| # taz.de -- Künstlergruppe über abgesagte Aktion: „Wir spritzen trotzdem“ | |
| > Frankfurter KünstlerInnen wollen sich öffentlich einen Schuss setzen, um | |
| > gegen Gentrifizierung zu protestieren. Kurz vorher springt der | |
| > Veranstalter ab. | |
| Bild: Street Credibility ist vorhanden: eine Künstlerin der „Frankfurter Hau… | |
| Die Künstlergruppe „Frankfurter Hauptschule“ will sich öffentlich einen | |
| Schuss setzen, um gegen die Aufwertung des Bahnhofsviertels zu | |
| protestieren. Am Freitagmittag hat die Galerie Kaiser P, in der die Aktion | |
| stattfinden sollte, die Performance abgesagt. | |
| taz: Der Frankfurter Ordnungsdezernent Markus Frank wollte von vornherein | |
| die Aktion verhindern. Nun war er indirekt erfolgreich. Die Kunst wird | |
| verdrängt, damit alles schön sauber bleibt. Ist das nicht der Sieg für die | |
| Gentrifizierung schlechthin? | |
| N.N.*: Wir spritzen trotzdem. Am Eingang der Kaiserpassage (am Freitag, | |
| 13.11., um 19 Uhr, Anm. d. Red.). Aber nur einmal, nicht wie angekündigt | |
| viermal. Und zur Frage: Das Ganze ist ein spektakulärer Zwischenstand in | |
| einer Provinzposse der Lokalpolitik. Die Stadt hat Angst vor politischer | |
| Kunst, das schreit ja eigentlich zum Himmel. Alleine, dass uns das | |
| Kulturamt kurzfristig die Fördergelder gestrichen hat. | |
| Sind Sie enttäuscht von der Absage? | |
| Nein, es ist einfach affig. Gerade auch, dass über Bande gespielt wurde und | |
| uns die Galerie abgesagt hat. Ein Verbot von der Stadt wäre uns lieber | |
| gewesen, da wären die Fronten klarer gewesen. Die Stadt stellt sich | |
| jedenfalls bloß, wenn sie uns die Gelder streicht. | |
| Warum überhaupt die Ankündigung zur „Heroin Performance“, warum der Griff | |
| zu so einer drastischen Maßnahme? | |
| Als Bewohner des Bahnhofsviertels verfolgen wir die Aufwertungsprozesse | |
| schon länger. Wir wollen uns ästhetisch mit diesem Thema auseinandersetzen | |
| und auf die Widersprüche hinweisen, nicht sagen: „Oh, hier gibt es | |
| Gentrifizierung, lass uns mal darüber reden“. Wir wollen zeigen, wir fühlen | |
| uns hier zwischen den Junkies wohl. | |
| Sie richten sich insbesondere gegen die Initiative Taunusstraße, Arts und | |
| Bites, kurz TAB, ein Projekt von Musiker Daniel Wirtz, dem | |
| Ordnungsdezernenten und einigen Gewerbetreibenden. Warum? | |
| Uns hat insbesondere das Auftreten von TAB genervt. In einem Video laufen | |
| der Ordnungsdezernent Markus Frank und Schlagersänger Daniel Wirtz | |
| gemeinsam durch die Taunusstraße im Bahnhofsviertel. Sie philosophieren | |
| über die Eigentumswohnung von Wirtz und dass es hier hoffentlich bald | |
| schöner wird. Aber nein, verdrängen wollen sie natürlich keinen. Das ist | |
| eine Farce. Diese peinliche Bigotterie hat uns angestachelt. Allein der | |
| Fakt, dass das Ordnungsdezernat ein sogenanntes Kulturprojekt anstößt, | |
| sollte stutzig machen. Und ordentlich Geld wurde auch reingepumpt, 50.000 | |
| Euro soweit wir wissen. | |
| Und dagegen sollte dann die Heroinspritze nötig sein? | |
| Wir wollen eine Heroin-Performance machen. Wir sagen nicht, dass es Heroin | |
| sein wird, wir nennen es halt so. Es wird etwas gespritzt, aber was, das | |
| wollen wir bewusst offenhalten, auch aus juristischen Gründen. Es kann auch | |
| Kochsalz sein. | |
| „Die Junkies gehören zum Bahnhofsviertel wie der Wind zum Meer“, heißt es | |
| ein wenig kitschig in Ihrer Pressemitteilung. Haben Sie damit | |
| Drogenabhängigkeit nicht idealisiert? | |
| Suchtkrankheit ist für die Betroffenen ein Problem, das liegt auf der Hand. | |
| Aber die Junkies, die gibt es eben und die gibt es wegen einer speziellen | |
| gesellschaftlichen Verfasstheit. Zu sagen: „Die müssen weg, wir wollen das | |
| hier schön machen“, löst das Problem eben nicht. Mit unserer | |
| Drogen-Performance wollen wir den Finger bewusst in gesellschaftliche | |
| Wunden legen. | |
| Sie kritisieren die Aufwertung durch Künstler, dabei sind Sie selbst | |
| welche. Ist das nicht paradox? | |
| Ja, auch wir tragen unseren Teil zur Aufwertung bei. Uns interessiert die | |
| künstlerische Forschung dazu. Da, wo es dreckig und günstig ist, ziehen die | |
| Studenten und Künstler hin. Dann kriegen andere das spitz, kommen nach, die | |
| Mieten steigen. Die Gentrifizierung von oben setzt ein. Aber auch wir sind | |
| von der Verdrängung betroffen. Zwei von uns sind auf Wohnungssuche. | |
| * Die Sprecher der Künstlergruppe möchten anonym bleiben. | |
| 13 Nov 2015 | |
| ## AUTOREN | |
| Alina Leimbach | |
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