# taz.de -- Reker-Koalition in Köln: Schwarz-Grün gegen den SPD-Filz | |
> CDU und Grüne schmieden in Köln eine Minderheitenkoalition – pünktlich | |
> zur Amtseinführung der Oberbürgermeisterin Henriette Reker. | |
Bild: Parteilos, aber mit schwarz-grüner Unterstützung: Henriette Reker. | |
KÖLN taz | Nach wochenlangen Spekulationen über eine Große Koalition in | |
Köln ging es vergangene Woche plötzlich recht schnell. Grüne und CDU nahmen | |
Sondierungsgespräche auf und einigten sich mit bemerkenswertem Timing: | |
Donnerstagabend stimmten die CDU-Mitglieder mit überwältigender Mehrheit | |
für das schwarz-grüne Wunschbündnis, etwa zeitgleich votierte der | |
Delegiertenrat der Kölner Grünen dafür. | |
Damit steht fest: Das ungewöhnliche Bündnis für die parteilose | |
Oberbürgermeisterin Henriette Reker war nicht nur Wahlkampfstrategie gegen | |
den SPD-Filz in der Domstadt. Es dürfte längeren Bestand haben und für | |
frischen Wind in Deutschlands viertgrößter Stadt sorgen. Und es kommt | |
pünktlich zum Amtsantritt von Reker am heutigen Dienstag. | |
„Die Sozialdemokraten sind zu sehr in alten Strukturen verhaftet“, | |
kommentierte CDU-Chef Bernd Petelkau die Absage seiner Partei an eine Große | |
Koalition. Es gebe viele Schnittmengen mit Reker, etwa die geplante | |
Aufwertung der Bezirksvertretungen, die Stärkung bürgerschaftlichen | |
Engagements und die Reform der Verwaltung. Aber auch in der | |
Flüchtlingspolitik hat die ehemalige Sozialdezernentin der Stadt bei den | |
Konservativen gepunktet. | |
Die CDU ließ durchblicken, dass sie den Grünen Zugeständnisse bei großen | |
Infrastrukturprojekten machen wird. So will sie vom Ausbau des Godorfer | |
Hafens im südlichen Rheinbogen und den Bau einer mehrspurigen Straße im | |
Kölner Norden abrücken. Beide Projekte waren jahrzehntelang höchst | |
umstritten zwischen den Parteien. Umgekehrt haben die Konservativen den | |
Grünen wohl das Zugeständnis abgerungen, die Wirtschaftsförderung neu | |
aufzustellen – mit dem Ziel, die Steuereinnahmen für die hochverschuldete | |
Stadt zu erhöhen. | |
## Euphorische Reaktionen | |
Für die Kölner Grünen-Chefin Marlis Bredehorst ist nicht nur das Hauptziel | |
erreicht, nämlich eine Große Koalition zu verhindern. Ihre Partei reagierte | |
geradezu euphorisch: Bredehorst ist „bass erstaunt“, wie schnell sich beide | |
Parteien geeinigt haben. „Auch unser Aktionsplan gegen Homophobie fand | |
Anklang.“ | |
Bredehorst war vor über zehn Jahren Kölns erste grüne Sozialdezernentin. | |
Damals regierte erstmals für gut eineinhalb Jahre eine schwarz-grüne | |
Mehrheit in der Domstadt. Sie brach nach der Kommunalwahl 2004 auseinander, | |
als die CDU wegen interner Querelen herbe Verluste erlitt. Diesmal soll das | |
Bündnis länger halten, tönt es jetzt von beiden Seiten. | |
Der SPD-Fraktionsvorsitzende Manfred Börschel zweifelt, dass Schwarz-Grün | |
den Herausforderungen der Stadt gewachsen ist: „Die werden sich | |
durchwurschteln.“ Die Entscheidung habe seine Partei nicht überrascht. | |
Damit sei das „intransparente Versteckspiel“ beendet, das bereits mit der | |
Nominierung der Oberbürgermeisterkandidatin begonnen habe. | |
Die Grünen hatten die parteilose Reker anstelle des SPD-Kandidaten Jochen | |
Ott bei der OB-Wahl unterstützt. Bis vor einem halben Jahr arbeiteten die | |
Grünen im Kölner Stadtrat noch mit den Sozialdemokraten zusammen, befanden | |
sich allerdings noch immer in Koalitionsverhandlungen. Im Mai verlor | |
Rot-Grün dann die hauchdünne Mehrheit im Rat, nachdem die SPD bei der | |
Neuauszählung eines Briefwahlbezirks einen Ratssitz eingebüßt hatte. Es kam | |
zum Zerwürfnis. | |
## Der Koalitionsvertrag lässt auf sich warten | |
Allzu schwer dürfte es für das Reker-Bündnis nicht werden, Mehrheiten zu | |
finden. Mit Rekers Stimme kommt Schwarz-Grün auf 44 von 91 Stimmen im | |
Kölner Stadtrat. Fehlen also zwei Stimmen für eine Mehrheit. Die Liberalen | |
könnten der Oberbürgermeisterin den Rücken stärken – sie sitzen zu fünft… | |
Rat. Und auch die freie Wählergruppe „Deine Freunde“ verfügt über zwei | |
Ratssitze. FDP und „Freunde“ hatten die 59-Jährige im Wahlkampf | |
unterstützt. | |
Einen Koalitionsvertrag wird es wohl erst nach Karneval geben. Am | |
Dienstagnachmittag wird zunächst die Oberbürgermeisterin im Kölner Stadtrat | |
vereidigt. Anschließend will sie ihre politische Agenda vorstellen. Neu in | |
der Zeremonie: Reker schlägt die Kölner „Friedensglocke“ an, eine Glocke, | |
für die Erde aus über 50 Ländern zusammengetragen wurde. Sie soll in Zeiten | |
von Unruhe, Gewalt und Krieg ein Zeichen des Friedens stiften. | |
Seit Reker am Vortag der Wahl von einem Rechtsextremen niedergestochen | |
wurde, steht sie unter Polizeischutz, der Generalbundesanwalt ermittelt | |
gegen den Attentäter. | |
14 Dec 2015 | |
## AUTOREN | |
Claudia Hennen | |
## TAGS | |
Henriette Reker | |
Köln | |
Köln | |
Schwerpunkt Rassismus | |
Schwerpunkt Flucht | |
Köln | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Nach Angriff auf Henriette Reker: Die Unerschrockene | |
Einen Monat nach dem Messerattentat tritt die Kölner Oberbürgermeisterin | |
ihr Amt an. Sie gibt sich entschlossen und angstfrei. | |
Haftbefehl gegen Reker-Angreifer: Motiv Fremdenhass | |
Nach dem Attentat auf Henriette Reker geht die Bundesanwaltschaft von einem | |
rassistischen Motiv aus. Der Angreifer wollte Angst verbreiten. | |
Hass in Deutschland: Wir haben ja nur den Stock besorgt | |
Sie fühlen sich als Opfer, die niemand repräsentiert. Das Gegenteil ist der | |
Fall: Die gesellschaftliche Mitte hat Gewalt und Hass entdeckt. | |
Neue Kölner Oberbürgermeisterin: Unterschrift am Krankenbett | |
Die parteilose Henriette Reker nimmt ihre Wahl an. In der vergangenen Woche | |
war sie Opfer eines mutmaßlich politisch motivierten Anschlags geworden. |