# taz.de -- Nepals Mühen mit dem Wiederaufbau: „Eine Katastrophe in der Kata… | |
> Der Nothelfer Felix Neuhaus über den Stand des Wiederaufbaus nach den | |
> Erdbeben und die Folgen der Grenzblockade zu Indien. | |
Bild: Ziegel für den Wiederaufbau: Arbeiterin in einer Ziegelbrennerei in Lali… | |
taz: Herr Neuhaus, wie ist der Stand des Wiederaufbaus in Nepal nach den | |
schweren Beben vom 24. April und 12. Mai 2015, bei denen zusammen etwa | |
8.500 Menschen getötet und 23.500 verletzt wurden? | |
Felix Neuhaus: Der Wiederaufbau hat kaum begonnen. Bis Ende November wurden | |
nur 13,6 Prozent der international zugesagten Hilfsgelder abgerufen. Vor | |
allem in den am schwersten betroffenen 14 Distrikten haben Menschen mit dem | |
Wiederaufbau ihrer Häuser gewartet aus Angst, später keine staatliche Hilfe | |
mehr zu bekommen. Erst Mitte Dezember wurde die staatliche | |
Wiederaufbaukommission gegründet. | |
Warum hat das so lange gedauert? | |
Nepals Verwaltung ist auf allen Ebenen stark politisiert und fällt kaum | |
Entscheidungen im Sinne der Bevölkerung. Hinzu kommen Korruption, | |
Vetternwirtschaft und Postengeschacher. Es gibt aber auch positive | |
Beispiele wie etwa die Armee. Die hat erst Menschen gerettet und dann | |
monatelang Schutt geschaufelt. Ihr Ansehen ist gestiegen, sie wurde ja nach | |
dem Bürgerkrieg sehr gemischt wahrgenommen. Die Maoisten hingegen haben | |
sich nach dem Beben nicht von anderen politischen Parteien unterschieden, | |
weder positiv noch negativ. | |
Wie arbeiten Sie dort? | |
Wir von AWO International waren insofern privilegiert, weil wir schon seit | |
2009 ein Büro in Nepal haben. Unsere Gelder wurden deshalb nicht wie bei | |
neuen Organisationen im Land zunächst in den Fonds des Premierministers | |
umgeleitet. Wir hatten mit staatlichen Stellen wenig Probleme. Wir haben | |
mit anderen Organisationen gemeinsam Verteilungen organisiert, um | |
Doppelungen zu vermeiden. | |
Nennen Sie ein Beispiel. | |
Wir haben zunächst den Bau von Notunterkünften finanziert und Maurer als | |
Multiplikatoren ausgebildet. In einem Distrikt, der nicht zu den 14 am | |
schwersten betroffenen zählt, wurden alle von uns gestellten Materialien | |
für den Wiederaufbau verwendet. Dort wurden unter Beteiligung der | |
Bevölkerung 160 Häuser gebaut. Demgegenüber horten in den genannten 14 | |
Distrikten die Einheimischen teilweise das Material, weil sie noch auf | |
Regierungszusagen warten. So haben diese Menschen im Winter keine | |
angemessenen Unterkünfte und es gibt Erfrierungen. Die Nothilfekoordination | |
wurde zum Jahreswechsel durch eine staatliche Koordinierung des | |
Wiederaufbaus ersetzt. Die funktioniert aber bisher nur begrenzt. Der | |
Aufbau wird stark gebremst durch die Unschlüssigkeit, wie er genau erfolgen | |
soll. Es braucht aber eine Steuerung. | |
Seit Ende September ist die Grenze nach Indien, über das die meisten | |
Importe wie auch Benzin, Diesel und Gas kommen, wegen eines Streits um die | |
neue Verfassung blockiert. Wie wirkt sich das aus? | |
Es ist eine Katastrophe in der Katastrophe und extrem kontraproduktiv. | |
Offiziell gibt es keine Blockade. Indien begründet seine „Beschränkung“ m… | |
Sicherheitsbedenken, lässt aber täglich nur einige Lkw durch, sodass man | |
nicht sagen kann, es gebe eine indische Blockade. Nepal benötigt 360 Lkw am | |
Tag mit Erdölprodukten, aber nur 10 bis 20 kommen durch. Hilfsgüter können | |
nicht transportiert werden, Bagger keinen Schutt wegräumen. Selbst die UNO | |
hat nicht genug Sprit für ihre Helikopter, um Erdbebengebiete zu versorgen. | |
Die Fahrzeuge, die noch fahren, werden von Verfassungsgegnern mit Steinen | |
angegriffen. | |
Wie könnte die Situation verbessert werden? | |
Der Aufbau könnte schnell gehen, wenn Material und Geld zeitgerecht | |
verfügbar gemacht würden, weil die Menschen gewohnt sind, Häuser selbst zu | |
bauen. Internationale Organisationen fordern humanitäre Korridore für | |
Erdölprodukte und Hilfsgüter. Und generell müsste es eine demokratische | |
Verjüngung geben durch lokale Wahlen. Entscheidungen werden immer noch von | |
politischen Urgesteinen im Greisenalter getroffen im Sinne ihrer Klans. Die | |
letzten Kommunalwahlen fanden Anfang des Jahrtausends statt, keine der | |
großen Parteien will neue. | |
Was versprechen Sie sich von Kommunalwahlen? | |
Vertreter aus Kathmandu werden in Städte und Dörfer geschickt. Sie bleiben | |
zwei Jahre, versuchen möglichst viel für sich rauszuholen und lassen sich | |
dann nie wieder blicken. Gewählte Vertreter könnten hingegen für | |
Fehlentwicklungen verantwortlich gemacht werden. | |
8 Jan 2016 | |
## AUTOREN | |
Sven Hansen | |
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