolen -
womöglich gar nicht triftigen Bekenntnis, aber weiß das schon? - ein Ikone:
Der überwand die Schamgrenze, sich von der Öffentlichkeit drängen zu
lassen, das kleine schmutzige Geheimnis nicht ausplaudern zu dürfen. Mit
dem „I am gay“ war in der Welt, dass Schwules nicht mehr Gegenstand vom
Schweigen sein muss.
Für sein Statement war Bowie in späteren Jahren harsch kritisiert worden,
weil das (schwule) Publikum nie den Verdacht los wurde, dass der Brite es
gar nicht ernst meinte, sondern dass es nur ein Marketing-, also ein
Verpackungstrick war. Gleich wie: Die Kunst der Inszenierung, die bei
Dylan, den Beatles und den Stones nicht kenntlich werden durfte, obwohl
auch sie ihren Regimen der Darstellungsabsichten folgten, wirkte bei Bowie
flamboyant, überfarbig, androgyn.
Letzteres war auch ein Grund zum Übelnehmen: Weshalb performt Bowie das
Geschlechtszwiespältiges, obwohl „schwul“ doch das eindeutig Männliche als
Begehren meint? Mit Bowie geht ein adorierter Künstler für all jene, die in
ihm ein Idol fanden, das als Figur erst erfunden werden musste: Sei etwas
dazwischen!
12 Jan 2016
## AUTOREN
Jan Feddersen
## TAGS
Nachruf
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