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# taz.de -- Integration französischer Juden in Israel: Flucht vorm antisemitis…
> Eine Rekordzahl französischer Juden wanderte im vergangenen Jahr nach
> Israel aus. In der Mittelmeerstadt Netanja fanden viele eine neue Heimat.
Bild: Solidaritätsbekundung nach der Geiselnahme und Tötung von vier Juden in…
Netanja ap | Die Schule ihrer Kinder lag gegenüber des Supermarktes in
Paris, in dem ein Geiselnehmer im Januar vier Juden tötete. Dies war der
letzte Anstoß für Fanny Rhoum, nach Israel auszuwandern. Die 33-Jährige ist
eine von Tausenden französischen Juden, die das europäische Land verlassen
haben und ein neues Leben in Israel beginnen.
Hauptgrund sind die antisemitischen Übergriffe, deren Zahl in Frankreich
bereits vor dem Anschlag Anfang des Jahres in der Hauptstadt deutlich
zugenommen hatte. Viele der Auswanderer suchen ihr Glück in der Stadt
Netanja am Mittelmeer, gerne auch „israelische Riviera“ genannt.
2014 kamen nach Angaben der für Einwanderung zuständigen Jewish Agency die
meisten der Menschen, die nach Israel emigrierten, aus Frankreich – 7.200
Personen, doppelt so viel wie im Jahr zuvor. Rund 2.000 von ihnen ließen
sich in Netanja nieder.
Dort ist der französische Einfluss inzwischen unübersehbar: Werbung und
Infotafeln gibt es auch in französischer Sprache, ebenso Speisekarten in
Restaurants. Bäckereien haben eröffnet, in denen es Baguette und Croissants
zu kaufen gibt. Auf der Strandpromenade und in Cafés sprechen fast mehr
Menschen miteinander französisch als hebräisch.
## „Kein Ort, um jüdische Kinder aufzuziehen“
Die meisten sind hierhergekommen, weil sie antisemitische Übergriffe in
ihrer früheren Heimat fürchteten. Wie Fanny Rhoum, die drei Tage nach dem
Anschlag im Januar in Paris nach Israel flog, um dort ihre Auswanderung
vorzubereiten. „Hier haben wir das Gefühl, dass wir uns selbst verteidigen
können“, sagt sie. „Dort hatten wir den Eindruck, dass wir auf uns selbst
gestellt sind.“
Wie Rhoum ist auch die 63-jährige Jeanette Malka vor wenigen Tagen für
immer nach Israel gegangen. Sie habe mit der Auswanderung gewartet, bis sie
verrentet worden sei, erzählt sie. Nun hofft sie, dass ihre Kinder und
Enkel bald nachkommen. „Es ist kein Ort, um jüdische Kinder aufzuziehen“,
sagt sie über Frankreich. Ihr Mann Chaim trägt eine Kippa - etwas, wie er
berichtet, was er sich in Paris öffentlich nie getraut hätte.
Seit dem Holocaust hätten sich Juden in Europa nicht mehr so bedroht
gefühlt wie jetzt, haben Experten festgestellt. Übergriffe gab es in
Belgien, Dänemark und anderen Staaten, nirgendwo aber so viele wie in
Frankreich. Täter waren häufig islamische Extremisten. In einigen Fällen
hatte das Motiv, das hinter den Taten stand etwas mit der israelischen
Politik in Bezug auf die Palästinenser zu tun, meist aber waren es
antisemitische Übergriffe.
In Frankreich leben etwa 500.000 Juden – es ist die größte jüdische
Gemeinde in Europa. Der Anteil der Juden an der französischen Bevölkerung
macht etwas weniger als ein Prozent aus; aber etwa 50 Prozent der
rassistisch motivierten Angriffe in dem Land richteten sich 2014
offiziellen Angaben zufolge gegen sie.
## Netanja hat sich auf Neuankömmlinge eingestellt
Ariel Kandel von der Jewish Agency berichtet, nach dem Anschlag auf eine
jüdische Schule in Toulouse 2012, bei dem drei Kinder und ein Rabbi ums
Leben gekommen waren, sei die Zahl jüdischer Einwanderer aus Frankreich in
die Höhe geschnellt.
Nach der Ermordung der vier Juden im Pariser Supermarkt in diesem Januar -
die mit einer Geiselnahme verbundene Tat ereignete sich kurz nach dem
Anschlag auf die Redaktion der Satirezeitschrift „Charlie Hebdo“ – hatte
der israelische Premierminister Benjamin Netanjahu die Juden in Frankreich
öffentlich aufgerufen, nach Israel zu kommen. Die französischen Behörden
hatten darauf mit Empörung reagiert.
Aber seitdem hat sich im Vergleich zum Vorjahreszeitraum die Zahl der
französischen Juden, die nach Israel auswandern wollen, noch einmal um zehn
Prozent erhöht. Viele von ihnen werden nach Netanja kommen.
Dort hat man sich auf die Neuankömmlinge eingestellt, wie Freddo Pachter
sagt, der für die Integration der Franzosen zuständig ist. Viele von ihnen
sprechen nur Französisch, also gibt es alle notwendigen Informationen in
französischer Sprache; in Schulen und Unternehmen werden ebenfalls Menschen
eingestellt, die Französisch sprechen.
Die Einwanderer aus dem europäischen Land sind höchst willkommen, denn
meistens handelt es sich um ausgebildete Fachkräfte mit zionistischen
Idealen. „Israel will in sie investieren, weil feststeht, dass sie bleiben
werden“, sagt Pachter. Es handele sich um eine Investition, die sich
langfristig auszahlen werde.
2 Aug 2015
## AUTOREN
Aron Heller
## TAGS
Israel
Antisemitismus
Charlie Hebdo
Holocaust
Schwerpunkt Frankreich
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