# taz.de -- Kommentar Ehe für alle: Das slowenische Debakel | |
> Das Land hat sich entschieden, die Ehe nur heterosexuell zu | |
> privilegieren. Ein Rückschritt, für den auch Linke und Liberale | |
> Verantwortung tragen. | |
Bild: Mit „Čas je ZA“ – „Zeit für ein Ja“ warben die Befürworter d… | |
Das Resultat markiert ein Desaster: Slowenien hat sich in einer | |
Volksabstimmung dafür entschieden, die Gleichstellung Homosexueller im | |
Eherecht zurückzunehmen. Verantwortung hierfür tragen Konservative im Bund | |
mit dem katholischen Klerus, der dieses Plebiszit zum Anlass nahm, die | |
Uhren des Fortschritts tüchtig zurückzudrehen. Das Land, das sich vor 25 | |
Jahren als erste jugoslawische Teilrepublik für unabhängig erklärte und | |
sich als europäischster und liberalster Flecken südlich der Karawanken | |
verstand, hat sich ohne Not wieder der vatikanische Weltanschauung | |
angepasst. | |
Davon abgesehen, dass der aktuelle slowenische Fall ein starkes Indiz dafür | |
ist, dass es auch rechtlich fundamentalen Rückschritt geben kann, dass also | |
Mehrheiten sehr wohl in der Lage sind, Minderheiten im moralischen | |
(Selbst-)Verständnis wieder zu entwerten, verweist das Ergebnis, dass | |
Sonntag Abend aus Ljubljana vermeldet wurde, auf einen Mangel an | |
politischem Bewusstsein bei Liberalen und Linken. | |
Auch in Deutschland denken die liberalen und linken Szenen über die | |
Ansprüche Homosexueller auf die „Freiheit zur Ehe“ nicht politisch, sondern | |
als Grille einer doch im Guten erledigten Lebensstilpolitik. Im Sinne von: | |
Haben es Schwule und Lesben nicht nett und gemütlich? Dürfen die nicht | |
sogar seit Jahren ihre CSD-Umzüge veranstalten? | |
Was für ein Missverständnis: Konservative (ob in Polen, Slowenien oder | |
Deutschland) wissen sehr genau, dass die Ehe als Kern ihrer | |
Identitätspolitik für Heterosexuelle privilegiert bleiben muss. Sie haben | |
genau im Blick, dass die „Freiheit zur Ehe“, die auch Homosexuelle in | |
Anspruch nehmen können, keine modische Attitüde ist, sondern ein Angriff | |
auf ihr Schema von dem, wie die Welt strukturiert sein soll: mit der | |
Institution Ehe als bevölkerungs- und liebespolitischem Instrument. Moderne | |
aber ist: Die Liebe zählt – nicht die genormte Kinderproduktion. | |
## Entpolitisierter Zusammenhang | |
Nicht minder davon abgesehen, dass die sich links verstehenden Teile der | |
Schwulen- und Lesbenbewegung eben diesen Zusammenhang entpolitisieren und | |
nicht wahrhaben wollen und damit faktisch Alliierte vatikanischer Macht | |
sind, hat in Slowenien zu dieser Niederlage die groteske Nicht-, bzw. | |
Kaum-Mobilisierung der Liberalen und Linken zu dieser Abstimmung | |
beigetragen. | |
Einer Abstimmung, die zudem nie hätte stattfinden dürfen. Das mag | |
pathetisch klingen, gleichwohl: Das Recht auf Ehe im Sinne gemeinsamer | |
Übernahme von Verantwortung und namens der Liebe ist ein Menschenrecht, das | |
nicht an biologische Voraussetzungen geknüpft bleiben darf. | |
21 Dec 2015 | |
## AUTOREN | |
Jan Feddersen | |
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