Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Ausstellung über Afrikas Schönheitsideale: Schönheit, die von In…
> Die kluge Ausstellung „Africa‘s Top Models“ ersetzt im Hamburger Museum
> für Völkerkunde die bisherige Afrika-Ausstellung – zum Glück.
Bild: Schön oder nicht schön? Das ist auch bei diesem Friseur in Angola die F…
HAMBURG taz | Bin ich schön? Also nicht hübsch oder vielleicht attraktiv,
sondern – tatsächlich schön? Eine intime Frage. Sie zu beantworten ist auch
eine persönliche Herausforderung. Denn was ist neben den eigenen
Empfindungen der allgemeine Maßstab? Und wie steht man zu ihm? Am Anfang
der neuen Ausstellung „Africa‚s Top Models, Schönheitsideal – ideale
Schönheit“ steht gewissermaßen dieses Selbstbildnis: der Blick in den
Spiegel. Ein Spiegel, wandfüllend, auf den man zugeht. „Besonders die
Männer in unserem Team waren anfangs verunsichert und fragten: Ein Spiegel
– muss das denn sein?“, erzählt Wulf Köpke, Leiter des Hamburger Museums
für Völkerkunde. Es ist nicht die einzige Irritation, mit der der Besucher
in dieser Ausstellung rechnen muss.
„Wir wollten eigentlich eine unaufwendige Ausstellung machen, zusammen mit
unserem Partnermuseum in den Niederlanden“, erzählt Köpke. Jedes Haus
sollte seine Schätze an vornehmlich schönen Objekten aus den Depots und
Archiven holen und sie der interessierten Öffentlichkeit präsentieren. Doch
schnell biss man sich am Begriff des Schönen und der Schönheit jenseits
vermeintlich kulturwissenschaftlich abgesicherter Gewissheiten fest. Fragte
nach, ob das, was den Museumsfachmann, den Spezialisten für afrikanische
Skulpturen in Verzückung setzt, auch den Museumsbesucher begeistern könnte.
Besonders die Hamburger setzten sich in Bewegung, befragten Afrikaner und
Afrikanerinnen aus den hiesigen Kulturvereinen, mit denen man seit der
wegweisenden Ausstellung „Afrikaner in Hamburg“ aus dem Jahre 2011 engen
Kontakt hält. Man fragte auch bei Museen in Afrika nach, mit denen man
immer wieder kooperiert, wie dem Museum in der tansanischen Hauptstadt
Daressalam – und stieß schnell auf ein interessantes Phänomen: Während die
einen für sich sehr präzise benennen konnten, was für sie schön und was
nicht schön ist, fehlten anderen dafür die Kategorien und die Worte.
Gespräch für Gespräch wurde deutlich, dass es ein per se afrikanisches
Schönheitsideal so wenig gibt wie ein europäisches.
Die geplante Ausstellung nahm eine andere Wendung – weg von einer
Spezialschau für Experten und Sammler afrikanischer Kunst, hin zu einem
angenehm ausschweifenden Blick auf die Vielfältigkeit des afrikanischen
Kontinents. Sie zeigt etwa, dass einst während Expeditionen erworbene
historische Skulpturen, die auf dem heutigen Kunstmarkt sieben- bis
achtstellige Summen erzielen könnten, nun auf Cremes und Shampoos und
Bleichmitteln aus den afrikanischen Schönheitssalons zu finden sind, die es
heute in jedem Hamburger Stadtteil selbstverständlich gibt.
Hat man den wandhohen Spiegel überstanden oder genossen, folgt die nächste
Herausforderung: ein Laufsteg, der weit hinein in den Ausstellungsraum
führt und der bekräftigt, was man zu ahnen begann: Wer nach dem Schönen
schaut, wer etwas über das Schöne wissen will, der wird seinerseits
angeschaut, der muss sich zeigen. Dazu passt, dass man diesmal darauf
verzichtet hat, der Ausstellung eine klare Laufrichtung zu geben, hat man
erstmal den Laufsteg wieder verlassen. Stattdessen wird man aufgefordert,
sich im Ausstellungsraum seinen ganz eigenen Assoziationen, Vorlieben und
auch Klischees hinzugeben. Wulf Köpke gibt unumwunden zu: „Wir machen es
dem Besucher nicht leicht. Wir sind nicht die Allwissenden, die nun dem
unwissenden Besucher mal schnell Afrikas Schönheitsbegriff erklären.“
Eine Wand aus Titelblättern europäischer Modemagazine erzählt von der
langsam wachsenden Anzahl afrikanischer Models – es ist kein
deutschsprachiges Magazin dabei, es gab keins. Verschiedene Ethnien werden
gezeigt, mit ihren jeweiligen eigenen Ableitungen von schön und hässlich;
auf Monitoren sind Modeschauen zu verfolgen, die erste Barbie-Puppe Afrikas
ist zu betrachten.
Spannend ist eine Fotoserie über die Bewegung „Sapeurs“ im Kongo – meist
junge Männer, die sich mit Rückgriff auf die Figur des Dandys bis heute
extravagant kleiden. Das ist eine Art subversive Modebewegung, die einen
besonderen Höhepunkt erlebte, als ab den 60er-Jahren das
staatssozialistische Regime der Republik Kongo mit einer verordneten und
gänzlich konstruierten Re-Afrikanisierung versuchte, seinen Bürgern
vorzuschreiben, wie sie zu leben, wie sie zu fühlen und auch wie sie sich
zu kleiden und was sie als schön zu empfinden hätten.
Wulf Köpke hat lange beschäftigt, warum so viele afrikanische Masken und
Skulpturen ausgeprägte Schlitzaugen zeigen – und er ist nun im Rahmen der
Recherche klüger geworden: „In vielen Regionen Afrikas gilt ein Begriff von
innerer Schönheit: Ein Mensch ist dann schön, wenn er gut ist. Und so sind
die von uns wahrgenommenen Schlitzaugen nichts anderes als der gesenkte
Blick, durch den man auf die innere und eben nicht sichtbare Schönheit
verweist.“ Was zu wissen durchaus praktische Folgen haben könnte: „Wenn
unsere Polizisten afrikanische Jugendliche anhalten und befragen, dann
glauben sie oft, diese würden etwas vor ihnen verbergen und verheimlichen,
wenn diese nur leise mit ihnen sprechen und sie vor allem nicht direkt
anschauen. Dabei sind sie nur gut erzogen.“
Wie wichtig es ist, den kolonialen Blick abzuschütteln und dafür vorher
wahrzunehmen, vermitteln drei kleine Kabinen im Stile früherer Pornokinos.
Hier finden sich aufgereiht allerlei Utensilien und Objekte aus der Welt
der Klischees und Vorurteile: vom Kinderbuch über die zehn kleinen
Negerlein, dem Bildband der Leni Riefenstahl über die Nuba, dem Plakat mit
dem Spendenaufruf für das hungernde afrikanische Kind bis hin zum schwarz
gefärbten Dildo „Prince of Namibia“; letzterer in China für den
europäischen Markt gefertigt und für die Ausstellung über den Versand
Amazon eingekauft, also nicht aus vergangenen Zeiten stammend, sondern
aktuell.
Wie weit der koloniale Blick auf Afrika in unserem Alltag verankert ist,
wurde nicht zuletzt deutlich, als zum Eröffnungstermin der Ausstellung ein
Kamerateam kam und sich für ihre Aufnahmen einen Protagonisten mit
Afro-Look wünschte. „Ich musste denen sagen, dass das eine primitive
Vorstellung ist, denn der Afro heißt nichts anderes, als dass man mit
seinen Haaren nichts macht“, sagt Wulf Köpke. „Und da gab es in unserem
Team keinen einzigen.“
1 Aug 2016
## AUTOREN
Frank Keil
## TAGS
Schönheit
Afrika
Museum für Völkerkunde
Kolonialgeschichte
taz.gazete
Südafrika
## ARTIKEL ZUM THEMA
Aufarbeitung der eigenen Geschichte: Völkerkunde ade
Im Museum für Völkerkunde diskutiert man, ob sich das Haus einen neuen
Namen geben soll. In der taz-Redaktion stößt das auf ein gemischtes Echo.
Neue Chefin fürs Völkerkundemuseum: Partizipation war gestern
Die Afrika-Expertin Barbara Plankensteiner will weniger Feste feiern und
Projekte mit zeitgenössischen Künstlern fördern
Ökonomische Krise in Afrika: Wenn die Lichter ausgehen
Lange verließen sich die Länder Afrikas auf den Rohstoffhunger Asiens. Nun
bedroht die rückläufige Nachfrage die politische Stabilität.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.