# taz.de -- Klimawandel nützt Ökoschweinen: Warme Winter, fettes Fressen | |
> Alle stöhnen über die Wildschweinplage. Bisher hieß es: Schuld sind | |
> Bauern oder Förster. Jetzt zeigt sich: Es ist vor allem der Klimawandel. | |
Bild: Schön warm und reichlich Futter: Das freut den Nachwuchs | |
Berlin taz | Im Klimawandel gibt es nicht nur Verlierer: Zumindest Sus | |
scrofa, das gemeine Wildschwein, fühlt sich in der zunehmenden Wärme | |
sauwohl. In ganz Europa nehmen die Bestände der Tiere deutlich zu. Das | |
liegt an der industriellen Landwirtschaft – aber offenbar noch viel mehr an | |
wärmeren Wintern und einem besseren Nahrungsangebot durch den Klimawandel, | |
wie eine Studie jetzt erstmals nahelegt. | |
Das Forschungsinstitut für Wildtierkunde und Ökologie der | |
Veterinärmedizinischen Universität Wien hat dafür die Daten über die | |
Population der Wildschweine in zwölf europäischen Ländern ausgewertet. Die | |
[1][Studie], die in der Fachzeitschrift Plos One erschienen ist, kommt zum | |
Ergebnis: „Der Klimawandel treibt die Entwicklung der | |
Wildschwein-Populationen direkt an, indem er die negativen Effekte kalter | |
Winter auf das Überleben und die Reproduktion verringert, und indirekt, | |
indem er die Verfügbarkeit der Nahrung verbessert.“ | |
Wie viele der wilden Schweine es in Europa gibt, kann niemand genau sagen, | |
aber die Bestände nehmen großflächig stark zu. Ein wichtiger Grund aus | |
Sicht der Forscher: Kalte Winter, die schwache und junge Schweine kräftig | |
dezimieren, werden deutlich seltener. Gleichzeitig gibt es mehr Eicheln und | |
Bucheckern, „Mastjahre“ mit großem Angebot werden häufiger. | |
Bisher machen Förster und Bauern sich oft gegenseitig für die | |
Wildschweinplage verantwortlich: Bauern pflanzten zu viel Mais, Förster | |
schössen zu wenig der Tiere, lauten die Vorwürfe. „Unsere Daten zeigen: Das | |
Klimasignal ist deutlich stärker als diese Gründe“, sagt Claudia Bieber, | |
einer der Autorinnen der Studie, der taz. „Es gibt einen ganz klaren | |
Klimaeffekt dabei: Die Tiere vermehren sich auch dort, wo kein Mais | |
gepflanzt wird und wo mehr gejagt wird.“ | |
## Bis zu acht Frischlinge pro Wurf | |
Das zeigt, dass der Klimawandel auch im Forst angekommen ist. Schätzungen | |
von Experten gehen davon aus, dass in Deutschland etwa 200.000 Wildschweine | |
leben, die in jedem Jahr bis zu 500.000 Nachkommen in die Welt setzen. | |
Diese Zahl wird durch den Winter und die Jagd zu großen Teilen reduziert – | |
allein 2012/13 erlegten Jäger laut Deutschem Jagdverband über 474.000 | |
Wildschweine. | |
Durch das gute Nahrungsangebot würden die Schweine „bereits mit fünf | |
Monaten, wenn sie 30 Kilo wiegen, geschlechtsreif und können bis zu acht | |
Frischlinge werfen“, sagt Jagdverbands-Sprecher Torsten Reinwald. „Durch | |
den Klimawandel erschließen sich die Tiere neue Lebensräume, man findet sie | |
jetzt auch regelmäßig in den Bergen und Mittelgebirgen.“ Der Lebensraum der | |
Schweine hat sich nach anderen Studien in den letzten 40 Jahren in Europa | |
verdreifacht. | |
„Für uns bleibt die industrielle Landwirtschaft der wichtigste Grund für | |
die Zunahme“, sagt Andreas Kinser von der Deutschen Wildtier Stiftung. Mais | |
und Raps lieferten den Tieren Energie und Deckung, Bäume tragen mehr | |
Bucheckern und Eicheln wegen der hohen Stickstoffeinträge aus der Luft. Die | |
Wildschweine richten Schäden in Wald und Feld an. Noch größer aber ist die | |
Angst unter den Bauern vor der nächsten Schweinepest, mit der sich die | |
wilden und zahmen Schweine gegenseitig infizieren könnten. | |
25 Aug 2015 | |
## LINKS | |
[1] http://journals.plos.org/plosone/article?id=10.1371%2Fjournal.pone.0132178 | |
## AUTOREN | |
Bernhard Pötter | |
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