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# taz.de -- Steinbach kandidiert nicht mehr: Erika vertreibt sich selbst
> Die hessische Berufsvertriebene Steinbach wird 2017 nicht mehr für den
> Bundestag kandidieren. Aber twittern will sie weiterhin.
Bild: Twittern ist ihre Passion: Erika Steinbach
BERLIN taz | Es gibt Nachrichten, die vertreiben die schlechte Laune. Eine
solche kommt jetzt von einer, die sich mit Vertreibungen bestens auskennt:
Erika Steinbach hat mitgeteilt, sich aus der Politik zurückzuziehen. Leider
erst in zwei Jahren, aber immerhin. Mit ihrer Ankündigung habe sie „vielen
bei Twitter eine Freude gemacht“, [1][twitterte die 72-jährige
Christdemokratin]. Nicht nur dort.
Steinbach hat sich ihren Ruhestand redlich verdient. In diesem Jahr feiert
sie ihr 25-jähriges Dienstjubiläum als Bundestagsabgeordnete. Ihre
Entscheidung, zur Wahl 2017 nicht mehr anzutreten, sei endgültig, gab die
rechte Flügelstürmerin bekannt. Damit kündigt sich das Ende einer Ära an:
Die Zielsicherheit, mit der die nationalkonservative Unionspolitikerin über
Jahrzehnte immer wieder mit politischen Zoten für Aufregung sorgt, gilt im
Berliner Politbetrieb als einzigartig.
Seit die Berufsvertriebene Ende 2011 auch noch Facebook und Twitter für
sich entdeckte, hat sie ihre Aufmerksamkeitsproduktion zur Perfektion
gebracht. Kaum ein Parlamentarier twittert häufiger, schneller,
regelmäßiger – und peinlicher.
In 140 Zeichen um die Welt, das ist ihr zur Passion geworden. Twitter sei
„ein hochinteressantes Medium“, hat die Trägerin des Bayerischen
Verdienstordens hessenschau.de verraten. „Bundestagsabgeordnete solltes es
viel stärker als politisches Medium nutzen, anstatt nur Schönwetteraussagen
zu machen.“ Zumindest scheint das Medium aufgrund der Kürze hervorragend zu
Steinbachs intellektuellen Kapazitäten zu passen.
## Unerschöpfliches Mitteilungsbedürfnis
Sie selbst nutzt es jedenfalls exzessiv: Fast 15.300 Tweets hat die
[2][„Hohlzwitscherin“] (Frankfurter Rundschau) bis heute abgesetzt. Ihr
Mitteilungsbedürfnis scheint schier unerschöpflich, reicht von „Die
durstigsten Pflanzen im Garten! Gerade getränkt“ bis „Köln: SPD fordert
Homo-Ampeln! Man kann es wirklich auf die Spitze treiben!“.
Historisch nicht haltbar, aber legendär [3][ihre kleine Geschichtskunde]:
„Die NAZIS waren eine linke Partei. Vergessen? NationalSOZIALISTISCHE
deutsche ARBEITERPARTEI ...“ Zum Lokführerstreik [4][twitterte Steinbach]:
„Wann automatisiert die DB endlich ihre Züge so, dass die GdL Menschen
nicht mehr tyrannisieren kann?“ Zur Flüchtlingsdiskussion [5][fiel ihr
ein]: „Wenn Kirchen gegen unsere Gesetze Asyl gewähren, warum soll
eigentlich der Staat die Kirchensteuer eintreiben?“
Auch zu Griechenland hat die gelernte Diplomverwaltungswirtin eine klare
Meinung: „Achtung, Griechenland ist das Trojanische Pferd in der EU!“,
„Griechenland wird zum Krebsgeschwür der EU, wenn es im Euro verbleibt!“
oder auch einfach: „Griechenland-Krise: Jetzt sagen WIR mal OXI!“ – um nur
drei Beispiele zu zitieren.
Auch die taz lieferte ihr schon Stoff. „Der Sache muss man nachgehen! Z.B
ob aus dem Min.Schwesig Mittel geflossen sind. Stichwort ‚Kampf gegen
Rechts‘“, [6][twitterte Steinbach] Mitte April. Anlass war ein von ihr
verlinkter [7][Artikel in der taz unter der Überschrift: „Demogeld für
Antifas“]. Was das Mitglied des Bundestagsinnenausschusses nicht bemerkt
hatte: Es handelte sich um eine Satire.
Ihrem Twitterfaible will Steinbach übrigens auch im Politruhestand [8][treu
bleiben]: „Deshalb kandidiere ich doch nicht nochmals. Nur um für Twitter
mehr Zeitzünder haben ;)“, twitterte das Mitglied des Vereins für Polizei
und Schutzhunde e.V. in Frankfurt-Preungesheim am Donnerstag. Was eine
nicht ganz so gute Nachricht ist.
## Hauptleidenschaft Vertriebene
Ihre Hauptleidenschaft galt allerdings stets den Vertriebenen. Von 1998 bis
November vergangenen Jahres amtierte Steinbach als Präsidentin ihres
Dachverbandes, dem einst von strammen Nazis gegründeten Bund der
Vertriebenen. Qualifiziert für den Posten hatte sie sich bereits als junge
Abgeordnete: 1991 stimmte sie im Bundestag gegen die Anerkennung der
Oder-Neiße-Grenze.
Die Nichtanerkennung der deutsch-polnischen Grenze entsprach in gewisser
Weise der Familientradition. Denn Steinbach ist keineswegs ein Kind von
Vertriebenen, sondern von Besatzern. Geboren wurde sie 1943 im sogenannten
Reichsgau Danzig-Westpreußen, und zwar laut ihrer Geburtsurkunde im „Rahmel
Fliegerhorst Nr. 102“.
Nach dem Polenfeldzug waren ihr Vater, ein aus Hanau stammender Feldwebel
der Luftwaffe, und ihre Mutter, eine Luftwaffenhelferin aus Bremen, in das
vom NS-Regime annektierte Gebiet abkommandiert worden. Dass Steinbach den
8. Mai bis heute nicht für einen Tag der Befreiung hält, verwundert da
wenig.
Steinbachs angekündigter Abgang von der Berliner Bühne ist ein nicht ganz
freiwilliger. Ihre Chancen, in zwei Jahren noch einmal von ihrem
CDU-Kreisverband in Frankfurt am Main für ein Direktmandat nominiert zu
werden, standen ohnehin nicht mehr besonders gut. Schon 2013 hatte sie sich
nur noch knapp zweier innerparteilicher Konkurrenten erwehren können.
Selbst in der Union gilt die letzte Repräsentantin der Stahlhelm-Fraktion
mittlerweile als etwas aus der Zeit gefallen.
7 Aug 2015
## LINKS
[1] http://twitter.com/SteinbachErika/status/629011101460639744
[2] http://www.fr-online.de/frankfurt/erika-steinbach-die-hohlzwitscherin,14727…
[3] /!5101669/
[4] http://twitter.com/steinbacherika/status/595162259577503744
[5] http://twitter.com/SteinbachErika/status/562907994808406016
[6] http://twitter.com/steinbacherika/status/588410422551773184
[7] /Proteste-gegen-Pegida-und-Co/!5020381
[8] http://twitter.com/SteinbachErika/status/629193865023590400
## AUTOREN
Pascal Beucker
## TAGS
CDU
Vertriebene
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Bundestag
Schwerpunkt AfD
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Schwerpunkt Krise in Griechenland
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