# taz.de -- Grüne Woche in Berlin: Köstlichkeiten aus Lugansk | |
> Am Anfang gibt es Fisch, später Schinkenbrote – und nirgends die tolle | |
> ungarische Paprikapaste von vor 14 Jahren, als unser Autor zum letzten | |
> Mal die Grüne Woche besuchte. | |
Bild: Produktköniginnen umrahmen Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmi… | |
Den Tag, als ich zum letzten Mal bei der Grünen Woche war, habe ich immer | |
noch gut im Kopf. Der kulinarische Höhepunkt jenes Besuchs vor 14 Jahren | |
war eine Paprikapaste aus Ungarn, die wirklich fantastisch war. Sie gefiel | |
mir umso besser, als dass ich sie später nie mehr gesehen habe. Eigentlich | |
genügt mir nämlich meist die Erinnerung an ein schönes Essen. Ich muss es | |
nicht unbedingt wiederholen. | |
Die U-Bahn-Fahrt zur Messe ist ein großer Spaß. Die Frauen am Eingang sind | |
nett. Da ich Orientierungslegastheniker bin, mache ich mir keinen Plan, | |
sondern gehe einfach nur so drauflos durch die Hallen. Am Anfang gibt es | |
Fisch. Der Stand heißt „Fisch-Informationszentrum“. Es gibt Seelachs mit | |
Brötchen und Dip. Die Soße ist okay; der Fisch schmeckt nach nichts, ist | |
aber hilfreich, da ich heute noch nichts gegessen habe. | |
Besonders voll ist die Grüne Woche nicht. Aber auch nicht so leer. Manche | |
haben weiße Hemden an oder machen schmutzige Witze. Wenn welche | |
vorbeigehen, dann pärchenweise. Über den Köpfen schweben aufblasbare Kühe, | |
auf denen steht: „ein gutes Stück Heimat“ und „Ursprung ist Heimat“. | |
In einer Halle sieht alles eher süddeutsch beziehungsweise österreichisch | |
aus. Manche Leute tragen Lederhosen. Überall gibt es auch Marktschreiber, | |
wenig später stolpert man ständig über Gartenbedarf. Ein Mann führt neu | |
erfundene Biofensterputztücher vor, die keine Schlieren machen. Ein paar | |
Meter weiter geschieht das Gleiche; nur sind die Tücher diesmal nicht aus | |
Bio. | |
Plötzlich bin ich in der Blumenhalle. Sie sieht sehr bunt und idyllisch | |
aus. Ein bisschen wie bei den Teletubbies. Ganz weich geht man auf | |
Waldbodenimitat. Manche haben Nordic-Walking-Stöcke mitgebracht. Ich bin | |
hungrig. Passenderweise stehe ich vor einem litauischen Stand und eine | |
nette Standmitarbeiterin erklärt mir die Vorzüge verschiedener Käsesorten. | |
Immer wieder erwähnt sie Kristalle. Der Käse schmeckt sehr gut und ich | |
kaufe eine Packung. Die Halle ist etwas überhitzt. Außerdem machen Leute in | |
komischen Trachten Musik und tanzen dazu. | |
Bei der Eröffnung hatte Bürgermeister Müller noch Litauen als Gastgeberland | |
bezeichnet, obgleich in Wirklichkeit Lettland die Geburtstagsprinzessin der | |
Grünen Woche ist. | |
Portugal ist auch nicht weit. Hier gibt es Schinkenbrote mit Zwieback – | |
eine pfiffige Idee. Dazu passt sehr gut auch das norwegische Aquavit-Eis – | |
herrlich! Am ungarischen Stand probiere ich alle Paprikapasten durch. | |
Leider schmeckt keine von ihnen so gut wie die vor 14 Jahren. Vielleicht | |
sind meine Geschmacksnerven aber auch mittlerweile veraltet. | |
Wenig später, in Rumänien, gibt es einen hervorragenden Saft aus Apfel, | |
Sanddorn und Honig; das erste große Highlight meiner Grünen Woche. Auch der | |
Palinkaschnaps ist großartig und knallt gut. | |
Eine Männergruppe sitzt trinkend an Tischen. Auf ihren T-Shirts steht | |
„Reisegruppe Unbeliebt“. Sie gucken tatsächlich etwas grimmig. | |
Vergeblich suche ich im sonnigen Italien nach Aprikoseneis. Peru imponiert | |
mit einer Strandbar, eine bulgarische Tanzgruppe hüpft durch die Gegend, in | |
Marokko gibt es „Arganöl für Schönheit“ und bei den Thais kann man sich | |
sogar massieren lassen. | |
An einem kleinen japanischen Stand gibt es grünen Tee. Ich habe Lust, | |
welchen zu kaufen, und möchte mich diesbezüglich beraten lassen. Am | |
liebsten würde ich den Leuten am Stand auch erzählen, wie ich als Teenager | |
lernte, grünen Tee zu lieben. Dass der ältere Herr an dem Stand nicht | |
versteht, was ich möchte, gefällt mir gut. Später lässt er sich mit einer | |
Standbesucherin fotografieren. Und ich kaufe mir bei seiner Kollegin 50 | |
Gramm Sencha-Tee. | |
Erst auf dem Rückweg komme ich bei Köstlichkeiten aus Lugansk und bei der | |
Donezker Fleischtheke vorbei. Hier gibt es unter anderem „Schaschlik“, mein | |
Lieblingsessen. Leider habe ich jetzt gar keinen Hunger mehr. | |
18 Jan 2015 | |
## AUTOREN | |
Detlef Kuhlbrodt | |
## TAGS | |
Landwirtschaft | |
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