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# taz.de -- Tageszeitung in Südkorea: Blatt kämpft gegen politischen Druck
> Die Zeitung „Kyunghyang Shinmun“ setzt sich für eine Annäherung an den
> nördlichen Nachbarn ein. Unter Konservativen gilt sie als linkes
> Kampfblatt.
Bild: Die Redaktion ist basisdemokratisch organisiert, einen Chefredakteur gibt…
SEOUL taz | Was das Besondere der Kyunghyang Shinmun ausmache? Leon Park
deutet schweigend auf die ausgebreiteten Tageszeitungen auf seinem
Schreibtisch: Auf allen Titelseiten prangt das Foto von einem Kampfjet, der
soeben von einem Flugzeugträger abhebt. Die konservativen Chefredakteure
der Konkurrenz machen mit den US-südkoreanischen Militärübungen auf. Nur
auf dem Titel der Kyunghyang Shinmun sind die Studentenproteste gegen die
Regierung zu sehen. Die Regierung will Schülern ein staatliches
Geschichtsbuch vorsetzen. Dagegen wehren sie sich.
Leon Park ist Mitte fünfzig und kein Chefredakteur, der die Zeitung auf
Gutsherrenart führt. Das hört man schon an seiner bedachten Wortwahl. Sein
Büro kommt ohne die typischen Machtinsignien aus, die sonst die
südkoreanischen Chefetagen zieren: ein schlichter Schreibtisch, die Glastür
zum Newsroom sorgt für Transparenz. Statt eines Jacketts trägt Park ein
schlichtes Fleece-Shirt.
Stolz sei man darauf, sich als einziges Leitmedium prominent für die Rechte
von Homosexuellen einzusetzen, sagt er. Die Kyunghyang plädiere außerdem
für eine friedliche Annäherung mit dem nördlichen Nachbarn und gegen die
Todesstrafe. Das reicht bereits aus, um in der konservativen Gesellschaft
Südkoreas als linkes Kampfblatt verschrien zu sein.
Leon Park sieht das ganz anders: „Wenn man sich bei den Journalisten nicht
einmischt, was sie schreiben, werden sie automatisch sehr kritisch. Wir
sind eine liberale Zeitung.“ Für diese Freiheit nähmen die Journalisten
geringere Löhne in Kauf. Das taz-Konzept, könnte man sagen.
## Glücksfall für 200 Journalisten
Die Regierung inseriert indes lieber in handzahmen Publikationen, und der
Samsung-Konzern offenbart seine Informationen exklusiv unter wohlgesinnte
Wirtschaftsjournalisten. Die Kyunghyang indes steht meist an vorderster
Front, wenn es darum geht, einen Skandal der Wirtschaftsunternehmen
aufzudecken. „Wir unterhalten ausgezeichnete Kontakte zu den
Gewerkschaften“, sagt Park.
Als der Chefredakteur vor 25 Jahren beim Blatt anfing, war die 1946
gegründete Zeitung noch fest im Besitz der Hanhwa-Gruppe, einem der großen
Chaebols des Landes. So werden die familienbetriebenen Wirtschaftsriesen
Südkoreas genannt, die die Ökonomie des Landes am Han-Fluss antreiben.
Fast jedes große Medienunternehmen ist eng mit einem der Chaebols
verflochten. Erst mit der Asienkrise zog sich das Unternehmen, dem die
Kyunghyang gehörte, aus dem Zeitungsgeschäft zurück. Die Publikation stand
damals kurz vor dem wirtschaftlichen Aus. Aus heutiger Sicht kann man
sagen: Es war ein Glücksfall für die über 200 Journalisten. Seitdem werden
das Gros der Unternehmensanteile von den angestellten Redakteuren gehalten
und der Vorstand wird alle drei Jahre basisdemokratisch gewählt. Bei der
Besetzung des Chefredakteurspostens haben die Journalisten ein Vetorecht.
## Seoul als Bildungsstätte für deutsche Verleger
Die Kyunghyang zählt trotz einer täglichen Auflage von 300.000 Exemplaren
nicht zu den einflussreichsten Zeitungen des Landes. Die Printlandschaft
Südkoreas wird von drei wertkonservativen Blättern mit einer vorwiegend
älteren Leserschaft dominiert. Ihre Vormachtstellung ist jedoch angezählt.
„Tatsächlich verlieren alle Tageszeitungen durch die Bank Abonnenten – und
zwar wesentlich schneller, als wir das alle erwartet hätten“, sagt Kim
Eun-mee, Kommunikationswissenschaftlerin an der Seouler
Nationaluniversität.
Im technikaffinen Südkorea, dem Land mit den schnellsten
Internetverbindungen der Welt, schreitet der digitale Wandel schneller
voran als anderswo: In den U-Bahnen schauen die Fahrgäste auf tabloidartige
Smartphones, Zeitungsleser hingegen sind vom Aussterben bedroht. Wenn
deutsche Verleger den digitalen Wandel verstehen wollen, buchen sie eine
Bildungsreise nach Seoul – wie zuletzt Kai Diekmann im Winter 2014.
## Erfolglose Einschüchterungsversuche
Gleichzeitig ist die Medienkrise auch eine Krise der Glaubwürdigkeit:
Advertorials – also von Anzeigenkunden bezahlter, aber von der Redaktion
produzierter Inhalt – sind ein großes Problem, ebenso wie die
wirtschaftliche Dominanz der Chaebols und politische
Einschüchterungsversuche durch die Regierung. Unter der konservativen
Regierung von Lee Myung-bak und der derzeit amtierenden Park Geun-hye
rutschte Südkorea im Index der Pressefreiheit auf den 60. Platz ab.
Gerade die junge Generation folgt lieber alternativen Onlineportalen oder
Podcastformaten. Außerdem finanzieren über 31.000 Abonnenten das
Crowdfunding-Projekt Newstapa: einer Investigativplattform, deren Redaktion
von Journalisten geleitet wird, die in den letzten Jahren wegen zu
kritischer Berichterstattung ihren Job verloren hatten.
Den steigenden politischen Druck bekommt auch die Kyunghyang Shinmun zu
spüren. Direkte Interventionen gebe es aber nicht mehr, sagt Chefredakteur
Park. „Mittlerweile traut sich niemand mehr, direkt bei uns anzurufen –
weil das am nächsten Morgen in der Zeitung stehen würde.“
25 Dec 2015
## AUTOREN
Fabian Kretschmer
## TAGS
Südkorea
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Medienkrise
Digitalisierung
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Kai Diekmann
Nordkorea
Nordkorea
Blendle
Schwerpunkt Zweiter Weltkrieg
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