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# taz.de -- Landverkäufe in der Ukraine: Tausende Hektar für den Westen
> Die Regierung plant in einem Pilotprojekt, Agrarland zu veräußern. Die
> Bevölkerung hat Angst, dass Investoren heimische Kleinbauern verdrängen.
Bild: Bisher bewirtschaften ausländische Firmen weniger als fünf bis acht Pro…
BERLIN taz | Die ukrainische Regierung will den Widerstand der
Bevölkerungsmehrheit gegen den freien Handel mit Agrarland nun auch mit
Pilotverkäufen überwinden. „Wir denken daran, zum Beispiel bis zu 10.000
Hektar auf dem Markt zum Verkauf anzubieten“, sagte Agrarminister Olexij
Pawlenko in Berlin der taz. Die Vergabe von bisher staatseigenem Land solle
binnen eines halben Jahres starten. Bislang dürfen rund 70 Prozent des
Bodens in der Ukraine nur verpachtet werden.
Der von dem bewaffneten Konflikt zwischen prorussischen Separatisten und
der prowestlichen Regierung zerrissene Staat besitzt laut Ministerium 41
Millionen Hektar Agrarland – fast zweieinhalbmal so viel wie Deutschland.
Die meisten Äcker sind mit den sehr fruchtbaren Schwarzerdeböden bedeckt.
Auch dank des günstigen Klimas ist die Ukraine der größte Exporteur von
Sonnenblumenöl und die globale Nummer drei bei Getreideausfuhren. Zusammen
mit der Lebensmittelindustrie stellt die Landwirtschaft 22 Prozent des
Bruttoinlandsprodukts – so viel wie keine andere Branche.
Gegner der Westorientierung werfen der EU und den USA vor, sie wollten
diese Kornkammer ausbeuten. Die kalifornische Denkfabrik The Oakland
Institute warnt, ausländische Investoren könnten dank ihrer größeren
Finanzkraft einheimische Kleinbauern verdrängen. Zudem verlöre die Ukraine
die Kontrolle über ihre Versorgung mit Lebensmitteln. Derzeit gehört das
meiste Land früheren Kolchosen-Mitarbeitern. Die Mehrheit der Höfe
bewirtschaftet im Schnitt rund 2 Hektar, was im internationalen Vergleich
sehr wenig ist.
„Nur 20 Prozent der Bevölkerung unterstützen Landverkäufe“, zitiert
Minister Pawlenko Umfragen. Der 38-Jährige, der seit Dezember 2014 im Amt
ist, hält die Ängste für unbegründet. Internationale Investitionen würden
kleine und mittlere Agrarunternehmen nicht unter Druck setzen, „weil wir
ausländische Märkte öffnen“. Damit gebe es genügend Nachfrage für alle.
Zudem würden ausländische Investoren Arbeitsplätze für die Landbevölkerung
schaffen.
## Der Markt sei „noch nicht reif“
„Wir sehen riesige Vorteile. Wenn Boden eine Handelsware ist, kann man
riesige Finanzressourcen anziehen“, sagt Pawlenko. Er rechnet mit bis zu
100 Milliarden US-Dollar. Diese Argumente habe die Regierung im Parlament
und an Runden Tischen vorgebracht. Womöglich beruhigen auch die
Pilotverkäufe besorgte Kleinbauern.
Bisher bewirtschaften ausländische Firmen dem Minister zufolge weniger als
5 bis 8 Prozent der Ackerfläche. Sie dürfen zwar Land pachten. Aber vielen
potenziellen Investoren ist das Risiko zu groß, dass sie den Boden nach
Ablauf des Vertrages wieder verlieren. Pawlenko rechnet jedoch damit, dass
das Parlament in Kiew das bislang bis Ende Dezember befristete Moratorium
für Landverkäufe verlängert. Der Markt sei „noch nicht reif“. Bislang se…
nur 20 Prozent der nötigen Daten im elektronischen Bodenkataster
registriert. Das müsse sich ändern, damit nicht wie etwa in Rumänien
Flächen mehrmals verkauft werden.
Auch die Korruption verhindert Investitionen. Die Ukraine war laut
EU-Kommission seit 2013 in mindestens drei große Skandale der Biobranche
verwickelt. Immer wurden konventionelle Agrarprodukte als teurere Ökoware
in verschiedene EU-Staaten verkauft. Dennoch sagt Pawlenko: „Ich glaube
nicht, dass wir so große Skandale hatten.“ Schließlich sei die Biobranche
in der Ukraine noch sehr klein.
## Bio soll in den Fokus rücken
Das mag im Verhältnis zur gesamten Agrarproduktion stimmen. Allerdings ging
es Brüssel zufolge allein im letzten Fall Ende 2014 um 15.000 Tonnen
Sonnenblumenprodukte, die EU-weit an Biotiere verfüttert wurden. [1][In
Deutschland wurden Ökohöfe gesperrt, die Bioeiererzeugung brach ein.]
Pawlenko verweist darauf, dass die Ukraine die Ökobranche nun regulieren
will. „Sobald das Gesetz entwickelt ist, werden unsere Fachbehörden auch
die Bioprodukte in den Fokus nehmen.“ Bisher prüften nur internationale
Kontrollstellen.
Nach dem Sonnenblumenfall hat die EU aber einer dieser Stellen wegen
massiver Kontrolldefizite sogar die Zulassung entzogen. Branchenkenner
glauben, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis der nächste größere
Betrugsskandal mit Waren aus der Ukraine auffliegt.
9 Nov 2015
## LINKS
[1] /Legehennen-Farmen-verlieren-Biosiegel/!5025831/
## AUTOREN
Jost Maurin
## TAGS
Kleinbauern
Brandenburg
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
Donezk
Landwirtschaft
Saatgut
Russland
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