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# taz.de -- Auststellung über Friedrich II. und die Knolle: Neues vom Kartoffe…
> Dass es Friedrich II. war, der die Kartoffel nach Preußen brachte, stimmt
> nicht. Doch das Friedrichjahr ist eine gute Gelegenheit, der Spur von
> König und Knolle nachzugehen.
Bild: Waren früher schön und sind heute schön: blühende Knollen.
Zu den wenig königlichen Zutaten der neuerdings wieder angesagten
Friedrich-Verehrung gehört der Brauch, auf seiner Grabplatte in Sanssouci
Kartoffeln abzulegen. Große Dinger sind darunter, kleine Knöllchen, mehlig-
und festkochende. Hauptsache, Kartoffel. Denn Friedrich II., den seine
Verehrer auch gern einen Großen nennen, ist nicht nur Flötenspieler und
Kriegsherr gewesen, sondern auch Erfinder der Kartoffel – ein
Kartoffelkönig.
So lautet eine der Legenden, die vor allem im Friedrichjahr 2012, in dem
der 300. Geburtstag des Königs gefeiert wird, neue Nahrung bekommen. Andere
Mythen rund um den Preußenkönig sind der geniale Feldherr, der im
Siebenjährigen Krieg die letzte Schlacht für sich entschied, oder der „alte
Mann von Sanssouci“, der noch im hohen Alter und am Krückstock gehend ein
Ohr für die Sorgen des kleinen Mannes hatte. Mit der Ausstellung „König &
Kartoffel“ will das Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte in
Potsdam nun zumindest mit dem Kartoffelmythos aufräumen.
## Hart an der Legende gearbeitet
Wie sehr die Nachwelt an der Legende vom Kartoffelkönig arbeitete, zeigt
das Gemälde „Der König überall“ aus dem Jahre 1886. Hundert Jahre nach
Friedrichs Tod pinselte Robert Warthmüller einen König auf die Leinwand,
der den Fortschritt des Kartoffelanbaus bei einer Inspektion auf dem Lande
persönlich überprüft. „Der König scheint allgegenwärtig oder gibt zumind…
vor, es zu sein“, schreibt Marina Heilmeyer, die die Ausstellung zusammen
mit Antonia Humm kuratiert hat, im Begleitkatalog. „Ein Bild, das bis weit
ins 20. Jahrhundert in Schulbüchern und Zigarettenalben zu finden war.“ Zum
Bild vom „König, der die Kartoffel nach Deutschland brachte“, war es nur
noch ein kurzer Weg. Dabei war es nicht Friedrich II., der die
südamerikanische Knolle erstmals in Berlin anpflanzte, sondern der Große
Kurfürst: Kaum war der Dreißigjährige Krieg vorbei, zog Friedrich Wilhelm
I. nach Berlin – und setzte im Lustgarten die ersten Kartoffeln.
Gleichwohl ist der Mythos vom Kartoffelkönig nicht aus der Luft gegriffen.
Denn mit seinen „Kartoffelbefehlen“ machte sich Friedrich II. tatsächlich
um die Verbreitung der Knolle verdient – allerdings mit bescheidenem
Erfolg, wie ein zeitgenössischer Bericht von Joachim Nettelbeck aus dem
pommerschen Kolberg zeigt: „Dagegen nahmen die guten Leute die
hochgepriesenen Knollen verwundert in die Hände, rochen, schmeckten und
leckten daran“, schrieb Nettelbeck in seinen Lebenserinnerungen 1821.
„Kopfschüttelnd bot sie ein Nachbar dem andern. Man brach sie auseinander
und warf sie den anwesenden Hunden vor, die daran schnupperten und sie dann
liegen ließen.“
Vom Kartoffelbefehl zum Kartoffelanbau war es also ein mühsamer Weg – und
auch da setzt die Erzählung vom König und der Kartoffel an. Gern nämlich
wird kolportiert, dass Friedrich einen Kartoffelacker demonstrativ von
Soldaten bewachen ließ. Neugierig, welch kostbares Gut da so beschützt
wurde, begannen die Bauern die Kartoffeln vom Acker zu klauen und selbst
anzubauen. Mit dieser List, heißt es dann, habe der König sein Ziel
erreicht. Eine wahre Geschichte, weiß Kokuratorin Antonia Humm – nur stammt
sie nicht aus Preußen, sondern aus Frankreich. Dort nämlich hatte Augustin
Parmentier, der französische „Vater der Kartoffel“, zu ebenjener Finte
gegriffen.
## Die soziale Leiter nach oben gestiegen
Mit Geschichten wie diesen erzählt die Schau „König & Kartoffeln“ recht
amüsant von der Erfolgsgeschichte eines Nahrungsmittels, das im 19.
Jahrhundert seinen Siegeszug antrat und als ehemaliges Arme-Leute-Essen
„die soziale Leiter nach oben stieg“, wie es Antonia Humm nennt. Und ganz
nebenbei natürlich auch von der Sehnsucht des Publikums, die
Erfolgsgeschichte auf einen Namen zu bringen: Friedrich, den großen Kämpfer
gegen den Hunger. Glücklicherweise begnügen sich die Kuratorinnen nicht mit
der Dekonstruktion eines Mythos. Sie erzählen die Geschichte der Kartoffel
in Brandenburg-Preußen auch als ein Stück Aufklärung in der Mark und damit
als Wirtschafts- und Sozialgeschichte.
Bereits 1787 hatte Friedrich Nicolai, Verleger und Aufklärer aus Berlin,
die steile These in die Welt gesetzt, „die wichtigsten Tendenzen des 18.
Jahrhunderts seien Friedrich der Große, die Amerikanische Republik und –
die Kartoffeln“. Das war zumindest vom Ernährungsgesichtspunkt aus
betrachtet gar nicht so falsch. Bis zum 18. Jahrhundert, daran erinnert der
letzte Teil der Schau, bestand der Speise- und Getränkezettel vor allem aus
Getreide und Alkohol; Letzterer wurde mangels keimfreien Trinkwassers von
morgens bis abends konsumiert. Im 18. Jahrhundert aber lösten Warmgetränke
wie Tee, Kaffee und Kakao das Bier ab – und mit der Kartoffel kam ein
Lebensmittel auf den Speiseplan, das zwar nicht nach viel schmeckte, aber
bekömmlich war und vor allem Abwechslung in die Ernährung brachte. Damit,
so Antonia Humm, war der Teufelskreis von Unterernährung, Mangelkrankheiten
und mangelnder Produktivität in der Landwirtschaft durchbrochen.
## Die allerletzte Frage gestellt
Auch die allerletzte Frage nach Friedrich und der Kartoffel hat die
Ausstellung gestellt. „Natürlich wollten wir wissen, ob Friedrich selbst
Kartoffeln aß“, sagt Antonia Humm bei einer Einführung in die Ausstellung
am Donnerstag. Deshalb habe man alle Speisepläne aus der Zeit des Königs in
den Archiven durchforstet. Das Ergebnis. „Friedrich hat keine Kartoffeln
gegessen. Die standen erst bei seinem Nachfolger auf dem Speiseplan. Und
zwar als Nahrungsmittel für die Bediensteten.“
Und noch einem Thema hat sich das Kuratorinnenteam gewidmet. Warum hat
Solanum tuberosum, so die lateinische Bezeichnung für die Kartoffel, so
viele Namen? Bei Friedrich heißt die Knolle „Tartuffel“, im Schwabenland
„Grumbire“, anderswo „Erdapfel“. Es war ihre Verbreitung durch Reisende,
die zur Namensvielfalt beitrug. Dabei vermischten sich die Namen aus den
Ländern, woher die Pflanze mitgebracht wurde, mit den lokalen Dialekten.
In der Uckermark heißt die Kartoffel „Nudel“. Zumindest dieser Mythos ist
noch nicht in der Welt: dass Friedrich die Pasta nach Preußen brachte. Aber
vielleicht liegen ja auf dem Königsgrab bald Tagliatelle und Farfalle.
19 Jul 2012
## AUTOREN
Uwe Rada
## TAGS
Frauen
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