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# taz.de -- Die Wahrheit: Das Lächeln des Knorzes
> In der Kneipe Quasimodo 17 hatten stets die Brummbären ihr Zuhause
> gefunden. Plötzlich wird sie von gut gelaunten Menschen aus aller Welt
> geentert.
Seit jeher gehörte eine ausgemachte Brummigkeit zu den
Einstellungsvoraussetzungen im Quasimodo 17. Mochten andere Wirte bevorzugt
junge, freundliche Studentinnen beschäftigen – im Quasimodo 17 setzte man
auf Knörze, die finster aus der Wäsche kuckten. Je finsterer, desto besser.
Die Kneipe selber war dementsprechend ein dunkler, muffig riechender Ort.
Niemand, der den Laden betrat, erwartete, begrüßt zu werden, nur drei oder
vier Stammgäste wurden mit einem kurzen Knurren willkommen geheißen, und
die Stimmung am Tresen erinnerte an die von dumpfem Schweigen geprägte
Atmosphäre auf dem Ruderdeck einer Galeere: Wer ein paar fidele Stunden mit
lustigem Palaver verbummeln wollte, suchte eher ein Krankenhauscafé auf als
das Quasimodo 17. Wenn mal einige gut gelaunte Fremde hereinkamen, dann
dauerte es nur Sekunden, bis sie wieder hinaus auf die Straße stürzten und
dabei eine Miene machten wie die Figur in Munchs Gemälde „Der Schrei“.
Insofern staunte man nicht schlecht, als eines Tages – von einem
rätselhaften Internettipp geleitet – Touristen auftauchten und diese nicht
sogleich wieder hinausrannten, sondern sich fröhlich schnatternd an einen
der Tische setzten. Zuerst waren es nur ein paar junge Amerikaner, dann
kamen auch Briten, Japaner, Spanier. Sie studierten kichernd die speckige
Karte und bestellten: „Una Cola, bittesärr!“ oder: „One Oränschsäfd!�…
„Cola?“, brummte der Knorz hinter der Theke: „Orangensaft?“ Tatsächlich
standen diese Getränke auf der Karte, doch seit Menschengedenken wurden im
Quasimodo 17 ausschließlich Bier und schwarzer Kaffee getrunken, und daher
verschwand der Knorz minutenlang im Getränkekeller, bis er ein paar
verstaubte Flaschen mit längst nicht mehr lesbarem, aber todsicher
abgelaufenem Haltbarkeitsdatum fand.
Die fröhlichen Gäste schockte das nicht. Sie lobten die bittere Note des
Saftes, fanden, dass kohlensäurefreie Cola viel besser schmecke als das
aufdringliche Blubberwasser, das man sonst serviert bekomme, und
applaudierten aufgekratzt, als der Knorz Apfelsaftschorle auftischte, die
wegen der langen Lagerdauer die Farbe von altem Burgunder angenommen hatte.
Sie verfassten euphorische Bewertungen fürs Internet, und als eine Chinesin
den Knorz bat, sich mit ihr fotografieren zu lassen, geschah das
Undenkbare: Der Knorz lächelte! Es war, als ob das Lächeln soeben erfunden
worden war und die Zukunft des ganzen Planeten wie ein verheißungsvolles
Versprechen am Horizont glitzerte.
Für die Galeerensklaven am Tresen war das zu viel. „Es wird Zeit, Männer“,
brummte einer, und weil damit schon zu viele Worte gemacht waren,
beschränkten sich die anderen darauf, zu nicken und auszutrinken. Sie
überließen das Quasimodo 17 der Fröhlichkeit und sollen sich seitdem in
einem Stehimbiss am Stadtrand treffen, wo sie von den alten Zeiten träumen:
Als im Quasimodo 17 noch Schweigen herrschte und ein Lächeln mit dem
sofortigen Rausschmiss geahndet wurde.
10 Dec 2015
## AUTOREN
Joachim Schulz
## TAGS
Kneipe
Tourismus
Italien
Kriminalität
Liebe
Nachbarn
Männer
Andalusien
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