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# taz.de -- Ausstellung „Frauensache“: „Ohne sie wäre Berlin Provinz“
> Zum 600. Jahrestag der Hohenzollernherrschaft in der Mark Brandenburg
> blickt die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten ab heute auf die
> Frauen am Hof.
Bild: Erstritt zwei wichtige Gebiete für Brandenburg: Kurfürstin Anna von Bra…
taz: Frau Bender, Preußens Königin der Herzen, Luise, kennt jeder. Warum
müssen wir nun auch Marie von Sachsen Weimar oder Kronprinzessin Cecilie
kennenlernen?
Nadja Bender: Weil die Frauen der Hohenzollern interessante Biografien und
dazu beigetragen haben, Brandenburg zu Preußen zu machen. Bislang haben wir
diese Geschichte immer nur als eine Männergeschichte erzählt bekommen.
Die beiden genannten, Marie und Cecilie, stehen für die Spannbreite dessen,
was man mit Preußen assoziiert: Aufklärung und Militarismus. Was
unterscheidet die Königinnen und Prinzessinnen von den Männern auf dem
Thron?
Die Frauen hatten andere Spielräume. Sie mussten anders und geschickter
agieren, mit Netzwerken umgehen. Sie haben Einfluss genommen, in dem sie
zum Beispiel mit den Frauen von Botschaftern gesprochen haben. Und dann gab
es die offiziellen Aufgaben an der Seite des Mannes, also als Landesmutter.
Als Ehefrauen haben sie Preußen oft neue Herrschaftsbereiche erschlossen,
als Mütter waren sie aktiver Teil der preußischen Heiratspolitik. Gab es
auch Konflikte zwischen Pflichterfüllung und individuellen Wünschen?
Diese Konflikte gab es immer, etwa im Bestellen der Erzieher für die
Kinder. Konflikte gab es auch im Bereich der Heiratspolitik. Sophie
Dorothea etwa hat sich andere Heiratspartner für ihre Kinder gewünscht als
ihr Mann Friedrich Wilhelm I., der Soldatenkönig. Sie hatte andere Pläne.
Wer hat sich durchgesetzt?
Der Mann. Friedrich Wilhelm suchte die Nähe zum Kaiserhaus, die Mutter
wollte Preußen stärker mit England verbinden. Aber es gab am Hof auch
Konflikte zwischen Pflicht und Liebe. In der Regel haben die Eltern einen
geeigneten Heiratspartner ausgesucht, da gab es keine großen
Wahlmöglichkeiten. Das ergab in den seltensten Fällen eine Liebesheirat.
Meist aber haben sich daraus Freundschaften und gute Arbeitspaare
entwickelt. Manchmal aber auch nicht: Friedrich Wilhelm II. war während
seiner Ehe in andere Frauen verliebt.
Und als Kontrast dazu Königin Luise und Friedrich Wilhelm III. als
Liebespaar.
Zumindest als funktionierendes, glückliches Ehepaar, das gemeinsam die
Kinder großgezogen hat. Aber man muss auch bedenken, dass Luise früh
gestorben ist. Auch bei denen hätte es also noch Konflikte geben können.
Auffallend ist, dass viele Herrscherinnen ihre Herkunft im Namen tragen,
etwa Elisabeth von Bayern oder Augusta von Sachsen-Weimar. Warum?
Die Herkunft war für die Frauen selbst wichtig, weil sie sich damit
identifizieren konnten. Sie war aber auch für die neue Familie wichtig: Man
war stolz, weil das oft die Namen alter Familien und ehrwürdiger
Geschlechter waren.
Wie klappte es mit der Integration?
Die Frauen mussten immer zwischen zwei Familien agieren: zwischen ihrer
Heimatfamilie und der neuen Familie. Da spielte auch Heimweh eine Rolle,
etwa bei Elisabeth von Bayern, die Frau Friedrich Wilhelms IV. Sie hat in
Brandenburg-Preußen sehr die Alpen vermisst. Aus diesem Grund wurde ihr in
Potsdam ein bayerisches Haus gebaut.
Sie vertreten mit ihren Mitkurator Alfred Hagemann die These, dass die
Frauen der Hohenzollern weitaus mobiler waren als die Männer, die ihr
Herrschaftsgebiet nur selten verließen. Welche Folgen hat das?
Berlin wäre nicht so vielfältig, wenn es nicht diese Mobilität der Frauen
der Hohenzollern gegeben hätte. Sie haben aus ihrer Heimat Neuerungen
mitgebracht, kulturelle und wirtschaftliche Entwicklungen angestoßen. Wenn
die Hohenzollern nur brandenburgische Fürstinnen geheiratet hätten, wäre
Berlin heute keine weltoffene Metropole.
Haben die Hohenzollernfrauen, anders als die Männer, auch pazifistisch
gewirkt?
Sie haben es zumindest versucht. Sie haben über Gesandte und Botschaften
versucht zu vermitteln. Oder sie haben angestrebt, die Auswirkungen der
Konflikte zu mildern. Augusta etwa setzte sich sehr für die Gründung des
Deutschen Roten Kreuzes und die Versorgung verwundeter Soldaten ein.
Bislang sind die Herrscherinnen den meisten Berlinern nur von
Straßenschildern bekannt: Rund um das Schloss Charlottenburg gibt es etwa
die Sophie-Charlotten-Straße und die Königin-Elisabeth-Straße. Warum wird
der weibliche Anteil der Hohenzollerndynastie erst jetzt thematisiert?
Das müssen Sie andere fragen. Für uns war es nach 600 Jahren an der Zeit,
diese Fragen zu stellen und zu versuchen, die Zusammenhänge bewusst zu
machen. Wir haben uns ja angewöhnt, gerade wenn es um Brandenburg Preußen
geht, zu glauben, dass Frauen in der Geschichte keine Rolle spielten. Aber
das stimmt eben nicht. Diese These ist eher das Ergebnis des 19.
Jahrhunderts und der Geschichtspolitik der Kaiser.
Der Anlass der Ausstellung Frauensache ist der Herrscherwechsel in der Mark
Brandenburg vor 600 Jahren. 1415 ging die Mark von den Luxemburgern an die
Hohenzollern, die bis 1918 die preußische Herrscherdynastie bildeten. Da
hätte man sicher auch andere Geschichten anlässlich dieses Jubiläums
erzählen können?
Man hätte ganz viele Geschichten erzählen können. Aber jetzt ist die Zeit
gekommen, die Bedeutung der Frauen für das Entstehen Preußens zu würdigen.
Die Geschichte der Hohenzollern ist eine Familiengeschichte – und nicht nur
eine Männergeschichte.
Gibt es eine Frauenfigur, von der Sie sagen, sie hat ähnlich wie die Luise
das Zeug zur Popikone?
Zur Popikone sicher nicht. Aber zur Ikone von Brandenburg und Preußen
müsste eigentlich Anna von Preußen werden. Dabei ist sie fast genau das
Gegenbild von Luise. Ihre Mutter sagte noch über sie, dass sie nicht
besonders hübsch sei. Aber sie hatte eine Vision und großen Ehrgeiz, der es
sie schließlich schaffen lässt, sich ohne die Hilfe ihres Mannes gegen den
Kaiser aufzulehnen und für ihr Erbe zu kämpfen. Damit machte sie am Ende
tatsächlich Brandenburg zu Preußen.
Warum?
Durch ihren Einsatz für das Erbe fallen die Territorien in Preußen und im
Westen an Brandenburg. Das kleine Kernland Brandenburg reichte nun bis
Königsberg und an den Rhein. Dieses Preußen hätte es ohne Anna nicht
gegeben.
22 Aug 2015
## AUTOREN
Uwe Rada
## TAGS
Frauen
Geschichte
Brandenburg
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