# taz.de -- CDU-MdB Patzelt über Flüchtlinge: „Anlass genug, um Hallo zu sa… | |
> Der Bundestagsabgeordnete Martin Patzelt lässt zwei Flüchtlinge bei sich | |
> zu Hause wohnen. Dafür bekommt er Hassmails. | |
Bild: Alle unter einem Dach: Bundestagsabgeordneter Martin Patzelt mit seinen n… | |
taz: Was denken Sie, was Ihnen mehr Medienanfragen beschert: dass Sie zwei | |
Flüchtlinge bei sich wohnen lassen oder dass Sie dafür Hass-Mails und | |
Morddrohungen bekommen? | |
Martin Patzelt: Ich denke mal, dass ein Politiker Fremde in seinem privaten | |
Haus wohnen lässt und ihnen dort auch WG-artig Anschluss ans Familienleben | |
gewährt, war die große Geschichte. Durch die Hassmails ist es dann noch mal | |
zusätzlich aufgeflammt. | |
Haben Sie sich von Anfang an auf solche Reaktionen eingestellt? | |
Na ja, wie soll ich mich auf so was einstellen? Ich bin seit der Wende in | |
der Politik, kenne politische Bewegungen von rechts und links. Ich | |
überbewerte so etwas nicht. Wenn ich Zeit hätte, würde ich auf alle E-Mails | |
antworten. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass es mehr bringt, mit | |
Menschen zu reden, anstatt sie in rechts oder links, schwarz oder weiß, und | |
so weiter zu sortieren. | |
Wissen Sie, woher die Mails kommen? Von besorgten Bewohnern aus Ihrem | |
Wohnort? | |
Nein, die Menschen in Briesen oder meinem Wahlkreis sagen mir ihre Meinung | |
über mich meistens persönlich. Vor mehreren Monaten habe ich da auch so was | |
gehört wie: „Wir werden Sie nie wieder wählen.“ Mittlerweile hat sich | |
einiges verändert. Das stärkt meinen Optimismus, dass es etwas bringt, | |
Flüchtlinge aus der Anonymität der großen Gruppe herauszuholen und ihnen | |
Namen und Gesichter zu geben. Ansonsten kann ich nicht nachverfolgen, woher | |
die E-Mails kommen. Ein paar schreiben aber ihre Adresse dazu, was mir | |
Sorgen macht, weil das zeigt, dass sie sich mit ihrer Meinung immer | |
sicherer fühlen. | |
Haben Sie denn Angst und irgendwas unternommen? | |
Nein. Angst habe ich nur davor, dass die allgemeine Stimmung im Land | |
wirklich kippen könnte. | |
Wer sind die beiden Flüchtlinge, die jetzt in Ihrem Haus wohnen? | |
Die beiden jungen Männer, der 19-jährige Haben und der 24-jährige Awet, | |
kommen aus Eritrea. Kennengelernt haben wir sie schon vor Monaten in | |
unserer Kirche. Seit etwa eineinhalb Monaten wohnen sie jetzt mit unserem | |
ältesten Sohn und unserem Neffen in einer WG über uns. Es ist weniger | |
spektakulär, als man denkt. Ich muss und will mich ja auch nicht dauernd um | |
sie kümmern – das sind erwachsene Menschen, die arbeiten gehen, | |
Deutschunterricht nehmen, Bekanntschaften schließen. Ich habe ihnen nur ein | |
paar Wege gebaut, auf denen sie jetzt gehen können. | |
Und wie gehen Haben und Awet damit um, dass Sie Hass- und Drohmails | |
bekommen? | |
Ich habe ihnen nichts davon erzählt, weil es mir das einfach nicht wert | |
ist. Aber die beiden haben selbst im Internet darüber gelesen. Awet hat | |
mich gefragt, ob es stimmt, dass ich bedroht werde. Ich habe ihn gefragt, | |
ob er Angst hat, und ihm versichert, dass er keine haben muss. Awet hat | |
aber geantwortet: „Ich habe Angst wegen dir! Dass dir was passiert.“ Das | |
hat mich schon berührt. Es zeigt ja auch, dass da eine Beziehung gewachsen | |
ist. | |
Wie stark hat Ihnen Ihr Status als Bundestagsabgeordneter bei der Suche | |
nach Praktikumsstellen für Awet und Haben geholfen? | |
Schon viel, glaube ich. Aber das ist in meinen Augen das Wichtigste: Nur | |
durch eine Arbeit kriegt man sie vom Heimalltag weg. Wir hören ja immer nur | |
von der einen Schlägerei oder Messerstecherei und dann wird gesagt: „So | |
sind die!“ Ich würde mal gerne sehen, wie wir Deutsche unter solchen | |
Bedingungen zurechtkämen – ohne zu wissen, was die Zukunft bringt, mit | |
Fremden zusammen, mit denen man sanitäre Einrichtungen und Küche teilen | |
muss. Das ist doch nachvollziehbar, dass das schwer ist. Deshalb bin ich | |
gegen Gemeinschaftsunterkünfte und für privaten Wohnraum für Flüchtlinge. | |
Nur wenige Menschen können Flüchtlingen Praktika verschaffen. Was ist bei | |
der Hilfe für Flüchtlinge aus Ihrer Sicht das Wichtigste? | |
Den Blick auf die Menschen zu richten und zu sehen, dass sie in Not sind. | |
Das nimmt man zum einen durch die Medien wahr, zum anderen kann man aber | |
auch mal in seiner Nähe gucken. Wenn man sich bewusst ansieht, wie | |
Flüchtlinge in Gemeinschaftsunterkünften leben, drängt sich von selbst die | |
Frage auf, warum wir andere Menschen so leben lassen. Das ist schon Anlass | |
genug, um wenigstens mal hinzugehen und „Hallo“ zu sagen. Bis zur Aufnahme | |
im eigenen Haus ist es dann noch ein weiter Weg. Dazwischen findet jeder | |
das Richtige für sich. | |
2 Sep 2015 | |
## AUTOREN | |
Juliane Fiegler | |
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