# taz.de -- Fotografische Aufklärung: Operationen im Verborgenen | |
> Die Ausstellung „Terror Incognitus“ des britischen Fotografen Edmund | |
> Clark im Mannheimer Zephyr – Raum für Fotografie. | |
Bild: Aus der Serie “Negative Publicity: Artefacts of Extraordinary Rendition… | |
Während US-Präsident Barack Obama im Februar diesen Jahres einen letzten | |
Anlauf gestartet hat, das Gefangenenlager Guantánamo auf Kuba zu schließen, | |
sind in den letzten Jahren immer mehr Details über das dahinterstehende | |
System illegaler staatlicher Aktivitäten ans Licht gekommen. Ungewöhnliche | |
Einblicke in das Thema bietet die Ausstellung „Terror Incognitus“ des | |
preisgekrönten britischen Künstlers und Fotografen Edmund Clark, die | |
zurzeit im Mannheimer Zephyr – Raum für Fotografie – zu sehen ist. | |
Zu Beginn der Ausstellung wird der Besucher im Einleitungstext darum | |
gebeten, das Handbuch zur Ausstellung zu nutzen, da sich die Logik der | |
Bilder ansonsten nicht erschließen würde. Dies ist ein erster Verweis auf | |
den großen Komplexitätsgrad der Ausstellung. | |
Die künstlerische Arbeit Edmund Clarks, bestehend vor allem aus | |
dokumentarischen Fotografien sowie Video-Arbeiten und einer Skulptur, | |
stützt sich ganz wesentlich auf die Recherchen des Mitglieds des Bureau of | |
Investigative Journalism, Crofton Black. Die von diesem zutage geförderten | |
Dokumente sind dabei nicht nur der rote Faden, sondern gleichzeitig die | |
Legitimation und die Erklärung für die einzelnen Fotografien Edmund Clarks. | |
Die Mannheimer Ausstellung besteht aus 7 Kapiteln, die verschiedene, seit | |
2010 entstandene Arbeiten Clarks zeigen. Premiere hat im Zephyr die jüngste | |
Arbeit Clarks mit dem Titel „Negative Publicity: Artefacts of Extraordinary | |
Rendition“, die auch den meisten Platz einnimmt. | |
## Krieg gegen den Terror | |
Darin setzt er sich mit dem weltweiten Netzwerk von illegalen Gefängnisse | |
der amerikanischen CIA sowie dem dazugehörigen System privater Charterflüge | |
für die extralegalen Überführungen (im Englischen „extraordinary | |
rendition“) der Gefangenen auseinander. Angeordnet und durchgeführt wurden | |
diese Praktiken von der US-amerikanischen Regierung nach dem 11. September | |
2001 als Teil des Kriegs gegen den Terror. | |
Die umfangreichen Operationen geschahen weitgehend im Verborgenen als | |
parapolitische Maßnahmen der US-Regierung, die nie das Licht der | |
Öffentlichkeit erblicken sollten. Dass sich heute überhaupt Informationen | |
dazu finden, ist auf die Einbeziehung privater Unternehmen zurückzuführen, | |
die mit einzelnen Maßnahmen wie den Gefangenenflügen betraut waren. | |
Akribisch wurden von den meist mittelständischen Unternehmen Flugstunden | |
und Ausgaben dokumentiert. Als einige der Unternehmen vor Gericht zogen, um | |
Umsatzeinbußen einzuklagen, wurden auch die Unterlagen öffentlich und | |
ermöglichten eine Rekonstruktion dieses geheimen Herrschaftsapparats. | |
Die in der Ausstellung gezeigten Dokumente reichen von Rechnungen des | |
amerikanischen Unternehmens Richmor Aviation, Empfehlungsschreiben des US | |
State Department, deklassifizierten Geheimdienstberichten der CIA bis hin | |
zu Untersuchungsberichten aus den USA und der EU. | |
## Verzicht auf Menschendarstellungen, | |
Clark kombiniert dieses Material mit dokumentarischen Fotografien der für | |
diese Operationen relevanten Orte. So zeigt er etwa das Hotelzimmer, in dem | |
der Deutsche Khaled El-Masri in Skopje festgehalten wurde, die Zentrale von | |
Richmor Aviation in den USA, ein geheimes Foltergefängnis in Litauen oder | |
die Zentrale des libyschen Geheimdiensts in Tripolis, mit dem die USA | |
kooperierte. | |
Der Verzicht auf Menschendarstellungen, der nüchterne Stil von Clarks | |
Fotografie sowie die sachliche Aura der unzähligen Dokumente geben dem | |
Ganzen den Anschein der Unwirklichkeit und lassen die Reichweite des Themas | |
nur erahnen. Nur versteckt in einzelnen Dokumenten finden sich Hinweise | |
darauf, wie direkt auch Einrichtungen in Deutschland ein elementarer Teil | |
dieses Schattenreichs waren. | |
So taucht in einer Liste mit Flügen der CIA, die vom EU | |
Sonderberichterstatter Claudio Fava im Jahr 2007 präsentiert wurde, immer | |
wieder Frankfurt/Main auf. Und auch der US-Militärflughafen Ramstein, nur | |
wenige Kilometer von Mannheim entfernt, war oder vielleicht ist ein | |
wichtiges Teil dieses Puzzles. | |
## Extralegale Haftanstalt | |
In der Ausstellung werden jedoch nicht nur Antiterrormaßnahmen der USA | |
thematisiert. Erschreckendes förderte auch Clarks Arbeit „Control Order | |
House“ zutage. Im Jahr 2011 durfte er drei Tage in einem Haus verbringen, | |
in dem ein britischer Bürger in einer Art extralegalen Haftanstalt | |
festgehalten wurde. | |
Zwischen 2005 und 2012 erlaubte die „Control Order“, des Terrors | |
Verdächtige an einen unbekannten Ort zu verbringen. Wie perfide | |
bürokratisch das Prozedere dahinter waren, zeigt der Abdruck der | |
Hausregeln, die es dem Gefangenen etwa untersagten, Bilder an die Wand zu | |
hängen. Clarks weitwinklige und mit Blitz aufgenommen Bilder des Ortes | |
zeigen knallhart die beklemmende Stimmung im Haus. | |
Auf eindrückliche Weise zeigt die Ausstellung „Terror Incognitus“ damit das | |
Potenzial künstlerisch-dokumentarischer Rechercheprojekte auf, mit | |
multimedialen Präsentationsformen auf drängende zeithistorische Fragen und | |
politische Problemstellungen als kritisches Korrektiv staatlicher | |
Machtapparate zu fungieren. Dies ist unter anderem einer Hinwendung zum | |
Archiv und dem „forensic turn“ in der zeitgenössischen Kunst zuzuschreiben. | |
21 Apr 2016 | |
## AUTOREN | |
Felix Koltermann | |
## TAGS | |
CIA | |
Fotografie | |
EGMR | |
Rauminstallation | |
Bildband | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Europäischer Menschenrechtsgerichtshof: Anhörung zu CIA-Gefängnissen | |
Zwei Guantanamo-Häftlinge sind vor das Straßburger Tribunal gezogen. Ihr | |
Vorwurf: Der US-Geheimdienst habe sie in Geheimknästen in Europa | |
festgehalten. | |
Ausstellung über Bildhauer Carl Andre: Ortsbestimmung, Selbstbestimmung | |
Im Berliner Museum „Hamburger Bahnhof“ kann man den US-Bildhauer Carl Andre | |
entdecken. Den Kuratoren ist eine großartige Hommage gelungen. | |
Fotoband von Sebastião Salgado: Wessen Träume und Düfte? | |
Sebastião Salgados Recherche „Duft der Träume“ ist letztlich hervorragend | |
getarnte PR im Gewand eines hochwertigen Bildbandes. |