# taz.de -- Kritik an russischen Angriffen in Syrien: Wer bombt, gewinnt | |
> Moskau erklärt, nun auch den IS angegriffen zu haben – und die USA seien | |
> bisher zu zögerlich vorgegangen. Die Türkei kritisiert die Luftschläge | |
> gegen die Opposition. | |
Bild: Ein intensiveres Bombardement werde auch zum Erfolg führen, sagt der Dum… | |
PARIS/NEW YORK/ISTANBUL dpa/afp | Deutschland, die USA und weitere | |
Verbündete haben die russischen Luftschläge in Syrien kritisiert. Die | |
Staaten drückten ihre „tiefe Sorge“ über Angriffe in Hama, Homs und Idlib | |
aus: Diese hätten zu zivilen Opfern geführt und nicht die Terrormiliz | |
Islamischer Staat (IS) als Ziel gehabt, heißt es in der am Freitag | |
verbreiteten Erklärung. „Diese Militäraktionen stellen eine weitere | |
Eskalation dar und werden nur noch mehr Extremismus und Radikalisierung | |
schüren.“ | |
Auch Frankreich, Großbritannien, Katar, Saudi-Arabien und die Türkei stehen | |
nach Angaben des Auswärtigen Amtes hinter der Stellungnahme. „Wir rufen die | |
Russische Föderation auf, ihre Attacken auf die syrische Opposition und | |
Zivilisten sofort einzustellen und ihre Anstrengungen auf den Kampf gegen | |
den IS zu konzentrieren.“ Die Außenminister der an der Erklärung | |
beteiligten Länder hatten sich am Donnerstag am Rande der | |
UN-Vollversammlung in New York getroffen. | |
Der türkische Ministerpräsident Ahmet Davutoǧlu warf Russland vor, die | |
russischen Luftangriffe hätten sich gegen Stellungen der vom Westen | |
unterstützten Freien Syrischen Armee (FSA) gerichtet. Damit stärke Russland | |
der syrischen Regierung den Rücken. Zudem spiele die russische Taktik dem | |
IS in die Hände. Die Entwicklung sei „besorgniserregend“. | |
Laut Davutoǧlu ist die Gefahr, dass sich türkische und russische | |
Kampfflugzeuge über Syrien in die Quere kommen könnten, aber sehr gering. | |
„Unsere Kommunikationskanäle sind offen“, sagte er. | |
## Kaum überprüfbare Informationen | |
Das Moskauer Verteidigungsministerium hingegen erklärte am Freitag, die | |
russische Luftwaffe habe erstmals die syrische Provinz Rakka, Hochburg des | |
IS, angegriffen. Bomber vom Typ Suchoi-34 hätten am Donnerstag unter | |
anderem einen „getarnten Befehlsposten“ in Kasrat Faradsch südwestlich von | |
Rakka bombardiert, teilte das Ministerium am Freitag mit. Weitere Ziele | |
seien in den Provinzen Aleppo und Idlib angegriffen worden. | |
Bei den russischen Luftangriffen sind nach Angaben von Aktivisten | |
mindestens zwölf Kämpfer der Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) | |
getötet worden. Ziel der Bombardements am Donnerstagabend seien der | |
westliche Rand der Stadt Rakka sowie die Region gewesen, in der sich der | |
Militärflughafen von Tabka befindet, erklärte die Syrische | |
Beobachtungsstelle für Menschenrechte am Freitag. Sie stützt sich auf ein | |
Netzwerk von Informanten in Syrien, ihre Angaben sind wegen der | |
unübersichtlichen Lage in dem Bürgerkriegsland von unabhängiger Seite kaum | |
überprüfbar. | |
Russland fliegt seit Mittwoch Luftangriffe gegen Ziele in Syrien. Nach | |
Angaben der Beobachtungsstelle wurden dabei bislang 28 Menschen getötet. | |
Die Aktivisten gaben am Donnerstag an, es seien mindestens sieben | |
Zivilisten getötet worden, darunter zwei Kinder. Bei einem Luftangriff in | |
Dschabal al-Sawija in der nordwestlichen Provinz Idlib am Freitag soll es | |
vier zivile Todesopfer gegeben haben. Bei einem weiteren Luftangriff in | |
Idlib seien in der Ortschaft Habit drei Zivilisten getötet worden. | |
Die wichtigste syrische Oppositionsgruppe, die Syrische Nationale | |
Koalition, hatte bereits am Mittwoch von 36 zivilen Todesopfern in der | |
Provinz Homs gesprochen. Die Regierung in Moskau wies die Angaben zurück. | |
## Intensives Bombardement nötig | |
Die Luftangriffe sollen nach Angaben eines einflussreichen | |
Duma-Abgeordneten „drei bis vier Monate“ dauern. Es könne zwar nie | |
ausgeschlossen werden, dass sich der Einsatz noch mehr in die Länge ziehe, | |
sagte der Vorsitzende des Außenausschusses der Duma, Alexej Puschkow, am | |
Freitag im französischen Sender Europe 1. „Aber in Moskau wird derzeit von | |
Einsätzen über eine Dauer von drei bis vier Monate gesprochen.“ Puschkow | |
kündigte zudem an, dass sich die Luftangriffe noch intensivieren würden. | |
„Ich denke, die Intensität ist wichtig“, sagte der Ausschussvorsitzende. | |
„Die US-Koalition tut seit einem Jahr so, als ob sie den Islamischen Staat | |
bombardiert, aber es gibt keine Ergebnisse. Wenn man es effizienter macht, | |
wird es denke ich Ergebnisse geben.“ | |
Die USA und Russland haben sich zur Vermeidung von Missverständnissen ihrer | |
Streitkräfte in Syrien auf militärischer Ebene abgesprochen. Es habe einen | |
„freundlichen und professionellen Austausch“ gegeben, sagte | |
Pentagonsprecher Peter Cook am Donnerstag. Nach Angaben des Weißen Hauses | |
drehte sich das einstündige Gespräch darum, dass in dem Bürgerkrieg | |
internationale Regeln eingehalten und die üblichen Kommunikationskanäle | |
genutzt würden. | |
## Russland präsentiert UN-Resolution | |
Der Austausch von Geheimdienst-Informationen sei aber nicht geplant, sagte | |
Cook. Ziel sei, „eine Art von Unfall am Himmel“ zu vermeiden. „Das bedeut… | |
nicht, dass wir dulden, was Russland getan hat.“ Präsident Barack Obamas | |
Sprecher Josh Earnest warnte zugleich vor „willkürlichen“ Angriffen, die | |
den Krieg verlängern und Moskau tiefer in den Konflikt hineinziehen | |
könnten. | |
Russlands Außenminister Sergej Lawrow präsentierte am Mittwoch im | |
UN-Sicherheitsrat einen fünfseitigen Resolutionsentwurf für den Kampf gegen | |
den IS. Der Text bezeichnet terroristische Aktivitäten als „Bedrohung für | |
Frieden und Stabilität“ und verurteilt das Vorgehen des IS und der mit dem | |
Terrornetzwerk al-Qaida verbundenen al-Nusra-Front. Indirekt verwiesen wird | |
darauf, dass Assad in die Koalition gegen die Dschihadisten einbezogen | |
werden müsse. | |
Die zentrale Streitfrage bei den Lösungsversuchen zum Syrien-Konflikt und | |
beim Kampf gegen den IS ist die künftige Rolle Assads. Während der Iran und | |
Russland ihrem Verbündeten den Rücken stärken, kann sich der Westen keine | |
Zukunft für den Staatschef an der Spitze Syriens vorstellen. | |
## Einsatz im Irak möglich | |
Die syrische Opposition und der Westen verdächtigen Moskau, nicht wie | |
behauptet die Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) zu attackieren, | |
sondern islamistische und gemäßigte Rebellengruppen, die Machthaber Baschar | |
al-Assad bekämpfen. Nach Angaben der Beobachtungsstelle trafen die | |
Luftangriffe in Idlib am Donnerstag Gebiete, die von der al-Nusra-Front und | |
anderen Rebellen kontrolliert werden. | |
Unterdessen erklärte sich Russland bereit, auf Anforderung Bagdads auch im | |
Irak einzugreifen. Aus dem russischen Außenministerium hieß es laut der | |
Nachrichtenagentur Ria Nowosti, Moskau sei unter Umständen auch zu einem | |
militärischen Eingreifen gegen den IS im Irak bereit. Voraussetzung sei | |
aber eine Bitte Bagdads oder ein UN-Mandat. | |
Iraks Regierungschef Haider al-Abadi zeigte sich im französischen Sender | |
France 24 offen für solche Angriffe. „Wenn wir das Angebot bekommen, werden | |
wir darüber nachdenken“, sagte er. | |
2 Oct 2015 | |
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Barack Obama | |
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