# taz.de -- Hysterischer Diskurs in Hamburg: Stuss nach Kuss | |
> Ein Mann küsst ein Mädchen gegen dessen Willen: Weil es ein Flüchtling | |
> war, regt sich jetzt die halbe Stadt darüber auf | |
Bild: Spätestens seit Silvester unter Generalverdacht: Männliche Flüchtlinge | |
Hamburg taz | Ein Ereignis sorgt seit Sonntagnachmittag für große Empörung | |
in Teilen der Hamburger Presse und Politik: Ein 23-Jähriger hat eine | |
Zehnjährige gegen ihren Willen auf den Mund geküsst. | |
Der Vorfall geschah bereits am 7. Januar in Ohlstedt, wo der Täter vor der | |
Schule des Mädchens mit ihr ins Gespräch kam. Sie tauschten Telefonnummern | |
und der Mann fragte, wann er sie wiedersehen könne. Das Mädchen sagte ihm, | |
wann sie am Freitag Schulschluss habe und wandte sich zum Gehen. Laut | |
Polizeibericht hat der 23-Jährige sie daraufhin an der Hüfte festgehalten | |
und ihr einen Kuss auf den Mund gegeben. Sie berichtete den Vorfall ihrer | |
Mutter, die Anzeige erstattete. Mittlerweile hat der 23-Jährige die Tat | |
gestanden. | |
„Flüchtling missbraucht Mädchen“, titelten mehrere Medien. Ein vermeintli… | |
wichtiges Detail, das in allen Berichten erwähnt wurde: Der Täter kommt aus | |
Somalia. Was für das Mädchen keine Bedeutung haben dürfte. | |
Anders für Andreas Dressel, den Vorsitzenden der SPD-Bürgerschaftsfraktion. | |
Er forderte indirekt die Abschiebung des Geflüchteten. „Wer so etwas tut, | |
hat aus meiner Sicht sein Gastrecht in Deutschland verwirkt“, sagte er. Und | |
weiter: „Ich bin entsetzt und fassungslos. Unsere Gedanken sind bei dem | |
Mädchen und seiner Familie.“ | |
Auf taz-Nachfragen erklärte der SPD-Fraktionschef, es liege auch im | |
Interesse aller anderen Flüchtlinge in Deutschland, diejenigen | |
abzuschieben, die solche Taten begingen, um die anderen vor einem | |
Generalverdacht zu schützen. „Insofern hoffe ich, dass man sich in der | |
großen Koalition schnell darauf verständigt, die Anforderungen an | |
Abschiebungen bei Straftaten gerade mit sexuellem Bezug abzusenken.“ | |
Die Hamburger Morgenpost und das Hamburger Abendblatt berichteten über den | |
Vorfall hinaus von einer Reihe weiterer Geschehnisse, die gemeinsam haben, | |
dass die mutmaßlichen Täter sexualisierte Gewalt ausübten und | |
Migrationshintergrund haben. Wobei letzteres nicht immer sicher ist: Eine | |
Frau berichtet von Tätern, „die sie für Nordafrikaner hielt“, bei einem | |
anderen mutmaßlichen Täter könne laut Abendblatt und Mopo | |
„Migrationshintergrund nicht ausgeschlossen“ werden. | |
Medien- und KommunikationswissenschaftlerInnen beurteilen diese Art der | |
Berichterstattung als problematisch. Edda Eik vom Deutschen Presserat | |
verweist auf Ziffer zwölf des Pressekodex, laut dem die Zugehörigkeit zu | |
einer Ethnie, Religion oder anderen Minderheit nur erwähnt werden wird, | |
wenn „für das Verständnis des berichteten Vorgangs ein begründbarer | |
Sachbezug besteht“. Beispiele dafür wären etwa Schmuggel von einem Land in | |
ein anderes oder Taten von kriminellen Organisationen einer bestimmten | |
Nationalität. Nicht jedoch Entführungen oder Diebstähle. | |
Irene Neverla vom Hans-Bredow-Institut für Meidenforschung nannte die | |
reflexhafte Verkettung der aufgelisteten Fälle mit den Übergriffen der | |
Silvesternacht als „Kollateralschäden einer stigmatisierenden | |
Berichterstattung“. | |
11 Jan 2016 | |
## AUTOREN | |
Katharina Schipkowski | |
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