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# taz.de -- Direkte Demokratie in Dänemark: Angstkampagne gegen EU-Skepsis
> In einem Referendum entscheidet sich, ob Kopenhagen künftig mehr
> Souveränität an Brüssel abgibt. Befürworter und Gegner liegen gleich auf.
Bild: Dänemarks Regierungschef Lars Loekke Rasmussen nimmt vor Studenten zu de…
Stockholm taz | Die Dänen sind ein kompliziertes Volk, meint Catharina
Sørensen, Forschungschefin des dänischen Thinktanks „Europa“: Eigentlich
mögen sie die EU, aber es dürfe nicht zu viel davon sein. Die Souveränität
sei seit den 1970er Jahren der Knackpunkt für ihr Verhältnis zur
Europäischen Gemeinschaft gewesen. Am Donnerstag steht wieder ein
Referendum über die Frage an: Souveränität abgeben oder nicht?
Es geht um den „Rechtsvorbehalt“. Das ist eine der vier Ausnahmen, die
Brüssel dem Land 1993 im Übereinkommen von Edinburgh zugestanden hatte. Ein
Jahr zuvor hatte eine Mehrheit der DänInnen mit ihrem Nein zum
Maastricht-Abkommen die gesamte EU ins Schleudern gebracht. Dieses
Vertragswerk bedurfte der Annahme durch alle Mitgliedsländer. Das dänische
Referendums-Nein blockierte deshalb den gesamten Ratifizierungsprozess.
Um die Kuh vom Eis zu bringen, war Dänemark daraufhin das Recht eingeräumt
worden, sich weder an einer europäischen Verteidigungszusammenarbeit noch
an der gemeinsamen Währung und einer Unionsbürgerschaft beteiligen zu
müssen und es durfte auch in Zukunft seine „rechtlichen und inneren
Angelegenheiten“ allein regeln.
Formal bedeutet dieser „Rechtsvorbehalt“, dass Dänemark weder an der
gemeinschaftlichen Terrorbekämpfung noch an ausländerrechtlichen
Übereinkommen teilnimmt und auch nicht automatisch in die
Unionszusammenarbeit auf handels-, straf- und familienrechtlichem Gebiet
eingeht.
## Letztes Wort für das dänische Parlament
Praktisch hat Kopenhagen große Teile seiner nationalen Gesetzgebung über
Parallelabkommen dem EU-Niveau angepasst. Diese zwischenstaatliche
Zusammenarbeit habe funktioniert und den Vorteil gehabt, dass das Land
nicht ohne Not Souveränität an Brüssel abgeben musste, argumentiert die
Nein-Seite. Sie möchte, dass auch in Zukunft das dänische Parlament das
letzte Wort haben und der „Rechtsvorbehalt“ in Kraft bleiben soll.
„Dänemark in deinen Händen“, lautet der Slogan der rechtspopulistischen
Dänischen Volkspartei (DF). Am anderen Ende des Parteienspektrums wirbt
auch die linke „Einheitsliste“ für ein Nein mit dem Slogan „Für Offenhe…
und Demokratie“ und der Begründung, Macht solle so nahe wie möglich bei der
Bevölkerung verankert werden, „nicht immer weiter und weiter weg“. Schon
gar nicht bei einem Gebilde mit solchen Demokratiemängeln, wie es die EU
darstelle.
Angesichts der tief verankerten EU-Skepsis der DänInnen wollte die
Ja-Seite, die im Parlament von Sozialisten bis zu den Konservativen reicht
und sich eigentlich auf zwei Drittel der Stimmen stützen kann, kein Risiko
eingehen und entfaltete eine Angstkampagne.
„Wer Drogenhändlern, Diebesbanden und Kinderschänderringen das Handwerk
legen will, muss mit Ja stimmen. Wer andere Ambitionen hat – der soll Nein
sagen“, klotzte Lars Løkke Rasmussen. „Ein Nein spielt mit unser aller
Sicherheit und Zukunft“, beschwor der Regierungschef und unterstellte
Nein-SagerInnen, sie würden der Agenda von Kriminellen folgen.
## Auf Totschlagargumente setzen
Ähnlich der konservative Exvizeministerpräsident Bendt Bendtsen, für den
ein Nein „eine Unterstützung der zynischsten, gewalttätigsten und
asozialsten Elemente“ bedeutet. Auch die oppositionellen Sozialdemokraten
setzten auf Totschlagargumente: Nur wer mit Ja stimme, unterstütze den
Kampf gegen das Verbrechen, den Frauenhandel und die Jagd auf Pädophile.
Für wie dumm halten uns die Ja-Parteien, fragte angesichts eines solchen
Kampagnenniveaus das liberale Ekstrabladet. Schließlich habe die
Zusammenarbeit der dänischen Polizei mit der europäischen Polizeibehörde
„Europol“ glänzend funktioniert. Warum sollte sie schlechter werden, wenn
das so wie bisher weiter auf zwischenstaatlicher Ebene koordiniert werden
würde? „Geschmacklos und verlogen“ sei die Ja-Kampagne und man wolle
offenbar nur einschüchtern, kritisiert Pernille Skipper von der
„Einheitsliste“.
„Passt auf, dass wir nicht wieder Nein sagen“, warnte Ekstrabladet.
Tatsächlich ist der Vorsprung der Ja-Seite dahingeschmolzen und Umfragen
sehen ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Während die 60plus-Generation vorwiegend Ja
stimmen will, überwiegt bei den unter 35-Jährigen die Nein-Fraktion.
30 Nov 2015
## AUTOREN
Reinhard Wolff
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Referendum
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