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# taz.de -- Sachbuch über Internet-Piraterie: Umsonst und draußen
> Stephen R. Witts „How Music Got Free“ stellt unbekannte Helden illegalen
> Filesharings vor. Es ging ihnen nicht um Gewinn, sondern um
> Kostenloskultur.
Bild: Fahne hoch für die Protagonisten des Filesharing! Unterstützer von Pira…
Manch ein Reflex funktioniert noch: Am Tag des Erscheinens von „How Music
got free“ des US-Autors Stephen Richard Witt lud um 21.08 Uhr ein gewisser
Mohammad_AT einen Torrent dieses Werks auf die Website Piratebay. Es geht
also um Filesharing – mit Torrents kann man Datenmengen verbreiten und
teilen.
Seit Frühjahr 2014 hat jener User dort mehr als 1.000 Torrents
veröffentlicht – die gesammelten Werke von Lewis Carroll ebenso wie die
Juli-Ausgabe von Reader’s Digest. Sogar ein Buch über die dunkle Seite des
Internet hat er in seinem Portfolio – wie passend. Denn Witts Buch ist eine
der ersten Darstellungen der Medien-Piraterie, die Ende der neunziger Jahre
dank Internet und Filesharing-Technologie möglich wurde und das etablierte
Geschäftsmodell der Musikindustrie infrage stellte.
Auch Witt weiß, es gibt sie also noch, die zwanghaften Hochlader. „How
Music Got Free“ ist ein eloquentes Dokument davon, wie bleiche
Keller-Bewohner mit einem Laptop die Art, wie wir Medien konsumieren,
beeinflusst haben. Die Medienindustrie verfolgt Piraten wie ihn mit
Anwälten und Klagen. Trotzdem ist jede Art von neu veröffentlichtem
„Content“ nach wie vor umgehend im Netz verfügbar. Diese Kostenloskultur
stellt eine Bedrohung für das Geschäftsmodell von allen dar, die mit
digitalisierbarem geistigem Eigentum ihr Geld verdienen wollen. Aber es ist
zugleich auch Ausdruck des alten – durchaus emanzipatorischen –
Hackermottos „Information wants to be free“.
Phänomene wie Napster, Bittorrent oder die Open-Content-Debatte spielen in
dem Buch nur ein Nebenrolle – darüber gibt es bereits Literatur. Die
dramatis personæ, mit denen Witt seine Geschichte erzählt, ist
ungewöhnlich. Witt beginnt mit dem – im angelsächsischen Raum offenbar
immer noch wenig bekannten – deutschen Mathematiker Karlheinz Brandenburg,
der Anfang der 90er Jahre am Max-Planck-Institut Erlangen zu den Schöpfern
von MP3 gehörte – dem Audio-Format, das Musikdateien überhaupt erst klein
genug machte, um sie als Datensatz im Internet verbreiten zu können. Die
Geschichte, wie sich MP3 gegen konkurrierende Formate durchsetzte, hätte in
den Händen von weniger begabten Autoren zu dröger Institutionsprosa werden
können – Witt gelingt es, sie spannend zu erzählen.
## Oink’s Pink Palace
Während Brandenburg noch zu den bekannteren Figuren in der Geschichte der
Internet-Piraterie gehört, wendet sich Witt anschließend Personen zu, die
in der einschlägigen Historie bislang keine Rolle gespielt haben: zum
Beispiel Bennie Lydell Glover. Der ist Angestellter eines CD-Presswerks in
den USA und stahl Tausende von Hit-Alben, um sie vor Veröffentlichung auf
sogenannten Topsites anzubieten. Seine Geschichte ist ein gutes Beispiel
dafür, dass es oft unbedeutende Mitarbeiter – meist frustrierte Inhaber
schlecht bezahlter McJobs – waren, die der Musikindustrie schadeten.
Glover schlug wenig persönlichen Gewinn aus seinen Aktivitäten, genauso wie
Alan Ellis, ein britischer Informatik-Student, dessen Website Oink’s Pink
Palace um 2000 eine der wichtigsten Quellen von Musik war – auch er ist in
der Geschichte der Internet-Piraterie bisher ein weitgehend unbeschriebenes
Blatt. Witts letzter Protagonist ist der US-Musikmanager Doug Morris, den
er als Retter der Musikindustrie hochstilisiert – er habe einerseits die
Strafverfolgung der Netz-Piraten eingeleitet, andererseits YouTube zur
neuen Einnahmequelle der Industrie gemacht.
Witt erzählt anschaulich die abstrakte Geschichte der Online-Piraterie –
die sich vor allem im Netz unter Protagonisten mit Pseudonym-Kürzeln
abgespielt hat.
1 Jan 2016
## AUTOREN
Tilman Baumgärtel
## TAGS
The Pirate Bay
Filesharing
Internet
Digitalisierung
Star Trek
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