# taz.de -- Verwahrloste Immobilie: Wohnheim nicht mehr sicher | |
> Nach Räumung des ehemaligen Lübecker Wohnheims müssen rund 100 Mieter | |
> neue Bleibe suchen. Die Polizei ermittelt gegen Vermieter. | |
Bild: Einer von rund 100 Mietern im Lübecker Ex-Wohnheim: Hussam Aswad organis… | |
LÜBECK taz | „In Syrien ist seit fünf Jahren Krieg und da gibt es Strom und | |
Wasser“, sagt Hussam Aswad. In dem ehemaligen Wohnheim in der Lübecker | |
Anschützstraße wohnte er elf Tage ohne Strom, Wasser und Heizung. Jetzt | |
wurde das Gebäude, das in Lübeck unter dem Namen „Marmara“ bekannt ist, a… | |
Sicherheitsgründen geräumt und Aswad muss sich eine neue Bleibe suchen. | |
„Gefährlich und entwürdigend“ nannte Lübecks Innensenator Bernd Möller | |
(Grüne) die Zustände im ehemaligen Studentenwohnheim. Im Etagenbad tropft | |
es, aus den Toiletten dringt Gestank und im Treppenhaus lagert Müll. Die | |
Stadt war auf diese Zustände hingewiesen worden und am Mittwochmorgen waren | |
Vertreter der Stadt dann vor Ort, um sich ein Bild zu machen. Sie erklärten | |
das Haus unter anderem wegen unbeleuchteter Fluchtwege für unbenutzbar. | |
Die Stadtwerke entdeckten bereits am Montag vor einer Woche Manipulationen | |
an Gas-, Wasser- und Stromanlagen: wild verlegte Stromleitungen, | |
rückwärtslaufende und geöffnete Zähler. „Das war lebensgefährlich“, sa… | |
Lars Hertrampf, Sprecher der Lübecker Stadtwerke. Aufgrund eines anonymen | |
Hinweises habe man gemeinsam mit der Polizei die Anlagen besichtigt und die | |
Energieversorgung dann eingestellt. | |
Die Stadtwerke haben Strafanzeige gegen den Vermieter gestellt. Der | |
75-Jährige bestreitet allerdings, etwas mit den Manipulationen zu tun zu | |
haben. Ehe „der Betrug nicht geklärt ist“, werden die Stadtwerke aber kein | |
Wasser, Strom und Gas liefern, sagt Hertrampf. | |
## Falsche Mietverträge | |
Der 26-jährige Aswad ist seit sieben Monaten in Deutschland. Der | |
ausgebildete Arzt hat sich um ein Praktikum an der Lübecker Uniklinik | |
beworben. Für sein Zimmer in der Anschützstraße zahlte er jeden Monat 270 | |
Euro bar an den Vermieter. Aswad hatte sich sein Zimmer direkt von Syrien | |
aus organisiert und dann ein Visum beantragt. Sein Vermieter verwendete | |
aber offenbar Mietverträge, in denen er sich als „Wohnheim Verwaltung für | |
die Fachhochschule Lübeck Medizinische Universität“ ausgab, wie der NDR | |
berichtete. Laut Fachhochschule habe es jedoch „keinerlei vertragliche | |
Verbindungen zu diesem privaten Anbieter“ gegeben. | |
Am Mittwoch mussten dann alle rund 100 Bewohner, die meisten von ihnen aus | |
Osteuropa, raus aus dem Haus. Eine Mitarbeiterin der Sozialen Sicherung | |
Lübeck habe die Bewohner persönlich informiert, sagte eine Sprecherin der | |
Stadt. Außerdem seien Zettel verteilt worden. Aber „für die Räumung ist | |
sowieso der Vermieter in der Verantwortung“, so die Sprecherin. Der rührte | |
sich jedoch nicht, gegen ihn laufen laut Polizei „Ermittlungen in | |
verschiedene Richtungen“. | |
Anke Dräger, eine Lübeckerin mit syrischen Freunden im besagten Wohnheim, | |
kümmerte sich um die Bewohner, telefonierte mit der Stadt und fand heraus, | |
dass eine Unterkunft in der Turnhalle einer ehemaligen Grundschule Moisling | |
zur Verfügung steht. Über Facebook organisierte sie Fahrten mit Privatautos | |
zur neuen Unterkunft. In der Turnhalle sind aber nur etwa 25 der Bewohner | |
untergekommen, die übrigen haben bei Freunden Unterschlupf gefunden oder | |
die Firmen, für die sie arbeiten, haben ihnen ein Hotelzimmer organisiert. | |
Aswad verbrachte die Nacht zum Donnerstag bei einem Freund, zog dann in die | |
Grundschule. Wie es jetzt weitergehen soll, weiß er nicht. Die Stadt sagt, | |
die Bewohner können mindestens noch ein paar Tage in der Unterkunft | |
bleiben. Um Wohnungen müssten sie sich aber selbst kümmern. | |
9 Oct 2015 | |
## AUTOREN | |
Albert Wenzel | |
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