# taz.de -- Die USA nach den Anschlägen in Paris: Beten und Wahlkämpfen | |
> Die Anschläge in Frankreich rücken bei den demokratischen | |
> Präsidentschaftskandidaten den Terrorismus ins Zentrum der Debatte. | |
Bild: In New York leuchtet die Spitze des One World Centers in den Farben der f… | |
NEW YORK taz | „Eine Schweigeminute für die Opfer von Paris“, ruft eine | |
junge Frau in die Kneipe. Der ohrenbetäubende Lärm im „Corner Social“ in | |
Harlem bricht ab. Dutzende Aktivisten, die die zweite demokratische | |
TV-Debatte sehen wollen, senken die Köpfe. Dann beendet ein Knacken im | |
Mikrofon die Stille. | |
Die Frau meldet sich mit der dreimaligen Nennung des Namens „Hillary“ | |
zurück. Und fährt fort, die Ex-Außenministerin sei die erfahrenste und | |
beste Präsidentschaftskandidatin, um die Krise zu meistern. In ihrer | |
Kneipenhälfte fühlen sich die [1][Bernie-Sanders-Unterstützer überrumpelt]. | |
„Unser Kandidat ist gegen Krieg, er ist friedliebend und einer, der | |
verhandeln will“, erklärt Studentin Jessica Frisco, „aber Amerikaner im | |
Allgemeinen setzen eher auf Rache. Und darauf, den IS in Grund und Boden zu | |
bomben.“ | |
Sie war neun, als 9/11 stattfand. Und sie hält die seither geführten Kriege | |
für falsch. Unter anderem, weil dabei mehr US-Soldaten gefallen sind, als | |
Menschen am 11. September in den USA umkamen. Am Tag nach Paris erwartet | |
sie bei der Debatte eine schwierige Gemengelage für Bernie Sanders. | |
## Champagner statt Gebete | |
Im anderen Teil der Kneipe sieht ein junger Mann eine Chance für seine | |
Kandidatin. „Jeder Terrorismus ist schrecklich“ sagt Brian Block, der an | |
der New Yorker Börse arbeitet. „Amerika nimmt so etwas nicht hin.“ Er ist | |
überzeugt, dass Clinton in der Debatte zeigen wird, dass sie eine | |
„erfahrene und starke Frau“ ist. | |
Noch während am Vortag in Paris die Geiselnahme und das Massaker im | |
Bataclan liefen, haben US-Amerikaner mit „Gebeten für Paris“ reagiert. Bis | |
zum Freitagabend breitete sich in New York das Hashtag [2][#PrayerforParis] | |
wie ein Lauffeuer aus. In Frankreich antwortete der Cartoonist Joann Sfar: | |
„Danke für eure Gebete. Aber wir brauchen nicht mehr Religion. Unser Glaube | |
ist [3][Musik, Küsse, Champagner und Freude.]“ | |
Die Gewalt in Paris hat auch die Themen der zweiten demokratischen TV-Runde | |
in den USA verändert. Nun steht Terrorismus im Zentrum. Auch Hillary | |
Clinton schickt ihre Gebete nach Paris. Aber sie sagt: „Das reicht nicht.“ | |
Sie ist ganz in Schwarz zu dieser Runde mit drei verbleibenden Kandidaten | |
erschienen. In ihrem dritten Satz macht sie klar, dass es bei der Wahl | |
sowohl um den Präsidenten als auch den Obersten Befehlshaber geht, und sie | |
klingt, als säße sie bereits im Weißen Haus. | |
Sie bezeichnet Terrorismus als „größte Herausforderung“. Sie will IS nicht | |
„eindämmen, sondern bezwingen“. Und sie meint, dass es kein rein | |
„amerikanischer Kampf“ sein kann, sondern einer mit internationaler | |
Beteiligung. Aber dass das „unbedingt unter amerikanischer Führung“ | |
geschehen muss. | |
## Auch gegen die Irak-Invasion | |
Bernie Sanders sieht das meiste davon anders. Auch nach Paris hält er an | |
dem fest, was er vorher gesagt hat: dass Klimawandel die größte Bedrohung | |
der nationalen Sicherheit sei. Und er fügt hinzu, dass Klimawandel „mit der | |
Zunahme von Terrorismus zusammenhängt und zu allen möglichen Arten | |
internationaler Konflikte führen wird“. Von rechten Kommentatoren wird er | |
dafür hinterher verhöhnt, als wäre er nicht zurechnungsfähig. Aber während | |
der Debatte erhält er viel Beifall. | |
Auch in der Kneipe in Harlem sind besonders viele seiner Meinung, wenn er | |
gegen Krieg ist. Sanders beschreibt die Irak-Invasion als „den schlimmsten | |
außenpolitischen Fehler“. Er selbst hat damals – mit einer kleinen | |
Minderheit im Kongress – gegen die Invasion gestimmt. Clinton war dafür. | |
Bei der TV-Debatte beschreibt Sanders die „Auftrennung“ und die | |
„Destabilisierung der ganzen Region und das Entstehen von al-Qaida und IS | |
als Konsequenzen jener Invasion. Zusätzlich zählt er Umstürze vom Iran über | |
Chile bis nach Guatemala auf. „Wir sind uns da nicht einig“, sagt er zu | |
Clinton. „Meine Position zu Regimewechseln ist konservativer.“ | |
Er widerspricht ihr auch bei der militärischen Führungsrolle im Kampf gegen | |
IS. Für ihn müssen die Golfstaaten führen. Der Freitag in den USA hatte mit | |
einer Erfolgsmeldung aus dem Kampf gegen IS begonnen. Die Medien | |
berichteten, US-Drohnen hätten beim Angriff auf die irakische Stadt | |
Sindschar [4][“Jihadi John“ getötet], der mehrere US-Geiseln vor laufender | |
Kamera geköpft hat. | |
## Als hätten sie darauf gewartet | |
Am selben Morgen wurde ein Fernsehinterview mit Präsident Barack Obama | |
gesendet. Darin erklärte er, dass IS nicht an Stärke gewinne. Er | |
prognostizierte aber auch, dass die Terrorgruppe nicht „geköpft“ und ihre | |
Bekämpfung ein „Mehrjahresprojekt“ sei. | |
Als wenige Stunden später die Nachrichten aus Paris kommen, spricht der | |
US-Präsident von einer „Attacke gegen Menschheit und universelle Werte. Und | |
er sagt Frankreich Hilfe zu. Manche republikanische | |
Präsidentschaftskandidaten hingegen reagieren, als hätten sie auf die | |
Gelegenheit gewartet. | |
Der Texaner Ted Cruz macht die französische Einwanderungspolitik | |
verantwortlich und schlägt für sein eigenes Land vor, keine syrischen | |
Flüchtlinge mehr hereinzulassen. Der Milliardär Donald Trump trägt einen | |
Kommentar bei, der auch direkt von der Rüstungslobby NRA stammen könnte: | |
„Die Attacken wären anders verlaufen, wenn die Leute bewaffnet gewesen | |
wären. Hier hatten nur die Bösen Waffen.“ | |
15 Nov 2015 | |
## LINKS | |
[1] /Praesidentschaftswahl-in-den-USA/!5008539/ | |
[2] http://twitter.com/search?q=%23PrayerForParis&src=tyah | |
[3] http://twitter.com/Europe1/status/665812489528082432 | |
[4] /IS-im-Nordirak-in-der-Defensive/!5248328/ | |
## AUTOREN | |
Dorothea Hahn | |
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