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# taz.de -- Nach Angriff auf Henriette Reker: Die Unerschrockene
> Einen Monat nach dem Messerattentat tritt die Kölner Oberbürgermeisterin
> ihr Amt an. Sie gibt sich entschlossen und angstfrei.
Bild: Henriette Reker wirkt wie eh und je: Tweedjacke, Pagenkopf, Perlenohrring…
Köln taz | „Ich bin wieder da, und ich bin von Tag zu Tag wieder mehr da“,
ruft Henriette Reker in die Runde. Für ihren ersten offiziellen Auftritt
hat die neue Kölner Oberbürgermeisterin einen ungewöhnlichen Ort gewählt:
einen kleinen Raum im zweiten Stock des Museums Ludwig, in dem bedeutende
Gemälde der Neuen Sachlichkeit hängen. Etwa 80 Pressevertreter und namhafte
Gesichter der Stadt, darunter der frühere OB Fritz Schramma (CDU), drängen
sich hier dicht an dicht und applaudieren, als die Politikerin vor ihnen
Platz nimmt.
Reker spricht gefasst und ruhig. Weder Nervosität noch Pathos schwingen in
ihrer Stimme mit. Die 58-Jährige wirkt wie eh und je: Tweedjacke,
Pagenkopf, Perlenohrringe. Nur das Seidentuch um ihren Hals erinnert an die
schwere Wunde, die sie erlitten hat. Die Messerattacke eines Neonazis vor
gut einem Monat, am Vortag der Wahl, hatte sie lebensgefährlich verletzt,
zeitweise lag Reker im künstlichen Koma.
Der Messerstecher Frank S. ließ sich am Tatort festnehmen. Aufgrund seiner
Verbindungen in die rechte Szene hatte der Generalbundesanwalt den Fall an
sich gezogen. Noch ist der Heilungsprozess nicht abgeschlossen, aber Kölns
erste Oberbürgermeisterin versichert, das Attentat habe ihre
Entschlossenheit nur weiter gefestigt.
Nach dem Angriff entbrannte eine Debatte, ob die Gefahr eines neuen
Rechtsterrorismus drohe. Auch die Sicherheitsbehörden sind alarmiert. Noch
kurz vor dem Attentat auf Reker hatte das BKA in einer Lagebewertung davor
gewarnt, dass auch Betreiber von Flüchtlingsunterkünften und Politiker
Opfer rechter Gewalt werden könnten.
Doch auch wenn sie seit der Messerattacke unter Polizeischutz steht – Angst
verspürt die zierliche Politikerin nicht: „Die Kölner Polizei passt gut auf
mich auf.“ Sie schrecke auch nicht davor zurück, Menschen öffentlich die
Hand zu geben. Kürzlich hätte sie ein groß gewachsener Mann in einer
Apotheke umarmt. „Die Mitarbeiter der Apotheke hatten mehr Angst als ich“,
erzählt sie schmunzelnd, verhaltenes Lachen im Raum. Mit Blick auf
politische Extremisten und die Anschläge in Paris stellt die Stadtchefin
klar: „Gewalt und Hass betrügen sich selbst, sie sind keine Lösung.“
Die Angst dürfe nicht die Oberhand gewinnen. So sollten sich die Kölner
weiterhin frei in der Öffentlichkeit bewegen und etwa die Weihnachtsmärkte
besuchen: „Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass wir unseren Lebensstil
nicht ändern sollten. Da wir sonst genau das machen würden, was dieser
Terror verursachen will.“
## Integration der Flüchtlinge
Reker dankt den Menschen, die sich bei der Attacke schützend vor sie
geworfen hatten und dabei teils schwer verletzt wurden. Sie bedankt sich
auch für die vielen Genesungswünsche. Und dann schlägt sie
lokalpatriotische Töne an: „Köln steht zusammen und hält zusammen. Das
macht mich stolz.“
Als vorrangige Aufgabe ihrer künftigen Arbeit sieht Reker die Integration
der Flüchtlinge. Dafür war sie bereits als Sozialdezernentin engagiert
eingetreten. Außerdem will sie die Stadtverwaltung reformieren. Reker
stellt sich darauf ein, mit wechselnden Mehrheiten zu regieren. Als
Parteilose wurde sie im Wahlkampf von einer ungewöhnlichen Koalition aus
CDU, FDP und Grünen unterstützt. Am 15. Dezember soll sie in ihr Amt
eingeführt werden. Spannend bleibt, welche Koalitionen sich bis dahin im
Rat bilden.
20 Nov 2015
## AUTOREN
Claudia Hennen
## TAGS
Köln
Henriette Reker
Attentat
Henriette Reker
Rechtsradikalismus
Köln
Henriette Reker
Schwerpunkt Rassismus
Köln
Rechter Terror
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