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# taz.de -- Kolumne German Angst: Es bleibt Luft nach unten
> Je düsterer Dunkelungarn, umso heller leuchtet die deutsche
> Barmherzigkeit, könnte man denken. Aber der Schein trügt.
Bild: Während Ungarn einen Zaun errichtet, verschärfen deutsche Politiker bei…
Da ich gerade etwas ab vom Schuss bin, muss ich mir mühsam im Internet
zusammensuchen, was in Deutschland passiert. Ich suche zum Beispiel „Tag
der deutschen Einheit 2015 offen“ – und Google ergänzt „offene Geschäft…
„Restaurant offen“, „Bäcker offen“. Hallo, hier spricht das kollektive
Unterbewusstsein! Da geht es noch um die wichtigen Dinge.
Eigentlich war ich auf der Suche nach dem Slogan des 25. Jahrestags.
„Grenzen überwinden“ lautet der. Aber ihre Feierlaune lassen sich die
Deutschen nicht vermiesen – siehe das durch geflüchtete Muslimen bedrohte
Oktoberfest. Nicht einmal von dem rechten Terroranschlag 1980 ließ man sich
aus der Feierlaune bringen, aber die Anwesenheit von Nichtchristen lässt
gleich die deutsche Bierseligkeit in ihren Grundfesten wackeln.
Seit zwei Wochen kontrolliert Deutschland seine Grenzen wieder. Die
Wiedereinführung der Kontrollen an den Binnengrenzen der EU sei nur
vorübergehend, sagte Innenminister de Maizière. Während sich die Meinung
durchgesetzt hat, dass Ungarn mit dem [1][Antiflüchtlingszaun] ein bisschen
übertrieben hat, ist die Abschaffung der Bewegungsfreiheit durch
Deutschland ok.
Hier erklärt man es einfach netter! Und je düsterer Dunkelungarn, umso
heller leuchtet die deutsche Barmherzigkeit. Denn wir erfüllen unsere
humanitäre Pflicht, halten Maß zwischen berechtigten und unberechtigten,
zwischen echten und falschen Flüchtlingen.
## Ost-West-Unterschiede
Und 78 Prozent der Deutschen finden die Grenzkontrollen gut. Lediglich 19
Prozent sind dagegen. Das hat das „Politbarometer“ des ZDF erhoben.
Vergessen sind die Ost-West-Unterschiede in Sachen Lohn und
Lebenszufriedenheit oder Wahlbeteiligung. Bei den fundamentalen Dingen sind
sich die Deutschen einig. Wie schön, da haben sich die 25 Jahre ja gelohnt.
Und während der Staat sich aus der Verantwortung heraus stiehlt – ach was,
eigentlich rumpelt er, begleitet von Fanfaren und Trompeten heraus. Während
also der Staat auf seine Verantwortung pfeift, sein Engagement in Sachen
Flüchtlingspolitik sich auf die Abschaffung des Asylrechts beschränkt,
versorgen Menschen die Flüchtlinge mit dem Nötigsten.
Das ist natürlich sehr schön. Besser als das eklatante Missverhältnis in
den 90ern jedenfalls. Allerdings: Im Schatten der [2][Willkommenskultur,]
die die Engagierten so zufrieden mit sich und der Welt macht, setzt der
Staat seinen Willen durch.
Und der ist: Entrechtung für alle die unter die Dublin-III-Verordnung
fallen und denen künftig nicht einmal mehr eine Unterkunft, Sachleistungen,
eine medizinische Notversorgung zustehen werden – [3][sie werden also
ausgehungert], bis sie das Land verlassen. Lange Geduldeten drohen
Arbeitsverbote, genauso wie jenen, denen man unterstellt, sie wollten in
Deutschland nur Asylleistungen abgreifen. Abschiebungen ohne Ankündigung,
und so weiter.
Am Ende steht die Forderung nach der Begrenzung der Aufnahme von Menschen
europaweit. De Maizière hätte es gerne noch „schärfer“ gehabt. Tja.
Vermutlich ist in der langen Reihe der Asylkompromisse, die alle paar
Monate ausgehandelt werden, auch weiterhin Luft nach unten.
16 Oct 2015
## LINKS
[1] /Fluechtlingskrise-in-Ungarn-und-Oesterreich/!5235826
[2] /Willkommenskultur-und-Patriotismus/!5232927
[3] /Kommentar-Fluechtlingsgipfel/!5235820
## AUTOREN
Sonja Vogel
## TAGS
Asylrecht
Schwerpunkt Flucht
EU-Außengrenzen
Unterbringung von Geflüchteten
Späti
Schwerpunkt Rassismus
Ungarn
Schwerpunkt Flucht
Judentum
Schwerpunkt Pegida
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