Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Die Wahrheit: The Germany Shop
> Es muss beim Reisen nicht die Antarktis sein. Ein Besuch in Meersburg am
> Bodensee tut‘s manchmal auch.
Eben hielt ich mich noch für die Speerspitze des gehobenen
Lifestylefeelings, da erfuhr ich auf einem Ehemaligentreffen, dass man
absolut nicht mehr mitreden kann, wenn man seine Ferien nicht in Vietnam
verbringt, und zwar entweder in stickigen Überlandbussen oder auf dem
luftigen Motorrad.
Meine Generation, ich nenne sie mal die Generation H (wie Hatzuviel),
bricht neuerdings wieder ins Ungewisse auf wie einst mit Interrail. Wenn
irgendwann die Schwankungen des eigenen Cholesterinwerts das einzige
Abenteuer im Leben darstellen, muss man dringend gegensteuern.
Leider war mein Urlaub schon gebucht, und ich durfte mich nun uncool in
einem komfortablen Hotel am Bodensee mopsen. Ich hatte einen Musiker und
jede Menge Bücher dabei, für Unterhaltung war also ausreichend gesorgt. Um
den Cholesterinwert kümmerte sich die Küche.
Wenn der Liebste mit anderen Musikern irgendwas anstellte, wovon ich nichts
verstehe, spazierte ich einfach zwischen Hopfenfeldern herum und verirrte
mich in Brennnesselwiesen. Einmal hätte ich es fast nicht bis zum
Mittagessen nach Hause geschafft! Das sollen die in Vietnam mir erst mal
nachmachen.
Das ultimative Abenteuer aber war „The Germany Shop“ in Meersburg. An den
Bodensee fahren ja nicht nur deutsche Schreiberinnen mit Rentnermentalität;
nein, die ganze Welt besucht uns in Lindau und Konstanz. Denn dort sind wir
am deutschesten, nicht etwa in Friedrichshain oder Hanoi. Und in Meersburg
kauft man dann seine Erinnerungen: Bierkrüge, die „Steins“ heißen und auch
so aussehen. Ich kenne niemanden, der freiwillig aus so was trinkt. Vom
Lederhosenquatsch fange ich gar nicht erst an, und T-Shirts mit Botschaften
– bitte. Wir sind ein freies Land.
Allerdings war ich weniger deprimiert, als ich noch nicht wusste, dass es
Mini-Kuckucksuhren als Kühlschrankmagneten gibt. Und auch bei 30 Grad im
Schatten möchten internationale Besucher – das setze ich hier mal als
politisch korrekte Bezeichnung für Amerikaner und Japaner –
Christbaumkitsch shoppen können.
Darüber hinaus, und das war mein persönliches Lieblingsobjekt, gibt es in
„The Germany Shop“ deutsche Landschaften in
Fernsehapparatgehäusenachbildungen zu kaufen. Mit sanften Hügeln, Bodensee,
Beleuchtung, Zug und Tunnel. In verschiedenen Größen. Entworfen von
Designern, die vermutlich ihr Büro und ihr Hirn in einem Kreuzberger
Hinterhof ohne Tageslicht deponiert haben, dafür aber ihren Urlaub in
Ho-Chi-Minh-Stadt verbringen.
Darüber kann man lange nachdenken. Warum Fernsehgehäuse? Ist das ein
dezenter Verweis auf die Simulation der ganzen Angelegenheit? Warum nicht
Waschmaschinen? Die haben schließlich auch ein Guckloch, und wo doch hier
alles immer so sauber … ich will es gar nicht wissen. Ich melde einfach die
deutsche Landschaftswaschmaschine zum Patent an, und von den Lizenzgeldern
reise ich nächstes Jahr als Trendsetterin in die Antarktis.
12 Aug 2015
## AUTOREN
Susanne Fischer
## TAGS
Reisen
Tourismus
Bodensee
Mütter
Gunter Gabriel
Provinz
Lifestyle
Zahnarzt
## ARTIKEL ZUM THEMA
Die Wahrheit: Muttitasking
Die deutsche Mutti kann gleichzeitig kotzen und über den Einkauf von morgen
nachdenken und ist überhaupt unglaublich.
Die Wahrheit: Geschichte lernen mit Gunter Gabriel
In der Weltstadt Barsinghausen bei Hannover tritt der große Barde der
Country-Musik auf und verkündet seine sehr eigene Sicht der Weltereignisse.
Die Wahrheit: Städter welcome
Wer im Urbanen beheimatet ist, der weiß nichts von den Diskursen auf dem
Land, dabei sollte er dort dringend mal vorbeischauen.
Die Wahrheit: Mohnbrötchenintoleranz
Sind Hammerzehen besser als die Unverträglichkeit von Milchzucker? Das wäre
mal eine Abwechslung im Reich der Unbekömmlichkeiten.
Die Wahrheit: Geplagtes Bauerntrampel
Berliner Barmenschen sind cool, ach so cool. Doch hinter ihrem hippen
Lifestyle steckt nichts als nervtötendende Unfreundlichkeit.
Die Wahrheit: Sag es mit Blumen
Sie schmeckte entsetzlich und war furztrocken. Die nächtliche Praline in
der Geschenktüte förderte zudem jede Menge Gemeinheiten zu Tage.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.