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# taz.de -- 100 Jahre Allgemeine Relativitätstheorie: Einsteins Vermächtnis
> Der Wissenschaftler Albert Einstein revolutionierte vor 100 Jahren die
> Physik. Es brauchte seine Zeit, bis die Auswirkungen klar wurden.
Bild: Bei der Problemlösung an einer Tafel: Albert Einstein.
BERLIN dpa | Wer heute sein Navi einschaltet, findet auch mit Hilfe von
Albert Einstein zum Ziel. Erst die Allgemeine Relativitätstheorie
ermöglicht die gewünschte Genauigkeit der Satellitennavigation.
Diese praktische Anwendung konnte Einstein nicht vorhersehen, als er vor
100 Jahren, am 25. November 1915, den Kern seiner umwälzenden Theorie an
der Preußischen Akademie der Wissenschaften in Berlin präsentierte. Die
Wirkung seiner Arbeit war jedoch viel tiefgreifender: Mit der Allgemeinen
Relativitätstheorie revolutionierte das Jahrhundertgenie das Weltbild der
Physik – auch wenn das nicht sofort klar war.
„Es war ein Jahrtausendereignis der Wissenschaft, das damals in Berlin
stattgefunden hat“, urteilt Prof. Hermann Nicolai, Direktor am
Albert-Einstein-Institut der Max-Planck-Gesellschaft in Potsdam. „Aber es
ist erst im Laufe der folgenden Jahrzehnte klar geworden, was das für eine
Leistung war.“
Schon zehn Jahre zuvor hatte Einstein seine Spezielle Relativitätstheorie
veröffentlicht. Sie besagt, dass sich Raum und Zeit nicht getrennt
voneinander messen lassen. Einstein erkannte, dass Gleichzeitigkeit nur
eine relative Eigenschaft ist, die von der Wahl des Beobachters abhängt:
Zwei räumlich getrennte Ereignisse, die dem einen als gleichzeitig
erscheinen, können für einen anderen nacheinander ablaufen. Nur am selben
Ort ist die Gleichzeitigkeit zweier Ereignisse eindeutig. Die Spezielle
Relativitätstheorie führt über die Vereinigung von Raum und Zeit zu einer
vierdimensionalen Raumzeit. Die Zeit verlor damit ihren Status als absolute
Größe.
In seine Allgemeine Relativitätstheorie bezog Einstein die Schwerkraft
(Gravitation) mit ein. Die Theorie besagt, dass die Raumzeit durch Masse
verzerrt wird – ähnlich wie etwa eine Bowling-Kugel ein Trampolin einbeult.
Dieser Effekt ist umso stärker, je größer die Masse ist. „Das war ein
Paradigmenwechsel“, erläutert Nicolai. „Die Aussage ist, dass die
Schwerkraft eine Folge der verkrümmten Geometrie von Raum und Zeit ist.“
So wie ein Tennisball auf einem anderen Weg über ein Trampolin rollt, wenn
es durch die Bowlingkugel eingedellt wird. Der Theorie zufolge wird durch
die Verkrümmung der Raumzeit auch das Licht messbar abgelenkt, wenn sein
Weg an einer großen Masse wie etwa der Sonne vorbeiführt. Diese Vorhersage
machte Einstein vier Jahre später auf einen Schlag weltberühmt.
Der Brite Sir Arthur Eddington hatte 1919 zwei von der Königlichen
Astronomischen Gesellschaft RAS ausgerüstete Expeditionen zur Beobachtung
einer Sonnenfinsternis entsandt. Während der Sonnenfinsternis vermaßen die
Expeditionen die Position von Sternen neben der verdunkelten Sonne.
Tatsächlich wichen die gemessenen Positionen während der Finsternis
entsprechend der Vorhersage durch Einsteins Theorie von den vorher
bestimmten Werten ab. „Das war ein spektakulärer Erfolg, der Einstein auf
die Titelseiten der Weltpresse brachte“, sagt Nicolai. „Die Sterne sind
nicht, wo sie zu stehen scheinen“, schrieb etwa die New York Times damals.
„Aber niemand muss sich sorgen.“
Diese erste experimentelle Bestätigung der Allgemeinen Relativitätstheorie
sandte Schockwellen durch das wissenschaftliche Establishment. Heute
benutzen Astronomen diesen Effekt als natürliches Teleskop. Denn große
Massen im All wie eine Galaxie können das Licht dahinterliegender, weit
entfernter Objekte bündeln und wie eine Lupe verstärken. Die Forscher
nennen das eine Gravitationslinse.
## Jahrzehntelange Pause
Nach dem anfänglichen Triumph wurde es aber erstmal still um die Allgemeine
Relativitätstheorie. „Die Theorie war für 20 bis 30 Jahre aus dem Fokus der
Physik verschwunden, denn die Effekte sind so klein, dass man viele von
ihnen erst mit neuen Messgeräten nachweisen konnte“, erklärt Nicolai. So
gehen beispielsweise auch Uhren in einem starken Gravitationsfeld
langsamer. „Das geht so weit, dass die Zeit in der Nähe eines Schwarzen
Lochs nahezu stehenbleibt“, beschreibt Nicolai. Im Schwerefeld der Erde ist
dieser Effekt dagegen so klein, dass wir ihn im Alltag nicht merken. Für
die Zeit-Synchronisierung der Navigationssatelliten ist er hingegen von
zentraler Bedeutung und muss korrigiert werden, sonst stimmen die
Positionsdaten nicht.
„In den 1960er und 1970er Jahren rückte die Allgemeine Relativitätstheorie
zurück in den Fokus der Aufmerksamkeit“, schreibt der
Wissenschaftshistoriker Alexander Blum vom Max-Planck-Institut für
Wissenschaftsgeschichte in Berlin [1][in einem Beitrag auf der
Instituts-Website]. Ursache waren unter anderem die Entdeckung exotischer,
weit entfernter Himmelskörper, deren unerwartete Eigenschaften sich mit
Hilfe von Einsteins Theorie erklären ließen – so etwa Schwarze Löcher,
deren extrem starkes Gravitationsfeld nicht einmal das Licht entweichen
lässt. „Forscher, die sich mit dieser Theorie und mit Schwarzen Löchern
beschäftigten, wurden ein halbes Jahrhundert nach Einsteins Triumph zu
Superstars der Physik, allen voran der Engländer Stephen Hawking“, schreibt
Blum.
Schwarze Löcher, Urknall, die stetige Ausdehnung des Universums – das alles
lässt sich mit der Allgemeinen Relativitätstheorie erklären. „Die ganze
moderne Kosmologie fußt auf den Einstein-Gleichungen“, betont Nicolai,
dessen Institut vom 30. November bis zum 2. Dezember in Berlin eine
Jubiläumskonferenz zur Allgemeinen Relativitätstheorie ausrichtet, an die
sich ein geschichtlicher Workshop des Max-Planck-Instituts für
Wissenschaftsgeschichte bis 5. Dezember anschließt. Die Allgemeine
Relativitätstheorie hat sich nach Nicolais Worten zu einem Grundpfeiler der
modernen Physik entwickelt: „Es gibt heute eigentlich nur zwei grundlegende
physikalische Theorien: die Quantentheorie und die Allgemeine
Relativitätstheorie.“
25 Nov 2015
## LINKS
[1] https://www.mpiwg-berlin.mpg.de/de/content/renaissance-relativity-reinventi…
## AUTOREN
Till Mundzeck
## TAGS
Albert Einstein
Allgemeine Relativitätstheorie
Physik
Strahlung
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Zukunft
Teleskop
künstliche Intelligenz
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