# taz.de -- Drei Schritte in den Abgrund: Aufstieg und Fall der Nordbank | |
> Die Privatisierung der HSH Nordbank wird Bundesländer Milliarden Euro | |
> kosten – dabei wollte die Landesbank einst an die Börse. | |
Bild: Nicht lustig: Faule Kredite sind zum Kotzen | |
## Schritt eins: der Aufstieg | |
Hans Berger strotzt vor Optimismus. Auf der Bilanzpressekonferenz in | |
Hamburg im Frühjahr 2007 freut sich der neue Vorstandsvorsitzende der HSH | |
Nordbank auf den künftigen Aktienkurs. Bis zum Jahresende solle die | |
Landesbank „fit für die Börse werden“. Weit ab davon ist sie nicht. Der | |
Gewinn nach Steuern legte im Vorjahr zweistellig auf 460 Millionen Euro zu, | |
die Eigenkapitalrendite stieg auf hohe 15 Prozent. Deutsche-Bank-Niveau. | |
Die meisten anderen Landesbanken sind davon weit entfernt. | |
Der seit Januar die HSH Nordbank führende Berger sieht sein Haus nicht | |
allein in diesem Punkt gegenüber den anderen öffentlich-rechtlichen | |
Landesbanken in einer „Vorreiterrolle“. Seit dem Zusammenschluss der | |
Landesbanken Hamburgs und Schleswig-Holsteins im Jahre 2003 firmiert der | |
weltweit führende Schiffsfinanzier als Aktiengesellschaft. Knapp 27 Prozent | |
hält US-Finanzinvestor J.C. Flowers. | |
Dieser biete „die Chance, uns international zu helfen“, sagt Berger. Als | |
Global Player wäre die zwölftgrößte deutsche Bank aber noch eine Nummer zu | |
klein. Berger will daher das weltweite Kapitalmarktgeschäft ausbauen. Die | |
Länder Schleswig-Holstein und Hamburg wollen sich nach dem Börsengang als | |
Mehrheitseigentümerinnen zurückziehen – also Kasse machen mit ihren Aktien. | |
Wenige Monate nach der Bilanzpressekonferenz, im August, gesteht Berger | |
Ramschkredite über 1,8 Milliarden Euro ein. Er fürchtet aber höchstens | |
einen Verlust von 50 Millionen – Kleingeld für eine der größten Banken in | |
Deutschland. Das sei „gut verkraftbar“, glaubt nicht allein Berger. | |
Ramschkredit sei eben nicht gleich Ramschkredit. Kredite für 1,5 Milliarden | |
Euro seien nach „strengen, eigenen Kriterien“ eingekauft worden. | |
Ein Irrglaube. Es war vor allem solche Selbstüberschätzung, welche die HSH | |
an den Rand des Ruins trug. Alle rot und schwarz geführten | |
Landesregierungen in Hamburg und Kiel trugen den Kurs mit. Beschäftigte und | |
die Ver.di-Sekretäre im Aufsichtsrat stimmten zu. | |
## Schritt zwei: der Fall | |
Im Laufe des Jahres 2007 implodieren die Märkte und – ausgehend vom | |
Häusermarkt in den USA – nimmt die globale Finanzkrise nimmt ihren Lauf. | |
Andere Landesbanken wie West/LB und Sachsen LB gehen im Strudel unter. | |
Solider wirtschaftende wie die Nord/LB kommen mit einem blauen Auge davon. | |
Doch die HSH schlägt sich bis heute mit riskanten Immobiliendeals in den | |
USA herum, mit dubiosen Umwegfinanzierungen, riskanten Beteiligungen und | |
aberhunderten Schiffsfinanzierungen. | |
Doppeltes Pech, dass die Finanzkrise in eine Wirtschaftskrise und diese in | |
eine Schifffahrtskrise mündet. Die einst weltgrößte Schiffsbank sitzt | |
plötzlich auf unsicheren Schiffskrediten von schätzungsweise 30 Milliarden | |
Euro. Statt die Bank pleite gehen zu lassen, entschließen sich die Länder | |
zur Rettung. | |
Am 24. Februar 2009 schnüren die CDU-Regierungen Ole von Beust – | |
Koalitionspartner sind die Grünen – und Peter Harry Carstensen in einer | |
gemeinsamen Kabinettssitzung ein Rettungspaket, das eine Kapitalzufuhr von | |
drei Milliarden Euro und eine Bürgschaft von zehn Milliarden beinhaltet. | |
Deutschland meldet dieses erste Beihilfeverfahren ordnungsgemäß bei der | |
EU-Kommission an. | |
Den Fall hatten aber nicht allein Nieten-in-Nadelstreifen und Politiker, | |
die auf Dividenden für ihre Haushalte schielten, begünstigt, sondern auch | |
die Deutsche Bank. Mitte der 90er-Jahre hatten sie und der Bundesverband | |
deutscher Banken vor der EU-Wettbewerbskommission über Privilegien der | |
Landesbanken geklagt. Die öffentlich-rechtlichen Institute hatten Vermögen | |
der Länder als Eigenkapitalersatz genutzt und unzureichend verzinst. | |
Nach Auffassung der EU-Kommission war das ein Wettbewerbsvorteil gegenüber | |
den Privaten. Nach langem Hickhack einigten sich Brüssel und Berlin auf | |
einen Kompromiss: Die Landesbanken zahlten diese Beihilfen zurück und Mitte | |
2005 fielen die staatlichen Garantien für sie weg. Doch vor dem Stichtag | |
nahmen Landesbanken wie die HSH, die die lokale Wirtschaft fördern und die | |
Wirtschaftspolitik der Länder unterstützen sollten, noch zweistellige | |
Milliardenbeträge zu günstigen Konditionen auf – um das große Rad auf den | |
internationalen Finanzmärkten zu drehen. | |
## Schritt drei: das Ende | |
Seit 2013 wird um die Zukunft der HSH Nordbank in einem zweiten | |
Beihilfeverfahren gerungen. Nun hat die EU-Kommission am Montag grünes | |
Licht für einen neuen, milliardenschweren Rettungsplan gegeben. | |
Bürgermeister Olaf Scholz und Ministerpräsident Torsten Albig (beide SPD) | |
waren zur Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager nach Brüssel gereist. | |
Sie lobte die „informelle Verständigung“. Im Frühjahr wird die | |
EU-Kommission endgültig entscheiden. Danach beginnt der 24-monatige | |
Countdown für die Privatisierung. Von deren Erlös wird entscheidend | |
abhängen, wie viele Milliarden Euro die HSH Nordbank am Ende die | |
Staatshaushalte kosten wird. | |
21 Oct 2015 | |
## AUTOREN | |
Hermannus Pfeiffer | |
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