| # taz.de -- Fotoband von Sebastião Salgado: Wessen Träume und Düfte? | |
| > Sebastião Salgados Recherche „Duft der Träume“ ist letztlich hervorrage… | |
| > getarnte PR im Gewand eines hochwertigen Bildbandes. | |
| Bild: In Sebastião Salgados Buch „Duft der Träume“ sieht man ausschließl… | |
| Im neuesten Fotobuch des brasilianischen Starfotografen Sebastião Salgado | |
| mit dem Titel „Duft der Träume“ geht es um den weltweiten Kaffeeanbau. Der | |
| Band versammelt Bilder von Reisen in die Kaffeeanbauregionen Afrikas, | |
| Asiens und Lateinamerikas aus den vergangenen 13 Jahren. | |
| Ähnlich wie sein Projekt „Genesis“ ist „Duft der Träume“ Teil einer n… | |
| Ausrichtung des Brasilianers, sich nach der Beschäftigung mit harten | |
| politischen Themen wie Migration, Flucht und sklavenähnlicher Arbeit eher | |
| den schönen und positiven Seiten der Welt zuzuwenden. Darüber hinaus | |
| schließt sich mit dem Projekt eine biografische Klammer, da Salgado in den | |
| 1970er Jahren für die internationale Kaffeeorganisation ICO tätig war. | |
| Präsentiert wird die altbekannte, visuell hervorragende | |
| Schwarz-Weiß-Fotografie Salgados. Das Buch besteht aus einer | |
| beeindruckenden, sehr hochwertig gedruckten und fast 300-seitigen textlosen | |
| Aneinanderreihung großformatiger Bilder, die sich meist im Querformat über | |
| die Doppelseiten ziehen. | |
| Salgado zeigt in diesen Bildern die verschiedenen Stadien der | |
| Kaffeeproduktion, von der Saat und der Ernte über das Trocknen bis hin zum | |
| Sortieren. Im Vordergrund stehen Porträts der Pflücker und Pflückerinnen | |
| sowie Landschaftsaufnahmen. Es ist eine leichte und unbeschwerte Stimmung, | |
| die Salgados Bilder über die Kaffeeproduktion vermittelt. | |
| In der Presseankündigung des Verlags heißt es, dass Salgado auf seinen | |
| Reisen vor allem Plantagen besuchte, auf denen fair und sozialverträglich | |
| produziert wird. Trotzdem wäre es erfreulich, wenn es auch Bilder über die | |
| Schattenseiten der Produktion gäbe. Nur wenig lernt der Betrachter über die | |
| Lebensumstände der Menschen in den Kaffeeanbauregionen und ihren Alltag | |
| abseits der Kaffeeproduktion. Darüber hinaus sind die Abgebildeten | |
| namenlos: In den Bildunterschriften am Ende des Buchs ist nur von | |
| „Kaffeepflückern“ die Rede, egal ob in China oder Guatemala. | |
| ## In Konkurrenz zur Selbstversorgung | |
| Warum sind kritische Fragen gerade beim Kaffee so wichtig? Das Produkt ist | |
| ein klassisches „Cash Crop“, das meist ausschließlich für den Export und | |
| den internationalen Markt produziert wird und damit in Konkurrenz zur | |
| Selbstversorgung steht. Aus diesem Grund ist das monokulturell angebaute | |
| Produkt nicht unumstritten. Exportiert wird in der Regel der Rohkaffee, | |
| dessen Wert sich erst durch die Veredelung steigert, die vor allem in den | |
| Importländern geschieht. | |
| Große Gewinne erzielen somit die Zwischenhändler und Röstereien. Darüber | |
| hinaus ist der Kaffeemarkt hochgradig konzentriert und in den Händen | |
| weniger Konzerne, was einen nicht unerheblichen Einfluss auf die | |
| Weltmarktpreise hat. Daran hat auch der Fairtradesektor bisher nur wenig | |
| ändern können. | |
| Interessant an „Duft der Träume“ ist vor allem der Diskurs, in den sich | |
| Salgados Buch einfügt. Aufschlussreich sind hier neben den Bildern die vier | |
| kurzen Texte von Sebastião Salgado, Andrea Illy, Luis Sepulveda und Angela | |
| Vettese, mit denen das Buch eingerahmt wird. Hier wird auf der einen Seite | |
| ein modernes Märchen über die große Leidenschaft zweier Männer zur Natur | |
| erzählt, namentlich des Fotografen Sebastião Salgado und des Kaffeehändlers | |
| Andrea Illy. | |
| ## Liebe der Bauern zu ihren Bäumen | |
| Auf der anderen Seite wird der Kaffeeanbau als ein Prozess beschrieben und | |
| visualisiert, der von sorgfältiger manueller Arbeit in kleinen Betrieben | |
| geprägt ist. Die Bauern werden zu Verbündeten erhoben, mit denen gemeinsam | |
| der Kaffeekultur gehuldigt wird. Es ist die Rede von der Liebe der Bauern | |
| zu ihren Bäumen und der Hoffnung, durch den gemeinsamen Handel zum | |
| Wohlstand der Produzenten und ihrer Dörfer beizutragen. | |
| Zu diesem Diskurs passt die Präsentation des Projekts im „Cluster Caffè“ | |
| auf der Expo in Mailand, einem vom Konzern des Projektinitiators Andrea | |
| Illy verantworten Pavillon. Seine Marke Illy ist Weltmarktführer im | |
| Warensegment Espresso. Produkte aller Art – und eben auch Lebensmittel – | |
| werden heute vor allem wegen ihres positiven Images und ihres | |
| Lifestyle-Effekts konsumiert. Kaffee ist da keine Ausnahme. | |
| Im Gegenteil: Der Konsum vor allem hochwertigen Kaffees wächst und immer | |
| ausgefeilter wird die Produktpalette. Auf dieses Phänomen und die | |
| dazugehörige Klientel passt der Buchtitel „Duft der Träume“ hervorragend: | |
| Es sind deren Träume und Projektionen auf das Produkt Kaffee, um die es | |
| geht. Salgados Bilder von glücklichen Menschen, die in Handarbeit den | |
| Kaffee lesen, stärken das positive Image dieses (Luxus-)Produkts und geben | |
| ihm ein Unbedenklichkeitssiegel. | |
| Aufgrund der Kooperation zwischen Sebastião Salgado und Andrea Illy ist die | |
| Ausrichtung des Buches nicht verwunderlich. „Duft der Träume“ ist letztlich | |
| hervorragend getarnte PR im Gewand eines hochwertigen Bildbands. Dabei ist | |
| zu betonen, dass PR und Produktwerbung an sich nichts Verwerfliches sind | |
| und sowohl für Händler wie für Fotografen eine materielle Notwendigkeit | |
| darstellen. Sie sollten jedoch als solches betitelt werden und nicht unter | |
| dem Kunstlabel laufen. | |
| 8 Nov 2015 | |
| ## AUTOREN | |
| Felix Koltermann | |
| ## TAGS | |
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