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# taz.de -- Ein Jahr nach dem Erdbeben in Nepal: Leben im Provisorium
> Chuchepati ist eine der letzten Zeltsiedlungen für Erdbebenopfer in
> Kathmandu. Die Bewohner haben sich mit der schwierigen Situation
> arrangiert.
Bild: April 2016: Noch immer leben in Kathmandu Menschen in provisorischen Unte…
Kathmandu taz | Im Stadtteil Chuchepati von Kathmandu stoßen zwei Welten
aufeinander, getrennt durch einen Zaun. Rechts blüht ein Rhododendron,
dahinter schlängelt sich die Auffahrt zu einem Luxushotel durch einen Park.
Links stehen Zelte aus Plastikplanen und Bambusstäben. „Willkommen im Camp
Chuchepati für Erdbebenopfer“ heißt es auf einem Schild.
Abgase und Staub prägen das an einer Hauptstraße gelegene Lager.
Frühmorgens geht Phula Maya Moktan Wasser holen. Mit Eimern und Krügen
steht sie mit anderen Frauen Schlange vor dem großen Plastiktank, der mit
gefiltertem Grundwasser gespeist wird – sofern es Strom gibt. Heute wartet
sie umsonst. Sie trägt ihre Gefäße zurück zum Zelt, in dem sie seit einem
Jahr wohnt.
[1][Als am 25. April 2015 die Erde bebte], konnte sich Moktan mit Mühe und
Not retten. Über den schlingernden Hausflur und tanzende Treppen gelangte
sie aus dem fünften Stock hinunter auf die Straße. „Im Zelt ist es
wenigstens sicherer als im Haus“, meint sie. „Wenn wir Campbewohner nachts
Lichter in den Fenstern sehen, sagen wir immer, dass die Leute in den
Häusern vielleicht aus Angst nicht mehr schlafen. Erst vorgestern war
wieder ein Nachbeben.“
Camp Chuchepati ist von 14 großen Lagern übrig geblieben. Daneben gibt es
noch fünf kleinere. In den Tagen nach dem ersten Beben mit der Stärke 7,8
schliefen in Kathmandu Tausende unter freiem Himmel. Aus Angst vor
Nachbeben warteten sie im Regen auf Hilfe und errichteten provisorische
Lager. Am 12. Mai 2015 gab es ein weiteres starkes Beben. Insgesamt starben
8.800 Menschen, 22.300 wurden verletzt. In den Wochen darauf kamen immer
mehr Menschen aus zerstörten Dörfern in die Stadt, die im Juni 16.138
Campbewohner zählte.
## Drogenmissbrauch und Prostitution
In Chuchepati lebten in den ersten drei Wochen nach dem Beben nur 600
Familien, erklärt Dawa Sherpa, der hier für eine lokale Hilfsorganisation
arbeitet und die Wasserversorgung beaufsichtigt. „Später waren über 7.000
Menschen hier. Da dachte ich, bald verrückt zu werden, so schlecht waren
die Lebensbedingungen.“
Inzwischen haben sich die Zustände im Camp verbessert. Weil die Regierung
nichts für die Menschen in Chuchepati tut, kümmern sich mehrere
Organisationen und Freiwillige um das Lager. Sie registrieren auch, wenn
jemand geht. „Leer stehende Zelte sind ein großes Problem“, sagt Yangji
Sherpa. „Sie bieten Raum für Drogenmissbrauch und Prostitution.“
In den vergangenen Monaten seien viele Familien in die Dörfer
zurückgekehrt, um nach ihren zerstörten Häusern zu sehen und ihre Felder zu
bestellen. Umgerechnet 1.655 Euro versprach die Regierung als Aufbauhilfe
pro zerstörtes Haus. Doch wann gezahlt wird, ist unklar.
Sabitra Rai, Mutter einer sechsköpfigen Familie, verzieht das Gesicht, wenn
die Sprache auf die Regierung kommt: „Die ist nutzlos! Die Politiker sind
nicht einmal gekommen, um zu fragen, wie wir den Winter überlebt haben. Nur
kurz vor den Wahlen kommen sie, aber danach ist ihnen alles egal“.
## Vermehrt Fälle von Menschenhandel
Moktan hat im Camp viele Aufgaben übernommen. Gäste bringt sie zur
Registrierung. Sie müssen den Grund ihres Besuchs angeben. Dies sei nötig,
erklärt Bikram Sherpa, der heute das Buch verwaltet. Transparenz beuge
Konflikten vor, falls Hilfsgüter verteilt werden. Auf einem Schild steht:
„Do not take children from the camp“. Nach dem Beben habe es vermehrt Fälle
von Menschenhandel gegeben, sagt Yangji Sherpa. Sie wollen lieber
vorsichtig sein.
Laut Moktan sind die Mieten in dem Viertel stark gestiegen, weil der
Wohnraum immer knapper werde. Wie viele, deren Unterkünfte in der Stadt
zerstört wurden, könne sie sich die Rückkehr in ein Haus nicht leisten.
Gerüchten zufolge soll Chuchepati bald geräumt werden. Das Bauland ist
wertvoll.
Als endlich der Strom kommt, gibt es auch wieder Wasser. Die Sonne brennt
auf die Zelte, die Frauen ziehen sich in den Schatten eines Baumes zurück.
Sie sprechen darüber, eine Schule für diejenigen zu bauen, die nicht in
ihre Dörfer zurückkehren. Die Menschen im Camp sollten ihre Rechte fordern,
hat jemand zu Moktan gesagt. Aber wie, weiß sie nicht. Sie will keinen
Ärger machen. Bis sie gehen müssen, ist sie auf dem nackten Boden zumindest
sicher.
25 Apr 2016
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## AUTOREN
Johanna Fricke
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