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# taz.de -- Norwegen exportiert Häftlinge: Wo es flach ist, sitzt man netter
> Im niederländischen Veenhuizen stehen Gefängniszellen leer. Deshalb
> mietet Norwegen dort nun 242 seiner Hälftlinge ein.
Bild: Schon eingerichtet: eine Zelle im Gefängnis Norgerhaven im niederländis…
AMSTERDAM taz | Lachende Gesichter, Gastgeschenke, Schlüsselüberreichung.
Der Saal ist festlich geschmückt, sogar die Kuchen tragen niederländische
und norwegische Flaggen. Reden und Schulterklopfen lassen an einen frisch
besiegelten Kulturaustausch denken. Doch tatsächlich geht es in Veenhuizen,
einem Dorf in der nordniederländischen Provinz Drenthe, um etwas anderes:
Das Gefängnis Norgerhaven kommt unter norwegische Leitung.
Ein Jahr lang wurde in den Justizministerien in Oslo und Den Haag an einem
bemerkenswerten Deal gearbeitet: 242 norwegische Häftlinge sollen im
niederländischen Norgerhaven ihre Strafe absitzen, unter norwegischer
Leitung und norwegischem Regime, ausgeführt von niederländischem Personal.
Die ersten 24 Häftlinge kamen vor einer Woche an. „Nie zuvor”, so der
zuständige niederländische Staatssekretär Klaas Dijkhoff, „haben zwei
Länder, die geografisch so weit voneinander entfernt liegen, im Haftbereich
so eng zusammengearbeitet.”
Der Hintergrund fehlt in keiner Eröffnungsrede: die über 1.000
Gefängniszellen, die in Norwegen fehlen. In den Niederlanden stehen viele
Zellen leer, 2.000 Beamtenstellen droht der Abbau. Für 25,5 Millionen Euro
im Jahr mietet Oslo nicht nur die Zellen, sondern auch das Personal, was
239 Stellen sichert.
Der neue Direktor Karl Hillesland, in dieser Funktion zuletzt im
norwegischen Skien tätig, betont, es handele sich um eine vorübergehende
Maßnahme. Erforderlich sei sie wegen dringender Unterhaltsarbeiten in
norwegischen Gefängnissen.
## Sichert Hunderte Stellen
Schon seit 2010 schickt die belgische Justiz Häftlinge aus ihren
überbelegten Anstalten ins grenznahe niederländische Tilburg, dessen
Gefängnis mehr als 500 Zellen bietet. Belgien zahlt dafür 35 Millionen Euro
jährlich; auch dieser Deal sichert Hunderte Stellen im Strafvollzug.
In Veenhuizen zeigt sich nicht nur Dijkhoff zufrieden. Auch der norwegische
Justizminister Anders Anundsen strahlt, als er über den grasbewachsenen
Innenhof mit Basketball- und Beachvolleyballfeld geführt wird und das
Lernzentrum mit Flachbildschirmen begutachtet.
Wer aber kommt eigentlich hierher? Anundsen sagt, Häftlinge könnten sich
für eine Verlegung bewerben. Verurteilte mit kleinen Kindern kämen der
weiten Entfernung wegen nicht in Frage. Zweites Kriterium sei eine
langjährige Strafe.
Kein Geheimnis ist, dass wie Belgien auch Norwegen gerne ausländische
Häftlinge in die Niederlande schickt. Das Argument: Die hätten weniger
familiäre Bindung. Ein Wärter berichtet von „einem Letten, einem Polen,
einem Engländer” unter den Neuankömmlingen. Der Bibliothekar nennt
„Litauen, Albanien, Rumänien und Afrika” als Herkunftsorte. Minister
Anundsen bestätigt einen „hohen Prozentsatz” nicht-norwegischer Häftlinge.
Gleichzeitig betont er, viele hätten um ihre Verlegung gebeten.
Kritik an der Entfernung, was zum Beispiel Besuche erschwert, weisen die
Norweger indes zurück: Innerhalb Norwegens gebe es noch größere Distanzen
als von Oslo bis in die Niederlande. Und der neue Direktor der Haftanstalt
Norgerhaven hat sogar einen finanziellen Vorteil für Angehörige entdeckt:
Hotelübernachtungen in den Niederlanden seien deutlich billiger.
7 Sep 2015
## AUTOREN
Tobias Müller
## TAGS
Mieten
Niederlande
Norwegen
Gefängnis
Norwegen
Schwerpunkt Flucht
Schule
Hungerstreik
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