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# taz.de -- Reit-EM in Aachen: Hindernisse abgeräumt
> Für die deutsche Reiterei verlief die Pferde-EM in Aachen wenig
> erfolgreich – Titel gab es dieses Mal nur auf den Nebenschauplätzen.
Bild: Ludger Beerbaum auf Chiara: Fehler am Wassergraben beendeten seinen Medai…
Aachen taz | Schon vor dem letzten Umlauf am Sonntagabend sah man die
deutschen Springreiter auf dem Einreiteplatz im intensiven internen
Austausch – mit Kopfschütteln, Schulterzucken und mürrischen Gesichtern.
Routinier Ludger Beerbaum, 51, war als Einziger in den Wassergraben
geplatscht und hatte trotzdem, auf Platz 8 liegend, noch Chancen auf eine
Medaille. Dann riss er, auch als Einziger, gleich das erste Hindernis.
Knapper Kommentar: „Das ist zum Kotzen, und das meine ich wörtlich.“ Ein
Beweis unterblieb.
So blieben nur die Plätze 7, 8 und 12 im prestigeträchtigen letzten
Wettbewerb der Reit-EM. Schon die Teamwertung war gegen die Niederländer
verloren gegangen. Gold holte deren Topfavorit Jeroen Dubbeldam auf Zenith
(“Ich möchte zuerst dem Pferd danken“). Dubbeldam räumt seit Jahren alle
verfügbaren Einzeltitel ab, schon 2000 war er Olympiasieger. Die
Niederländer beherrschen derzeit den „hippischen Sport“, wie sie im
Landesidiom sagen.
Zweiter wurde der Belgier Gregory Wathelet, Dritter Simon Delestre aus
Frankreich. Mit Christian Ahlmanns dauerschnaubendem Taloubet Z hatten die
Deutschen immerhin das lauteste Pferd. Und sie beherrschten den
Spezieswechsel: Beerbaum sagte, bei ihm sei „der Wurm drin“ gewesen,
Ahlmann (“Uns fehlt die breite Spitze“) lobte Dubbeldams Ritt als
„affengeil“.
Gern hätte man mal wieder so ein knackiges Stechen gesehen. Aber ein
Stechen war gar nicht möglich, weil bei dieser EM alle Reiter über
Zeitverrechnungen in den Qualifikationsumläufen mit einer Punktevorgabe von
zwei Stellen hinter dem Komma ins Finale gingen. Klein-klein statt Stechen
– welche Kulturschande! Wenn es etwas gibt, dass der Pferdesport bis in den
Alltag prägt, dann doch dieses wunderbar ältliche Wort: Stechen. Und das
für wahre Spannung sorgt. Niemand ging dafür auf die Barrikaden. Oder auf
einen Oxer.
Gold für die verwöhnte deutsche Reiterei gab es nur in Nebendisziplinen:
Bei den herrlich antiquierten Vierspänner-Geländefahrten – und im
Voltigieren. Dass Deutsche eine Disziplin beherrschen, bei der es auf
Ästhetik und Eleganz ankommt wie bei diesem spektakulären Turnen auf
kreiselnden Pferden (mit Männern zudem), grenzt schon an eine
Kulturrevolution. Sonst sind Deutsche geeicht auf Kraftmedaillen, etwa bei
der Leichtathletik, siehe Kugelstoßen in Peking. Oder: wenn Haudraufs
Tennis spielen (BumBum Becker).
## Prominente Pferde-Fans
Die AachenerInnen ließen sich feiern (“das beste Pferdepublikum der Welt“).
Und sie feierten am Sonntag tosend wichtige Repräsentanten ihres Landes,
extra aufgerufen und eingeblendet: die Vorprogrammreiterin Ursula von der
Leyen, den Medaillenüberreicher Thomas de Maizière und die exministrablen
Tribünenklatscher Guido Westerwelle und Karl-Theodor zu Guttenberg. Der
zeitweilige Dr. ist jetzt vollbärtig.
Indes, das selbstbeweihräuchernde Glanzbild hatte auch trübe Stellen: Der
Tag der Offenen Tür fand nicht wie sonst beim CHIO (Aachenerisch:
„Tschioo“) am Wochenende statt sondern dienstags. Das Programm war
abgespeckt, die Stimmung mäßig, der Zuspruch deutlich geringer. Für das
Geländereiten, sonst klassischerweise ein eintrittsfreies Familienevent,
nahm man wegen des EM-Etiketts plötzlich 24 Euro, schon für Kinder ab 7.
Die Folge: Die Soerser Wiesen blieben halbleer. Ein Tribünenticket fürs
Springen kostete bis 160 Euro (auch ab 7).
Stolze 369.000 Besucher hatten genügend Geld: EM-Rekord. Indes: Bei einer
auf 12 Tage aufgeblähten Veranstaltung mit vielen Nebenwettbewerben und
Showevents blieb reichlich Leere. Bei der Dressur-Pflicht verloren sich ein
paar tausend Leute im Stadion für 40.000 Menschen. Die italienischen
Titelgewinner im Westernreiten waren sogar sauer: Man habe ihnen gesagt,
alles sei ausverkauft. Und dann kamen statt 6.200 nur 1.500 zur
Mannschaftskür ins kleine Stadion, nur 3.000 zu den Einzeln. Eine Tribüne
war sogar abgehängt – so wie im Klassement die deutschen Springer und
Dressierer. Und Exwunder Totilas kommt nie mehr wieder.
24 Aug 2015
## AUTOREN
Bernd Müllender
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Aachen
Pferdesport
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