# taz.de -- Ringen um „Asylkompromiss“: Flüchtlingsstreit zerreißt die Gr… | |
> Vor der Abstimmung zur neuen Asylgesetzgebung im Bundesrat am Freitag | |
> streiten die Grünen-Verbände im Norden um Ablehnung oder Zustimmung. | |
Bild: Auf dem Weg ins innerparteiliche Abseits?: Bremens Zweite Bürgermeisteri… | |
BREMEN/HAMBURG taz | Bremens Grüne lehnen das geplante | |
„Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz“ als massiven Eingriff ins Recht auf | |
Asyl ab. Dafür hat die Mitgliederversammlung (MV) der Partei am | |
Dienstagabend gestimmt. Zugleich kündigte die Zweite Bürgermeisterin und | |
Finanzsenatorin Karoline Linnert an, der Mehrheitsbeschluss habe keine | |
bindende Wirkung für ihr Stimmverhalten im Bundesrat: „Das System der | |
Bundesrepublik sieht nicht vor, dass Parteien im Bundesrat entscheiden.“ | |
Damit bleibt unklar, wie Bremen am Freitag bei der Abstimmung über den | |
sogenannten Asylkompromiss votiert: Ob es sich enthält, weil Rot und Grün | |
verschiedene Positionen haben, oder ob auch Linnert und damit das Land dem | |
Gesetz zustimmt. | |
Der Senat hatte ihr und Bürgermeister Carsten Sieling (SPD) zuvor für die | |
Abstimmung zwar freie Hand gelassen, sodass eine Enthaltung Bremens die | |
Koalition nicht in Bedrängnis bringt: Die Landes-SPD aber begrüßt den | |
Gesetzentwurf. „Man hat nur dann eine Verhandlungsmacht, wenn man einen | |
Kompromiss mittragen kann“, findet Linnert. „Wir haben da eine wichtige | |
Rolle gespielt.“ | |
Linnert hatte in der Bund-Länder-Kommission am „Asylkompromiss“ mitgewirkt. | |
„Unsere Delegation hat gut verhandelt“, stellte sie auf der MV klar. „Und | |
ich möchte nicht, dass wir uns die Position erarbeiten, nie dabei zu sein.“ | |
Dass sie sich mit einem Festhalten am Asylpaket ins Abseits stellen könnte, | |
wurde ihr im Laufe des Abends deutlich gemacht. Der Parteivorstand, die | |
Mehrheit der Parteibasis und auch sämtliche Fraktionsmitglieder traten als | |
Gegner der Vereinbarung auf. | |
So lobte Landesvorstandssprecher Ralph Saxe zwar die Rolle der Senatorin in | |
der Verhandlungskommission und erkannte an, dass der Bund sich bereit | |
erklärt habe, die überforderten Länder und Kommunen finanziell zu | |
entlasten. Doch unterm Strich sei „ein Asylrechtsverschärfungsgesetz“ | |
herausgekommen, das die Grünen nicht mittragen könnten. | |
Als inakzeptabel brandmarkten die Gegner des Gesetzes vor allem die | |
vorgesehene Erweiterung der Liste vermeintlich sicherer Herkunftsstaaten um | |
Albanien, Kosovo und Montenegro. Die Befürworter verteidigten diese | |
Einschränkung des Asylgrundrechts hingegen als hinnehmbar, weil sie ja | |
faktisch nicht viel ändere. | |
Bei den Grünen überwog letztlich die Einschätzung, es mit einem Angriff auf | |
das Grundrecht zu tun zu haben: Unerträglich sei, so Saxe, auf wen die | |
Neuregelung abziele: „Das ist ein Gesetz gegen die Angehörigen von Sinti | |
und Roma.“ Denen gegenüber aber habe Deutschland eine historische | |
Verantwortung. | |
Während unklar bleibt, ob Linnert sich innerparteilich ausmanövriert, hat | |
die Hamburger Vizebürgermeisterin Katharina Fegebank einen leichteren | |
Stand: Der Landesausschuss der Hamburger Grünen gab ihr „freie Hand“ für | |
die Verhandlungen und Abstimmungen im Bund. Die Zeichen stehen also auf | |
Zustimmung, da Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) massiv für das Asylpaket | |
eintritt. „Die Koalition wird einheitlich abstimmen und es wird wohl keine | |
Enthaltung sein“, weist Regierungssprecher Jörg Schmoll den Weg. | |
Unsicher ist hingegen das Abstimmungsverhalten der rot-grünen Koalitionäre | |
in Niedersachsen. „Das wird erst am Donnerstag entschieden, heute ist noch | |
nichts klar“, sagte die grüne Landesvorsitzende Meta Janssen-Kucz der taz | |
am Mittwoch. Es gebe ständig neue Signale aus Berlin, Textänderungen hier, | |
Überarbeitungen dort. Vermutlich aber wird sich Niedersachsen bei der | |
Abstimmung enthalten. | |
Auch in Schleswig-Holstein gtab es am Mittwoch noch keinen Klartext. Die | |
grüne Landeschefin Ruth Kastner betonte gegenüber der taz, nach dem | |
jetzigem Stand der Verhandlungen gehe die Tendenz in Richtung Zustimmung. | |
„Aber wir befinden uns noch in einer sehr dynamischen Situation und müssen | |
abwarten, welche Änderungen in den Ausschuss-Verhandlungen noch | |
eingearbeitet werden“, sagte Kastner. „Die Ergebnisse kennen wir | |
voraussichtlich erst am Donnerstagabend.“ Dabei sei es den Grünen vor allem | |
wichtig, „dass erstmals Arbeitsmigration für Menschen vom Westbalkan | |
möglich sein wird“. | |
14 Oct 2015 | |
## AUTOREN | |
Benno Schirrmeister | |
Marco Carini | |
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