| # taz.de -- Explosionsunglück in China: Zahl der Toten steigt auf 114 | |
| > 70 Menschen werden noch vermisst. Betroffene wollen Entschädigung für | |
| > ihre zerstörten Häuser. Der Premier fordert strenge Strafen für die | |
| > Verantwortlichen. | |
| Bild: Aus den Resten des zerstörten Hafenlagers in Tianjin steigt weiter Rauch… | |
| Tianjin dpa/ap | Fünf Tage nach dem verheerenden Explosionsunglück im Hafen | |
| der nordchinesischen Metropole Tianjin ist die Zahl der Toten auf 114 | |
| gestiegen. 70 Menschen wurden am Montag noch vermisst, wie die amtliche | |
| Nachrichtenagentur Xinhua meldete. Unter den Opfern sind Dutzende | |
| Feuerwehrleute, die zu dem Feuer gerufen worden waren, als sich die | |
| Explosionen ereigneten. | |
| Die Bergungsarbeiten kommen wegen der Gefahren in den Trümmern und teils | |
| noch schwelender Brände nur langsam voran. Am Montagmorgen ereignete sich | |
| erneut eine kleinere Explosion, wie das Staatsfernsehen berichtete. Rauch | |
| stieg auf. Mehr als 3000 Helfer sind nach Militärangaben im Einsatz. In | |
| Krankenhäusern wurden 698 Verletzte behandelt. Darunter sind 57 | |
| Schwerverletzte. | |
| In einem Hafenlager der Millionenmetropole waren am Mittwochabend | |
| gefährliche Chemikalien explodiert und hatten auf dem Gelände im Binhai | |
| Distrikt schwere Zerstörungen und selbst in einem kilometerweiten Umkreis | |
| noch Schäden angerichtet. Unter anderem waren in dem Lager Hunderte Tonnen | |
| vom hochgefährlichen Natriumcyanid gelagert. Eigentlich sind nur zehn | |
| Tonnen erlaubt. Die Substanz ist leicht entflammbar, wenn sie in Kontakt | |
| mit Wasser kommt. Ein Umkreis von drei Kilometern rund um das Lager wurde | |
| zur Sperrzone erklärt. | |
| Chinesischen Regeln für die Arbeitssicherheit zufolge müssen solche | |
| Einrichtungen mindestens einen Kilometer von Wohnhäusern, öffentlichen | |
| Gebäuden und Straßen entfernt sein. Online-Karten zeigen, dass das | |
| betroffene Lager der Logistikfirma jedoch nur 500 Meter von einer | |
| Schnellstraße und einer 100 000 Quadratmeter großen Wohnungsanlage entfernt | |
| war. Die Wände dieser Appartements wurden bei den Detonationen versengt, | |
| die Fenster zerschmettert. Alle Einwohner wurden in Sicherheit gebracht. | |
| Die Behörden in Tianjin gerieten unter Druck, um die Frage zu beantworten, | |
| warum dem Lager in dieser Gegend eine Betriebserlaubnis gegeben wurde. Die | |
| Oberste Volksstaatsanwaltschaft hatte am Sonntag eine Untersuchung gegen | |
| die Verantwortlichen des Unglücks angekündigt. | |
| Bei einem Besuch am Unglücksort erwies Ministerpräsident Li Keqiang den | |
| getöteten Feuerwehrleuten am Sonntagabend mit einer Schweigeminute seinen | |
| Respekt und beschrieb sie als Helden. | |
| ## Landesweite Inspektionen angeordnet | |
| Nach Klagen empörter Familien über die Ungleichbehandlung der frei vom | |
| Hafenbetreiber angeworbenen Brandbekämpfer und der offiziellen | |
| Feuerwehrleute, die in China zum Militär gehören, betonte der Premier, alle | |
| hätte die gleiche Ehre verdient. Auch werde den Angehörigen die gleiche | |
| Entschädigung gezahlt. Anfangs waren die vermissten freien Löschkräfte | |
| nicht einmal mitgezählt worden, was Proteste auslöste. | |
| Nach einer teils chaotischen Informationspolitik, die wenig zur Beruhigung | |
| der Bevölkerung beigetragen hat, forderte Li Keqiang, die Öffentlichkeit | |
| schnell zu unterrichten, damit sie sich ein „klares Bild“ von der Lage | |
| machen könne, wie die Staatsagentur schrieb. Der Premier mahnte, dass die | |
| Ursache der Katastrophe eingehend untersucht und die Verantwortlichen | |
| streng bestraft werden müssten. | |
| Inzwischen haben auch rund 100 Menschen Entschädigung für ihre zerstörten | |
| Häuser gefordert. Sie protestierten am Montag in Tianjin und trugen Plakate | |
| mit Aufschriften wie „Wir Opfer fordern: Regierung, kauf unsere Häuser | |
| zurück“ und „Die Kinder fragen: Wie können wir gesund aufwachsen?“. | |
| Als Reaktion auf das Unglück wurden landesweit Inspektionen im Umgang mit | |
| gefährlichen Chemikalien und Explosivstoffe angeordnet. Der Industrieunfall | |
| in Tianjin zählt zu einem der schlimmsten in China der letzten Jahre. Im | |
| Juni 2013 waren bei einem Feuer in einer Geflügelfabrik in der im Nordosten | |
| des Landes liegenden Provinz Jilin 121 Menschen ums Leben gekommen. Im | |
| August 2014 starben bei einer Staubexplosion in einer metallverarbeitenden | |
| Fabrik in der im Osten liegenden Provinz Jiangsu 97 Menschen. | |
| 17 Aug 2015 | |
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