# taz.de -- Einsteins Gravitationswellen entdeckt: Der Kosmos zittert | |
> Die dunkle Seite des Universums ist erstmals sichtbar. Und ein weiterer | |
> Teil von Einsteins Relativitätstheorie ist damit bewiesen worden. | |
Bild: Computersimulation der Verschmelzung zweier Schwarzer Löcher. | |
Berlin taz | „Vor 400 Jahren hat Galileo ein Teleskop auf den Himmel | |
gerichtet. Ich glaube, wir tun etwas ähnlich Wichtiges. Wir eröffnen eine | |
neue Ära“, sagte am Donnerstag der Physiker David Reitze in Washington. Der | |
Mann ist Direktor des Experiments Ligo. 1.000 Leute arbeiten weltweit | |
daran, in 50 Jahren wurden die Instrumente immer feiner, immer größer, die | |
Theorien immer genauer. Und nun sind die unsichtbaren Dinge, denen | |
Generationen von Forschern hinterherspürten gefunden worden: die | |
Gravitationswellen. | |
Sie sind ein Zittern des Kosmos selbst, wenn das Universum einen Schlag | |
abbekommt. Vor 100 Jahren wurden die Gravitationswellen von Albert Einstein | |
vorhergesagt, aber lange wegen ihrer irre winzigen Effekte als nicht | |
nachweisbar angesehen. Nun wurden sie von zwei Instrumenten gleichzeitig | |
gemessen, eines an der US-Westküste, eines in Louisiana im Süden der USA. | |
Zuerst gesehen wurden die Signale von deutschen Physikern in Hannover, am | |
14. September 2015, als ihre US-Kollegen noch schliefen. | |
Seitdem haben alle diese Signale geprüft, denn schon oft gab es falschen | |
Alarm bei diesem Zittern – immerhin versuchen die Physiker eine Welle im | |
Kosmos zu finden, deren Kamm auf einen Kilometer Länge ein Tausendstel so | |
hoch ist wie das Elementarteilchen Proton, also das Tausendstel von einem | |
Millionstel des Millionstels eines Fliegenschisses. Und der Fliegenschiss | |
ist auch noch durchsichtig – nicht schwarz. | |
„Ligo“ steht für Laser-Interferometer-Gravitationswellen-Observatorium. Die | |
Messstationen bestehen aus zwei senkrecht zueinander stehenden Röhren von | |
jeweils vier Kilometern Länge mit Spiegeln an den Enden. Zwischen den | |
Spiegeln „stehen“ zwei perfekt getaktete Laserstrahlen. Ihre | |
elektromagnetischen Wellen schwingen im genau gleichen Takt, auf der | |
gleichen Wellenlänge. | |
## Haarsträubende Messprobleme | |
Wenn nun eine Gravitationswelle in eine bestimmte Richtung durchläuft, dann | |
zittert der Kosmos kurzzeitig in diese Richtung, das heißt Gegenstände und | |
Entfernungen werden erst kurzzeitig gestaucht und dann auseinandergezogen. | |
Das gilt auch für die Tunnelröhren und elektromagnetische Wellen wie | |
Laserstrahlen. Der senkrecht dazu liegende Tunnel und sein Strahl werden | |
jedoch nicht verändert. Die beiden Strahlen sind nicht mehr genau auf | |
Wellenlänge. Sie kommen ein winziges bisschen aus dem Takt und zittern wie | |
zwei nicht ganz genau gestimmte Stimmgabeln. Physiker nennen das | |
„interferieren“. | |
In der Praxis ergeben sich haarsträubende Messprobleme: Die Erdkruste | |
wackelt, Laster fahren, Absätze klackern. Die Atome der Spiegel selbst | |
vibrieren auch. Also hängen die Laserspiegel an den Enden der Röhren in | |
komplizierten Pendeln, die alle möglichen Störungen fernhalten, und dabei | |
wieder an haardünnen Glasfibern. Die Theorie muss exakt genug beschreiben, | |
welche Wellenform denn so ein Kosmoszittern hat. Sonst suchen alle nach den | |
falschen Signalen. | |
Laut den Berechnungen handelt es sich bei dem Gefundenen um das Signal von | |
zwei Schwarzen Löchern. Ihre Wellen reisten mehr als eine Milliarde | |
Lichtjahre durch das Universum, also gut eine Milliarde Jahre lang. Die | |
beiden Monstren umkreisten sich damals immer schneller und knallten dann | |
ineinander. Dabei werden unfassbare Energien frei und diese bringen die | |
Raumzeit zum schwingen, also den Stoff, aus dem der Kosmos laut Einstein | |
ist. | |
## „Wie aus dem Lehrbuch“ | |
Die beiden Schwarzen Löcher haben 29- und 36-mal so viel Masse wie unsere | |
Sonne. Beim Verschmelzen wandelten sich davon drei Sonnenmassen nach der | |
Einsteinschen Formel E=mc2 in Energie um, wandelten sich also in | |
Gravitationswellen um. Drei Sonnenmassen sind sechsmal eine Milliarde mal | |
eine Milliarde mal eine Milliarde Tonnen. Zum Vergleich: Bei der Explosion | |
einer Atombombe verschwinden ein paar Gramm und werden als Energie frei. | |
Nach 100 Jahren sind damit die Wellen nachgewiesen, die die Allgemeine | |
Relativitätstheorie vorhersagt. Die Signale seien „wie aus dem Lehrbuch“ | |
gewesen, so Karsten Danzmann, Direktor am Max-Planck-Institut in Hannover. | |
Und die Existenz von Schwarzen Löchern wurde damit auch erstmals direkt | |
gemessen. | |
Die Aufregung bei den Physikern ist aber auch so groß, weil sie damit eine | |
völlig neue Untersuchungsmethode haben. Gravitationswellen sind weder | |
Teilchen, noch Licht oder irgendwelche Strahlen. Sie sind | |
Strukturveränderungen des Universums selbst. Sie gehen durch alles | |
hindurch, werden kaum verfälscht und öffnen ein Fenster zur sogenannten | |
dunklen Materie. Die macht einen Großteil des Universums aus, war bisher | |
aber unzugänglich. Außerdem kamen die Physiker in letzter Zeit nur noch | |
mühsam voran, weil sie ihre Modelle mit irdischen Mitteln kaum noch testen | |
können. | |
## Zurück bis zum Urknall | |
Nun geht es in unbekannte Welten und Bereiche. Riesige Schwerkräfte, die | |
niemals im Labor erzeugbar wären. Und erstmals kommen Messungen theoretisch | |
direkt bis an den Urknall heran. Licht- oder Radarteleskopen sehen da gar | |
nichts, weil in den ersten Momenten das Universum dunkel war – aber | |
Gravitationswellen ausgesandt haben muss, so die Forscher. | |
Sheila Rowan vom Institut für Gravitationsforschung im schottischen | |
Glasgow: „Jedes Mal in der Geschichte ein neues Teleskop genutzt wurde, | |
dann kamen auch neue, unerwartete Signale. Vielleicht ist dies die | |
aufregendste Perspektive dieses Experimentes.“ | |
Und ein neues Gravitationsteleskop ist schon geplant, mit dem schönen Namen | |
NGO (Neues Gravitationswellen Observatorium). Dafür sollen drei europäische | |
Satelliten ins All geschossen werden, die mit Laserstrahlen ein | |
Interferometer mit der gigantischen Armlänge von einer Million Kilometer | |
bilden. Damit lassen sich Gravitationswellen von Ereignissen messen, die | |
jetzt noch unzugänglich sind. Allerdings ist die Finanzierung unklar und | |
der Start erst für 2034 vorgesehen. | |
12 Feb 2016 | |
## AUTOREN | |
Reiner Metzger | |
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