Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Religion und Sport in Israel: Erst in die Synagoge, dann ins Stadion
> In Israel wird heftig darüber gestritten, ob am Schabbat auch künftig
> Fußball gespielt werden darf. Die Kicker mit Kipa sind kategorisch
> dagegen.
Bild: Fans von Beitar Jerusalem.
Jerusalem taz | Seit der Staatsgründung wird in Israel auch am Samstag
Fußball gespielt, aber das soll nun anders werden. Ginge es nach einer
Gruppe frommer Zweitligisten darf der heilige Schabbat nicht länger
entweiht werden. Die Profikicker mit der Kipa zogen vor Gericht und bekamen
Recht. Fußball ist für sie Arbeit, und arbeiten ist laut Halacha, dem
jüdischen Recht, nicht erlaubt. Mit sofortiger Wirkung sollten sämtliche
Spiele am siebenten und von Gott persönlich zur Ruhe auserkorenen Tag
ausgesetzt werden.
Ofer Eini, Chef vom nationalen Fußballverband (IFA), lief Sturm und
kündigte einen Generalstreik an. Wenn die Fussballer nicht am Schabbat
spielen dürften, würden sie es überhaupt nicht mehr tun. Eini ist
erfahrener Gewerkschafter, der weiß, wie man Streiks organisiert.
Oberstaatsanwalt Jehuda Weinstein lenkte ein und gab zunächst grünes Licht
für die Spiele an diesem Wochenende. Ein Sonderausschuss unter Vorsitz von
Kultur- und Sportministerin Miri Regev soll nun binnen 60 Tage eine für
beide Seiten befriedigende Kompromislösung zu finden.
Eigentlich ist nicht die Sportminsterin, sondern der Wirtschaftsminister
zuständig, denn hier geht es um ein Arbeitsrecht. Israels Sinfonieorchester
beispielsweise halten es schon lange so, Konzerte am Samstagabend erst nach
21 Uhr beginnen zu lassen, um betroffene Musiker nicht in Schwierigkeiten
zu bringen.
Dumm für die Fußballfans ist, dass gerade jetzt das Wirtschaftsministerium
von dem ultraorthodoxen Schass-Politiker Arie Deri geleitet wird. Zu Deris
Wählerklientel gehören nicht wenige, die die Spiele der Liga bislang
regelmäßig verpassten, weil der Rabbi sie zum Gebet rief. Nicht bevor drei
Sterne am Himmel stehen, darf, wer den frommen Regeln folgt, sein Auto
starten. Ein Anpfiff erst nach Sonnenuntergang macht wiederum dem jungen
Publikum das Leben schwer, das am Sonntag in der Früh schon wieder in die
Schule gehen muss.
## 30.000 Kinder betroffen
Betroffen wären, sollte das Urteil konsequent umgesetzt werden, beträfe das
auch die aktiven Amateursportler. 30.000 Kinder, so warnt IFA-Chef Eini,
spielen samstags Fußball. Der „Status quo, seit Jahrzehnten“, erläuterte
Staatspräsident Reuven Rivlin sei es, „am Schabbat erst in die Synagoge zu
gehen und anschließend ins Stadion“.
Daran sollte nicht gerüttelt werden, findet Rivlin, der selbst zwar koscher
isst und wie die meisten Israelis am Jom Kippur fastet, trotzdem aber als
begeisterter Fußballfan selten ein Spiel seiner Lieblingsmannschaft „Bejtar
Jeruschalajim“ auslässt. Außerdem denkt der Präsident auch an die
Minderheiten. Beim Fußball sind Israels Araber weit vorn, vor allem der FC
„Söhne Sachnins“.
Die Muslime halten sich aus dem Konflikt zwischen Israels frommen und
weltlichen Juden heraus. Als sei die Liste der Konfliktthemen nicht schon
lang genug. Im Staat der Juden wird gestritten über das Monopol in Sachen
Familienrecht, über öffentliche Gelder für Schulen, die zwar Mathematik und
Englisch nicht im Lehrplan haben, dafür aber umso intensiver den Talmud
lehren, über Wehrpflicht auch für Orthodoxe, über den öffentlichen
Transport am Wochenende und die Öffnung von Restaurants und Kino.
Die Zeit arbeitet für die Frommen. Schon heute macht die Gruppe der
orthodoxen Juden im Land ein Fünftel der Gesamtbevölkerung aus und sie
wächst rasant weiter. „Gehet hin und mehret Euch“, ist schließlich eins d…
göttlichen Gebote. Bevor es zu spät ist, sollte in Israel eine Trennung
festgelegt werden zwischen Staat und Religion, sagen die einen, während die
anderen die Tora höher halten als das Staatsrecht und froh wären, wenn das
alle täten. Erst wenn die Juden den Schabbat ehren, soll der Messias
kommen, auf den sie so dringend warten.
Noch ist Geduld angesagt, denn an diesem Schabbat soll gespielt werden. Es
sei denn, Syrien macht den Fans einen Strich durch die Rechnung. Die dicken
Sandwolken, die seit Tagen vom nordöstlichen Nachbarn her über Israel
hinweg wehen, haben den Fußballverband aus Sorge um die Gesundheit der
Kicker am Freitag sämtliche Spiele absagen lassen.
11 Sep 2015
## AUTOREN
Susanne Knaul
## TAGS
Israel
Fußball
Orthodoxe Juden
Antisemitismus
Orthodoxe Juden
Schwerpunkt Nahost-Konflikt
Israel
Israel
## ARTIKEL ZUM THEMA
Angebot für Sportvereine: Meldebutton gegen den Hass
Antisemitismus ist auch im Breiten- und Spitzensport Alltag. Ein neues
Angebot soll es nun Opfern und Zeugen erleichtern, Vorfälle zu melden.
Jüdisches Neujahrsfest in der Ukraine: Sieben Tage Schtetl
Zum jüdischen Neujahrsfest Rosch ha-Schana pilgern zehntausende Juden aus
aller Welt nach Uman zum Grab des Rabbi Nachman.
Unruhen auf Jerusalems Tempelberg: Härtere Strafen für Steinewerfer
Israels Premier Netanjahu droht den Palästinensern mit härteren Strafen.
Die Unruhen auf dem Tempelberg könnten dennoch eskalieren.
Arbeitskampf in Israel: Christliche Schulen im Streik
Das Erziehungsministerium kürzt Christen seit fast fünf Jahren Geld.
Muslimische Schulen verhalten sich nun solidarisch.
Anschläge in Israel: Zwei religiöse Lager
Die Brandstifter im Westjordanland und der Messerstecher der Gay-Parade
sind fromme Juden. Doch die Wurzeln ihres Hasses sind andere.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.