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# taz.de -- Unbekanntes Regierungsmitglied: Dialog-Sucher mit CSU-Parteibuch
> Kaum einer weiß, wer Bundeslandwirtschaftsminister ist. Christian Schmidt
> wird dank fehlender Skandale nur selten wahrgenommen.
Bild: Landwirtschaftsmesse Grüne Woche in Berlin: Käse für Agrarminister Chr…
Berlin taz | Schulz, Müller, Schmidt. Sich mit Allerweltsnamen einen
gewissen Bekanntheitsgrad zu verschaffen ist nicht ganz leicht, aber
möglich. Einem Boxer, einem Torjäger oder einem Kanzler ist das ganz gut
gelungen.
Christian Schmidt, CSU-Politiker und Bundeslandwirtschaftsminister, ist in
der Öffentlichkeit dagegen weithin unbekannt. Allenfalls während der
Landwirtschaftsmesse „Grüne Woche“ taucht sein Name häufig in der
Öffentlichkeit auf. Dabei rackert und ackert der Franke, wie Mitarbeiter
berichten, vom frühen Morgen bis zum späten Abend.
Die geringe Strahlkraft des Ministers ist zu einem guten Teil einer
positiven Entwicklung geschuldet. In seiner Amtszeit ist noch kein großer
Lebensmittelskandal an die Öffentlichkeit gedrungen. Es gab daher keine
medienwirksamen Auftritte in Talkshows dazu, keine Besuche in Krisenzentren
und keinen Grund zu politischen Schnellschüssen, die andere Ressortleiter
vor ihm bekannt gemacht haben. Renate Künast rief als Folge der BSE-Krise
mal eben das Ende der Agrarfabriken aus, Horst Seehofer zog ein
10-Punkte-Programm gegen Gammelfleisch aus dem Ärmel, und Ilse Aigner legte
sich mit Facebook und Google an.
## Der „Nanny-Minister“
Eine menschliche Stärke Schmidts ist die Fähigkeit zum Dialog. „Er ist der
Nanny-Minister“, sagt Martin Rücker, der Sprecher von Foodwatch. Im
Ernährungsressort werde nur auf Moderation gesetzt. So hat Schmidt Gegner
und Befürworter der Agrarindustrie vor ihren Demonstrationen aus Anlass der
Grünen Woche ins Ministerium eingeladen. Er will beide Seiten
zusammenbringen. Die Vorgänger im Amt haben sich nicht sonderlich um
Gespräche mit kritischen Verbänden bemüht. Das Treffen kam daher gut an,
wie Beteiligte bestätigen.
Doch Ergebnisse blieben aus. Das kreiden die Kritiker der Agrarindustrie
Schmidt an, die gesetzliche Vorgaben verlangen. Schmidt will zwar am Ende
auch ein Tierschutzlabel sehen. Doch zunächst sollen die Beteiligten auf
freiwilliger Basis an gemeinsame Standards der Tierhaltung herangeführt
werden. Auch bei der Kennzeichnung von grüner Gentechnik werfen
Umweltverbände dem Minister Tatenlosigkeit vor. Dabei hängt eine
Entscheidung dazu derzeit im föderalen Gestrüpp zwischen Bund und Ländern
fest.
Der CSU-Mann will keine grüne Gentechnik in Deutschland. Kaum jemand
bemerkte, dass er dafür nach Südamerika reiste, um dort für die Zulieferung
gentechnikfreier Futtermittel zu werben. Oder Vereinbarungen mit China über
den Ausbau der Ökolandwirtschaft treffen konnte. Schmidt kommt dabei seine
langjährige Erfahrung auf internationalem Parkett in der Verteidigungs- und
Sicherheitspolitik zugute.
## Kritiker fordern Entscheidungsstärke
Im eigenen Haus blieb mit seinem Antritt fast alles beim Alten, außer einer
Vergrößerung des Exportreferats. Den wirtschaftlichen Verbraucherschutz
musste das Haus nach der letzten Bundestagswahl an das Justizministerium
abgeben. Zuständig ist es noch für Ernährung und Landwirtschaft.
Hier wiederum steht Schmidt vor einem nicht auflösbaren Interessenkonflikt.
Landwirtschaftsbetriebe und Lebensmittelhersteller haben zumindest
teilweise andere Ziele als Verbraucher. Die entwickelten Länder haben
andere Interessen als die Schwellenstaaten. Allen Seiten kann das
Ministerium nicht gerecht werden. Deshalb lotet Schmidt aus, was geht.
Dahinter steckt die Überzeugung, dass Veränderungen angesichts der
Gemengelage nicht ohne die Beteiligten erreicht werden können. Kritikern
ist diese Haltung viel zu anspruchslos, fordern sie doch gerade von der
Politik Entscheidungsstärke.
21 Jan 2016
## AUTOREN
Wolfgang Mulke
## TAGS
Landwirtschaft
Ernährung
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