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# taz.de -- Theorien zum DFB-Skandal: „Servas, ihr Deppen“
> Wofür wurden die 6,7 Millionen Euro vom DFB verwendet? Es gibt vier
> Theorien – und jetzt auch eine fünfte. Eine Intensiv-Recherche.
Bild: „Und nun, wie verfahren?“
Es ist ein Treffen, das streng geheim ist, so geheim, dass sogar Theo
Zwanziger Stillschweigen darüber bewahrt – vorerst. Die taz erfährt über
einen Servicemitarbeiter von dieser brisanten Aussprache deutscher
Spitzenfunktionäre. Am Ende wird Klarheit darüber bestehen, wohin und an
wen die 6,7 Millionen Euro geflossen sind.
Zwanziger, der ehemalige Präsident des DFB, lässt sich mit einem Taxi am
gestrigen Vormittag zum Frankfurter Flughafen chauffieren. Im Airport Club
soll es bei gegrilltem Wolfsbarsch an Pinienkernspinat und Schnitzel vom
Holsteiner Wiesenkalb um nichts Geringeres gehen als um die Glaubwürdigkeit
des deutschen Fußballs. Denn die steht nach der Berichterstattung des
Magazins Der Spiegel und einer Razzia der Steuerbehörden auf dem Spiel.
Zwanziger trifft zuerst ein und bestellt schon mal Tatar vom Bio-Kalb. Er
ist bekannt als Stress-Esser. Außerdem hat er nicht gefrühstückt, weil er
sich noch durch den Rest Akten gegraben hat, die er im Keller vor den
Steuerfahndern verstecken konnte. Gerade als er den ersten Happen
verschlingt, tritt Wolfgang Niersbach mit Günter Netzer in die Club-Lounge.
Sie nicken nur kurz, verzichten auf einen Handschlag. Wenig später trifft
Franz Beckenbauer ein. Er schaut missmutig auf die Versammelten. „Servas,
ihr Deppen“, sagt er und zieht die Stirn in Falten. Zwanziger bestellt ein
Bier, die anderen nehmen Wasser. Minutenlang wird kein Wort gesprochen. Man
kramt in Unterlagen, glotzt aufs Smartphone.
„Und nun, wie verfahren?“, eröffnet Zwanziger die Runde. Er ist recht
fidel, weil er glaubt, sämtliche Fäden durch bewusste Fehlinformation der
Presse in der Hand zu halten. „Weiterhin gar nichts sagen“, findet
Beckenbauer, „oder eben nur das, was an Falschinfo auf dem Markt ist.“ –
„Schöne Nebelkerzen zünden“, ergänzt Netzer und schielt verschwörerisch
herüber zu Zwanziger, „Wolfgang und der Herr Dr. Zwanziger haben das
bislang ja ziemlich gut gemacht.“
Mittlerweile sind mindestens vier Theorien zur Verwendung des Geldes, also
der 6,7 Millionen Euro, in den Medien im Umlauf. Die Leser, da ist sich die
Runde einig, wissen jetzt eigentlich nur noch, dass da irgendetwas nicht
stimmt mit dem Schwarzgeld aus dem Portemonnaie von Ex-Adidas-Konzernchef
Dreyfus. Aber wer wen wann schmierte, das verbirgt sich mittlerweile hinter
einem Dickicht widersprüchlicher Aussagen.
## Kistenweise Chateau Margaux
„Alles ein großes Tohuwabohu mit Fifa-Finanzausschuss, Kulturprogramm,
Schuldschein und so“, grinst Niersbach, der mit einer vergeigten
Pressekonferenz bewusst Zweifel an seiner Kompetenz säte. „Fassen wir also
zusammen: Das Krisenmanagement, die Strategie der Verwirrung und die
Implementierung von Nebenkriegsschauplätzen funktioniert recht gut“, meint
Netzer. „Den Konflikt auf die Ebene von persönlichen Auseinandersetzungen
zu ziehen, hat auch gut geklappt, bislang jedenfalls. Der Draxler hat da
fantastische Arbeit geleistet. Zwanziger gegen Niersbach, Niersbach gegen
Beckenbauer, Zwanziger gegen Beckenbauer. Großartig.“
Man einigt sich nach dem Hauptgang darauf, nun auch noch eine fünfte
Theorie in Umlauf zu bringen: die nackte Wahrheit. „Aber die ist so absurd,
die glaubt uns eh keiner“, mutmaßt Beckenbauer. „Ach was, das klappt
schon“, nölt Netzer. „Fassen wir also zusammen: Es geht um die Lustreisen
von Wolfgang in 31 WM-Länder. Ich will dir nicht zu nahe treten, aber was
ihr da veranstaltet habt, war, das muss ich auch mit ein bisschen Abstand
sagen, deplatziert.“ – „Wieso?“, fragt Niersbach belustigt. „Wir habe…
nur ein bisschen gezecht, rumgebumst und ein paar WM-Partien abgesprochen.
Das übliche Fifa-Programm.“
Kistenweise habe sich Niersbach Chateau Margaux und andere Edeltröpfchen
hinter die Binde gegossen, rechnet Netzer merkwürdig kleinlich vor, Hummer
im Dutzend verspeist und die Dienste von „Animierdamen“, wie Beckenbauer
süffisant lächelnd einwirft, in Anspruch genommen. „Das hat gekostet. Ein
Vermögen.“
Man erfährt: Nach den Lustreisen der DFB-Oberen ist beim DFB in Frankfurt
ein riesiges Defizit aufgelaufen. Niemand wollte das zahlen, auch die Fifa
nicht. Das Defizit belief sich auf 6,7 Millionen Euro. Dreyfus zahlt. Als
er aber erfährt, dass das Geld nicht vordergründig zur Bestechung verwendet
wird, sondern quasi zweckentfremdet worden ist, verlangt er es zurück.
„Schöne Geschichte“, sagt Theo Zwanziger. „Ich werde sie demnächst der
Presse präsentieren.“
5 Nov 2015
## AUTOREN
Markus Völker
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