# taz.de -- Kommunalwahl in NRW: Altpunk will Bürgermeister werden | |
> Wer ist Großstadtpartei? Die SPD kämpft im Ruhrgebiet mit redegewandten | |
> Neulingen um Bürgermeisterämter – und verabschiedet die alte Garde. | |
Bild: Springt gern nackt auf die Bühne: Punk Wolfgang Wendland kann aber auch … | |
KÖLN taz | Punk im Pott: In Bochum sitzt der schrillste | |
Oberbürgermeisterkandidat. Wolfgang Wendland, Sänger der Punkband „Die | |
Kassierer“. Der 52-Jährige stürmt gerne mal nackt auf die Bühne, jetzt aber | |
macht er Ernst und will die SPD, die in Bochum seit dem Ende des Zweiten | |
Weltkriegs ununterbrochen regiert, stürzen. | |
Politisch ist Wendland nicht unerfahren. Fünf Jahre saß er für Die Linke in | |
der Bezirksvertretung Wattenscheid. Und als Kanzlerkandidat trat er einst | |
für die Anarchistische Pogo-Partei Deutschlands an. Inzwischen kämpft der | |
Altpunk für handfeste Ziele, etwa für mehr Transparenz im Haushalt seiner | |
hochverschuldeten Heimatstadt. | |
Bei den Wahlen am Sonntag handelt es sich um die zweite Runde der | |
Kommunalwahl von 2014. Warum zwei Termine? Die Entkopplung geht zurück auf | |
eine Wahlrechtsreform unter der früheren Rüttgers-Regierung, die Rot-Grün | |
rückgängig machen will. Spätestens bis 2020 sollen die Räte wieder zusammen | |
mit den Bürgermeistern gewählt werden. 2014 war dies erstmals der Fall. | |
Damals konnten sich die Bürgermeister entscheiden, ob sie noch die volle | |
Amtszeit (sechs statt künftig fünf Jahre) ausschöpfen oder sich ein Jahr | |
später zur Wahl stellen wollen. In rund der Hälfte der | |
nordrhein-westfälischen Kommunen findet Letzteres nun statt. | |
In Bochum sieht alles nach einer Stichwahl aus. Einer Umfrage des Blogs | |
Ruhrbarone zufolge bekäme weder der Kandidat der Sozialdemokraten, Thomas | |
Eiskirch, noch Klaus Franz von der CDU die Mehrheit der Stimmen. Punkrocker | |
Wendland wäre mit rund 6 Prozent der Stimmen chancenlos. In der | |
Ex-Opel-Stadt buhlen zwölf Kandidaten um die Gunst der Wähler. So viele gab | |
es noch nie, sie sind ein Ausdruck der Unzufriedenheit mit dem Zustand der | |
Stadt, die mit 1,6 Milliarden Euro verschuldet ist und eine | |
überdurchschnittlich hohe Arbeitslosenquote aufweist. | |
Die langjährige SPD-Oberbürgermeisterin Ottilie Scholz tritt nicht wieder | |
an. Scholz steht mit ihren zahlreichen Aufsichtsratsposten für eine | |
umstrittene Verflechtung von Politik und kommunaler Wirtschaft. Sie ist | |
Aufsichtsratschefin bei den Bochumer Stadtwerken, jener Tochtergesellschaft | |
der Stadt, die einst mit hohen Honorarzahlungen an den früheren | |
SPD-Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück für einen Vortrag Aufsehen erregte. | |
## Kopf-an-Kopf-Rennen in Essen | |
Mit Ottilie Scholz verlässt eine ganze Garde altgedienter SPD-Rathauschefs | |
die Bühne in den Ruhrgebietsstädten, traditionell Hochburgen der SPD. Etwa | |
Klaus Wehling in Oberhausen, Dagmar Mühlenfeld in Mülheim oder Horst | |
Schiereck in Herne. „Mit ihnen verschwindet der Typ des geschätzten | |
bodenständigen ‚Kümmerers‘ “, [1][analysiert die] Westdeutsche Allgemei… | |
Zeitung. Es rücke eine redegewandte und bestens vernetzte Generation von | |
Politikprofis nach, die weniger berechenbar sei. | |
Ob sich die SPD überall mit Neulingen durchsetzt, ist fraglich. In Essen | |
läuft alles auf ein Kopf-an-Kopf-Rennen hinaus. Der seit 2009 amtierende | |
SPD-Oberbürgermeister Reinhard Paß ist innerparteilich umstritten und wird | |
wohl kaum von einem Amtsbonus profitieren. Paß gilt als spröde und | |
eigenwillig; das nahmen ihm Partei- und Fraktionsvorstand übel. Seine | |
Partei hatte den 58-Jährigen 2014 gedrängt, auf ein Amtsjahr zu verzichten | |
und sich gemeinsam mit dem Stadtrat zur Wahl zu stellen – vergeblich. | |
Die Essener SPD-Chefin sieht in ihm die „falsche Person“, Paß musste sich | |
erst bei einer Mitgliederbefragung als Kandidat behaupten. Sein | |
Herausforderer Thomas Kufen von der CDU, fast achtzehn Jahre jünger, | |
punktet als Exintegrationsbeauftragter des Landes in Flüchtlingsfragen bei | |
der grünen Wählerschaft. | |
Die Grünen halten nicht zurück mit ihrer Kritik an dem SPD-Kandidaten und | |
dürften das Zünglein an der Waage werden. In einem Viererbündnis mit | |
Liberalen und freien Wählern haben CDU und Grüne in Essen bis zur letzten | |
Kommunalwahl schon zusammengearbeitet. Man kennt sich also. | |
## Merkel kam nach Essen | |
Kaum verwunderlich daher, dass Kufen im Wahlkampf Unterstützung von Angela | |
Merkel erhält. Die Kanzlerin hielt am Freitag eine Rede auf dem Burgplatz. | |
Die Konservativen schwächeln in den Großstädten. In keiner der Top Ten | |
regiert ein CDU-Bürgermeister, zuletzt verlor die CDU im Juni mit Dresden | |
eine Landeshauptstadt, im vergangenen Jahr war es Düsseldorf. Derzeit führt | |
Wuppertals Oberbürgermeister Peter Jung den Titel „Großstadt-König der | |
CDU“. Mit rund 340.000 Einwohnern rangiert Wuppertal auf Platz 17 der | |
größten Städte. Peter Jung hat am Sonntag gute Chancen auf eine Neuwahl. | |
Interessant wird es auch in Bonn. Dort schickt die CDU Ashok-Alexander | |
Sridharan, einen gebürtigen Bonner mit indischen Wurzeln, ins Rennen. Ein | |
Wahlsieg hätte bundesweit Signalwirkung: Sridharan wäre der erste | |
konservative OB mit Migrationshintergrund in einer Großstadt. Nach zwei | |
Jahrzehnten würde er den Sozialdemokraten den Chefposten im Rathaus | |
abspenstig machen. Diese setzen mit Peter Ruhenstroth-Bauer auf einen | |
Neuling. Unterstützt wird der „bönnsche Inder“ ausgerechnet von dem | |
früheren NRW-Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers, der einst im | |
Landtagswahlkampf mit dem Slogan „Kinder statt Inder“ für Wirbel sorgte. | |
11 Sep 2015 | |
## LINKS | |
[1] http://www.derwesten.de/politik/im-revier-tritt-die-alte-garde-der-oberbuer… | |
## AUTOREN | |
Claudia Hennen | |
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