# taz.de -- Skandal um UN-Mission in Zentralafrika: Blauhelmchef muss büßen | |
> Tötung von Zivilisten und Vergewaltigungen: Erstmals tritt der Chef einer | |
> UN-Mission wegen massiver Vorwürfen gegen seine Soldaten zurück. | |
Bild: Hat jetzt keinen Helm mehr: General Babacar Gaye. | |
STUTTGART taz | Einer der erfahrensten Generäle der Vereinten Nationen | |
nimmt seinen Helm. General Babacar Gaye, Leiter der | |
UN-Stabilisierungsmission in der Zentralafrikanischen Republik (Minusca), | |
reichte am späten Mittwoch seinen Rücktritt ein, nachdem neue schwere | |
Vorwürfe gegen seine Truppen bekanntgeworden waren. | |
Er lege sein Amt auf Wunsch des UN-Generalsekretärs Ban Ki-Moon nieder, | |
präzisierte der senegalesische General in einer Erklärung. Ban nahm den | |
Rücktritt an und lobte Gaye für seine „unermüdlichen Bemühungen“ für d… | |
Frieden, „zuletzt in der Zentralafrikanischen Republik unter extrem | |
schwierigen Bedingungen“. | |
Die schönen Abschiedsworte für den 64-Jährigen verdecken nur unzureichend | |
den beispiellosen Skandal, der diesem in der Geschichte der UN | |
beispiellosen Rausschmiss zugrunde liegt. Hintergrund ist eine Razzia, die | |
eine aus Kamerunern und Ruandern bestehende UN-Blauhelmeinheit am 2. August | |
im Stadtviertel PK5 der zentralafrikanischen Hauptstadt Bangui vornahmen. | |
PK5 ist nach den verbreiteten Pogromen und Massakern an Muslimen im | |
vergangenen Jahr das letzte Viertel in Bangui, wo noch Muslime leben. Hier | |
haben sich auch einige abtrünnige muslimische Milizenführer verschanzt, die | |
den laufenden Demobilisierungsprozess ablehnen. Die Blauhelme sollten nun | |
in PK5 einen Haftbefehl der aktuellen zentralafrikanischen | |
Übergangsregierung gegen Milizenchef Haroun Guèye vollstrecken. Die | |
Operation wurde zum Debakel. | |
## 12-Jährige vergewaltigt | |
Die Blauhelme wurden mit Straßensperren aufgehalten und schossen sich den | |
Weg frei – erst mit Tränengas in großen Mengen und dann auch mit scharfer | |
Munition. Am Ende des Tages gab es mindestens fünf Tote, darunter einen | |
kamerunischen UN-Soldaten, und 30 Verletzte, acht von ihnen UN-Soldaten. | |
Gueye hingegen war immer noch frei. | |
Während die UN-Mission erklärte, sie sei beim nächtlichen Beginn ihrer | |
Razzia „mit Raketen beschossen“ worden und habe sich verteidigen müssen, | |
warf Amnesty International den Blauhelmen massive Gewaltanwendung gegen | |
Zivilisten vor. Ein UN-Soldat ungenannter Nationalität habe ein 12-jähriges | |
Mädchen vergewaltigt. Sie habe sich im Badezimmer ihres Hauses versteckt, | |
als UN-Soldaten um zwei Uhr früh dort eindrangen; als sie schrie, so | |
erzählte sie später, sei ein Mann mit blauem Helm und schusssicherer Weste | |
gekommen, habe ihr den Mund zugehalten, zerriss ihre Kleidung, trug sie in | |
den Hof und stürzte sich auf sie. Laut Amnesty International entspricht der | |
Zustand des Mädchens, das seither von Medizinern betreut wird, ihren | |
Schilderungen. | |
Die UN-Truppen, so Amnesty weiter, seien am 3. August nach PK5 | |
zurückgekehrt und hätten aus Rache für ihren getöteten Kameraden wahllos | |
das Feuer eröffnet. „Der 61-jährige Balla Hadji und sein 16-jähriger Sohn | |
Souleimane Hadji wurden vor ihrem Haus getroffen“, berichtet Joanne Mariner | |
von der Menschenrechtsorganisation. „Balla wurde anscheinend in den Rücken | |
geschossen, Souleimane in die Brust. Ein Nachbar und Augenzeuge sagte: ‚Die | |
schossen auf alles, was sich bewegte‘“. | |
## Ban Ki-Moon bestürzt | |
Zunächst hatte die Minusca nach diesem Einsatz erklärt, die Lage in PK5 sei | |
nunmehr „besser“ und die UNO werde ihre Truppenpräsenz dort verstärken, �… | |
die Bevölkerung zu schützen“. Nach den Vorwürfen von Amnesty International | |
eröffnete sie eine interne Untersuchung. Ob diese zu einem Ergebnis | |
gekommen ist, ist nicht bekannt; ebenso wenig, ob der mysteriöse Amoklauf | |
eines ruandischen UN-Soldaten in Bangui, der am 8. August vier Kameraden | |
tötete bevor er selbst erschossen wurde, damit zusammenhängt. | |
„Es reicht“, sagte der UN-Generalsekretär am Mittwoch vor Journalisten in | |
New York, als er den Rücktritt des Minusca-Chefs bekanntgab. Ban Ki-Moon | |
erklärte, er sei „bestürzt, erzürnt und beschämt“. | |
Der geschasste Babacar Gaye hat eine illustre Karriere hinter sich: | |
Armeechef in seinem Heimatland Senegal und ab 2005 fünf Jahre lang | |
Oberkommandierender der UN-Blauhelme in der Demokratischen Republik Kongo. | |
Seine Tätigkeit in der Zentralafrikanischen Republik war für den | |
Karrieresoldaten das erste zivile Amt – und nun stürzt er über das | |
Verhalten von Soldaten. Kritiker bemängeln allerdings, dass Gaye nun büßt, | |
aber bisher keiner der verantwortlichen Militärs. | |
13 Aug 2015 | |
## AUTOREN | |
Dominic Johnson | |
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