Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Auftakt im Prozess um Reker-Attentat: Angeklagter will wertkonserva…
> Der Mann, der Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker niedergestochen
> hat, steht jetzt vor Gericht. Ein Nazi will er nie gewesen sein.
Bild: Der Angeklagte betritt am Freitag den Gerichtssaal in Düsseldorf
Düsseldorf taz | Das Statement des Verteidigers zu Beginn der Verhandlung
hatte es in sich. Seinem Mandanten werde ein politisches Motiv unterstellt,
er habe aber nicht vorgehabt, die Kölner Oberbürgermeisterin zu töten,
sagte der Anwalt Christof Miseré. Und weiter: Da es sich beim Opfer um eine
ranghohe Politikerin handele, würden andere Kriterien angelegt. Zum
Zeitpunkt der Tat seien viele Bürger durch die Flüchtlingskrise „mehr als
irritiert“ gewesen, eine „freie gesellschaftliche Diskussion“ sei erst
wieder nach der Silvesternacht möglich gewesen.
Der 44-jährige Frank S. muss sich seit Freitag vor dem Oberlandesgericht
Düsseldorf für seine Attacke auf die heutige Kölner Oberbürgermeisterin
Henriette Reker veranworten. Er hatte die parteilose Kandidatin bei einem
Wahlkampftermin im Oktober in den Hals gestochen und zudem fünf umstehende
Menschen verletzt.
Die Vorsitzende Richterin Barbara Havliza wies den Vorwurf des Verteidigers
scharf zurück: „Dies ist ein Prozess wie jeder andere“. Die
Bundesanwaltschaft geht von einem Tötungsvorsatz aus. Frank S. habe
heimtückisch und aus niedrigen Beweggründen gehandelt, er habe „ein Zeichen
setzen“ wollen gegen die aus seiner Sicht falsche Flüchtlingspolitik – und
Rekers Wahl zur Oberbürgermeisterin verhindern wollen. Ihm droht
lebenslange Haft.
Frank S. – blau-weiß-kariertes Hemd, Stirnglatze, Kinnbärtchen – nahm die
Verlesung der Anklage ruhig zur Kenntnis. Er bekräftigte, dass er sich zu
der Tat äußern werde, allerdings erst nach der Beweisaufnahme. Am ersten
Verhandlungstag ging es um seinen persönlichen Werdegang. Ausführlich
schilderte der arbeitslose Maler und Lackierer seine lieblose Kindheit und
Jugend. Mitte der 90er Jahre war tummelete er sich in der rechten Szene,
seine Clique nannte sich „Berseker“. Für ihn sei das eine Art „Bürgerwe…
und Freiheitsbewegung“ gewesen, sagte S., der 1996 im Bonner Stadtteil
Tannebusch gearbeitete hatte. Dort habe er sich wegen des hohen
Migrantenanteils wie „im Ghetto“ und selbst als „Ausländer“ gefühlt.
## Schwammig bei Fragen zur politischen Gesinnung
Über drei Jahre saß er im Gefängis – hauptsächlich wegen
Körperverletzungs-Delikten. Zu den Straftaten wollte er sich nicht näher
äußern, nur dass er sich vor allem mit Antifa-Anhängern geprügelt hätte.
Schwammig blieben die Aussagen des 44-Jährigen zu seiner politischen
Gesinnung. Auf die bohrenden Fragen der Vorsitzenden Richterin reagierte er
widerwillig, sein politisches Konzept ließe sich nicht in wenigen Sätzen
darstellen. An anderer Stelle sagte er: „Ich war nie ein Nazi, ich
bezeichne mich als wertkonservativen Rebell“. Er lese alle möglichen
Zeitungen – „auch die taz“. Mit Leuten von der 1995 verbotenen
rechtsextremen Neonazi-Partei FAP sei er zwar in Kontakt gekommen, doch er
will ihnen nicht nahe gestanden haben, diese seien ihm „zu
rückwartsgewandt“ gewesen.
Mögliche Verbindungen von Frank S. zum Verfassungsschutz kamen nicht zur
Sprache. Auf Anfrage im Landtag hatte NRW-Innenminister Ralf Jäger Ende
vergangenen Jahres eine mögliche Tätigkeit des Angeklagten als V-Mann
„weder bestätigt noch verneint“. Dem Verfassungsschutz liegen allerdings
Erkenntnisse aus den 1990er Jahren sowie aus 2002 und 2008 zu Frank S. vor
– im Zusammenhang mit Veranstaltungen der rechtsextremen Szene.
S. persönliche Gesinnung wird erneut Thema am nächsten Freitag sein. In
zwei Wochen werden die Opfer die Tatgeschehnisse schildern, dann auch die
Oberbürgermeisterin Henriette Reker. Die Verhandlung ist zunächst auf 12
Verhandlungstage angesetzt, bis Ende Juni sind mehr als 25 Zeugen geladen.
15 Apr 2016
## AUTOREN
Claudia Hennen
## TAGS
Rechtsradikalismus
Henriette Reker
Henriette Reker
Henriette Reker
Köln
Schwerpunkt Rassismus
Schwerpunkt Flucht
Köln
## ARTIKEL ZUM THEMA
Prozess um Attentat auf Henriette Reker: Täter ist voll schuldfähig
Der Mann, der Kölns Oberbürgermeisterin Reker ein Messer in den Hals
rammte, habe seine Tat als „Fanal“ geplant. Experten bescheinigen ihm die
Schuldfähigkeit.
Prozess um Reker-Attentat: „Wie eine Hinrichtung“
Vor Gericht schildert die Kölner Oberbürgermeisterin den Angriff bis ins
Detail. Noch immer spüre sie deutlich die Folgen.
Nach Angriff auf Henriette Reker: Die Unerschrockene
Einen Monat nach dem Messerattentat tritt die Kölner Oberbürgermeisterin
ihr Amt an. Sie gibt sich entschlossen und angstfrei.
Haftbefehl gegen Reker-Angreifer: Motiv Fremdenhass
Nach dem Attentat auf Henriette Reker geht die Bundesanwaltschaft von einem
rassistischen Motiv aus. Der Angreifer wollte Angst verbreiten.
Hass in Deutschland: Wir haben ja nur den Stock besorgt
Sie fühlen sich als Opfer, die niemand repräsentiert. Das Gegenteil ist der
Fall: Die gesellschaftliche Mitte hat Gewalt und Hass entdeckt.
Neue Kölner Oberbürgermeisterin: Unterschrift am Krankenbett
Die parteilose Henriette Reker nimmt ihre Wahl an. In der vergangenen Woche
war sie Opfer eines mutmaßlich politisch motivierten Anschlags geworden.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.