# taz.de -- Flüchtlinge auf der Balkanroute: Auch Mazedonien macht dicht | |
> Mazedonien will die Grenze zu Griechenland militärisch schützen. In | |
> ungarischen Lagern herrschen katastrophale Zustände und der Winter rückt | |
> näher. | |
Bild: An der Grenze zu Serbien: Ab nächster Woche bestraft Ungarn „illegale … | |
BELGRAD/BUDAPEST/WIEN/ATHEN dpa/afp/ap/rtr | Über den Balkan kommen immer | |
mehr Flüchtlinge nach Westeuropa. Allein am Donnerstag seien 5.540 Menschen | |
in Serbien registriert worden, sagte Regierungschef Aleksandar Vučić am | |
Donnerstag im Staatsfernsehen RTS in Belgrad. Das war für einen einzigen | |
Tag ein Rekord. Bisher waren im Schnitt nicht mehr als 2.000 Flüchtlinge | |
von Mazedonien aus nach Serbien gelangt. | |
Die Menschen stammen zum größten Teil aus Syrien und haben Westeuropa und | |
vor allem Deutschland als Ziel. Serbien ist ein wichtiger Punkt auf der | |
sogenannten Balkanroute, die viele Flüchtlinge aus Ländern wie Syrien und | |
Afghanistan auf dem Weg nach Westeuropa nehmen. Sie führt von der Türkei | |
über Griechenland, Mazedonien, Serbien, Ungarn und Österreich nach | |
Deutschland und Skandinavien. | |
Die Verschärfung der ungarischen Einwanderungsgesetze ab dem 15. September | |
bringt für das benachbarte Serbien nach Einschätzung Vučićs eine Menge | |
Probleme mit sich. An diesem Tag treten in Ungarn neue Regeln in Kraft, wie | |
etwa die [1][Bestrafung illegaler Grenzübertritte] mit bis zu drei Jahren | |
Haft. | |
Vučić erinnerte in dem Interview daran, dass der Winter bevorstehe und | |
daher mehr Unterkünfte für Flüchtlinge gebraucht würden. „Wir müssen uns | |
auf diesen Winter vorbereiten. Nach dem 15. September bleiben die | |
Flüchtlinge, die bislang [2][zwischen zwei und drei Tage in Serbien | |
blieben], länger, zwischen fünf und sechs Tagen, und wir müssen auf diese | |
neue Realität vorbereitet sein“, mahnte der Regierungschef. Er rief seine | |
Landsleute auf „zu verstehen, dass unser Land absolut nichts verliert“, | |
wenn es den Flüchtlingen helfe. | |
## Eine Mauer in Mazedonien | |
Das EU-Mitglied Ungarn hat an der 175 Kilometer langen Grenze zum | |
Nicht-EU-Land Serbien bereits einen [3][Stacheldrahtzaun errichtet], um | |
Flüchtlinge von der illegalen Einreise abzuhalten. Ab kommenden Dienstag | |
soll die Armee an der Grenze postiert werden können. | |
Vučić lehnte eine Abschottung gegen den Flüchtlingsandrang ab. Er reagierte | |
damit auf Erwägungen des mazedonischen Außenmisters Nikola Poposki, die | |
Landesgrenze nach ungarischem Vorbild ebenfalls zu sichern. „Ich sehe, dass | |
Mazedonien eine Mauer an der Grenze zu Griechenland errichten will, damit | |
ganz Europa von Stacheldraht umschlossen ist“, kritisierte der serbische | |
Regierungschef. „Wir werden keine Mauern errichten.“ | |
„Wir brauchen auch irgendeine Art von äußerer Verteidigung, um die Zahl | |
illegaler Grenzübertritte zu senken“, sagte hingegen Poposki der | |
ungarischen Wirtschaftszeitschrift Figyelö vom Donnerstag. Infrage kämen | |
„entweder Soldaten oder ein Zaun oder eine Kombination aus beidem“. | |
Auch Mazedonien ist Transitland für Flüchtlinge, die aus Griechenland über | |
Serbien und Ungarn zumeist weiter nach Österreich und Deutschland wollen. | |
Im laufenden Jahr passierten bereits mehr als 160.000 Menschen das Land. | |
Derzeit würden täglich bis zu 4.000 Flüchtlinge durchgelassen. Allein am | |
Donnerstag verließen etwa 2.500 Flüchtlinge in 50 Bussen und weitere 3.000 | |
Menschen in drei Zügen die mazedonische Stadt Gevgelija. | |
## „Guantanamo in Europa“ | |
Poposki beklagte, dass es „keine europäische Übereinkunft“ zum Umgang mit | |
der Flüchtlingskrise gebe. Die EU-Kommission strebt eine [4][Verteilung der | |
Flüchtlinge auf ihre Mitglieder per fester Quote] an, was vor allem mehrere | |
osteuropäische Länder aber bislang ablehnen. | |
Im größten ungarischen Auffangklager beklagen österreichische Aktivisten | |
einen unmenschlichen Umgang mit Flüchtlingen. Sie veröffentlichten ein | |
Video, das zeigt, wie Polizisten in Röszke [5][Tüten mit Brötchen in die | |
wartende Menge werfen]. „Es erinnerte an die Fütterung von Tieren in ihrem | |
Gehege, wie Guantanamo in Europa“, sagte Klaus Kufner, dessen Mitstreiterin | |
Michaela Spritzendorfer die Essensausgabe in dem Lager am Mittwoch heimlich | |
gefilmt hatte. | |
Auf den Aufnahmen ist zu sehen, wie etwa 150 Flüchtlinge dicht gedrängt in | |
einem umzäunten Bereich warten, um mit Nahrung versorgt zu werden. „Es war | |
unmenschlich, und es spricht für sich, dass sie (die Flüchtlinge) nicht um | |
das Essen geschlagen haben, obwohl sie offensichtlich sehr hungrig waren“, | |
erklärte Spritzendorfer. | |
## Mehr als 175.000 Menschen | |
Die Aktivisten waren nach eigenen Angaben nach Röszke gereist, um | |
Lebensmittel, Kleidung und Medikamente an die Flüchtlinge zu verteilen. | |
Spritzendorfers Video wurde seit Donnerstagabend in sozialen Netzwerken | |
verbreitet, bis Freitagmittag wurde es allein auf der Onlineplattform | |
Youtube mehr als 90.000 Mal aufgerufen. | |
In Röszke kommt ein Großteil der über Serbien reisenden Flüchtlinge an. Die | |
Lage an dem Grenzübergang ist seit Tagen angespannt. Seit Jahresbeginn sind | |
bereits mehr als 175.000 Flüchtlinge nach Ungarn eingereist. | |
Die österreichische Polizei hat am Freitag die Straße zwischen ungarischer | |
Grenze und Wien wegen dort laufender Flüchtlinge abschnittsweise gesperrt. | |
Die geschätzt 1.000 Menschen hätten eine Polizeikette durchbrochen und | |
seien in einer langen Reihe auf dem Weg in die österreichische Hauptstadt, | |
sagte Polizeisprecher Gerhard Koller. | |
## Rekordzahlen auf Lesbos | |
Die Österreichischen Bundesbahnen setzen derweil den Zugverkehr von und | |
nach Ungarn auch über das Wochenende aus. Dies sei wichtig, um den Betrieb | |
an den Wiener Bahnhöfen zu stabilisieren, teilt das Unternehmen mit. Für | |
Freitag sind sechs reguläre Züge aus Ostösterreich nach Deutschland | |
geplant. Sonderzüge werde es voraussichtlich nicht geben, erklärt das | |
Unternehmen. | |
Auch in Griechenland steigen die Flüchtlingszahlen weiter. Auf der Insel | |
Lesbos hat die Zahl der seit Jahresbeginn angekommenen Flüchtlinge hat die | |
Marke von 30.000 überschritten. Das sagte die Regional-Gouverneurin | |
Christiana Kalogirou am Freitag dem Privatsender Skai. | |
Die griechische Übergangsregierung habe weitere Helfer geschickt, um die | |
Registrierung zu beschleunigen. Zudem seien zwei zusätzliche Fähren | |
gechartert worden, um die Menschen zum Festland zu bringen. Insgesamt haben | |
in diesem Jahr bereits mehr als 250.000 Flüchtlinge Griechenland erreicht. | |
Fast alle wollen in andere EU-Staaten weiterreisen. | |
11 Sep 2015 | |
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