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# taz.de -- Homofantasien bei Slash-Fiction: Wenn Sherlock die Rosette leckt
> Bei Slash-Fiction beschreiben Fans, wie männliche Serien-, Film- oder
> Romanhelden miteinander Sex haben. Vor allem junge Frauen sind die
> AutorInnen.
Bild: Friends with Benefits? Der neue BBC-Sherlock (l.) und Watson.
„Sherlock bekommt fast keine Luft mehr, zu fest drückt ihm Watson das
Gesicht ins Kissen. Der Assistent holt seinen großen, pulsierenden Schwanz
hervor. Der Detektiv wimmert, als er spürt, wie ihm Watson die Hose
herunterreißt.“
„Heiß, oder?“, fragt Valerie Vogt, die ihren echte Namen nicht in der
Zeitung lesen will. Sie hat diese Zeilen geschrieben. Fast jede Woche
verfasst die 17-Jährige einen neuen Text über Sherlock und Watson, wie sie
einen neuen Fall lösen und miteinander ins Bett gehen. Die Texte
veröffentlicht sie online. Sie ist eine sogenannte Slash-Fiction-Autorin.
Slash ist ein Untergenre der Fanfiction. Wo meist junge Fans sonst
Originalwerke aufgreifen und fiktiv fortschreiben, hat die Slash-Fiction
einen sehr speziellen Fokus. In diesen Geschichten verlieben sich die
männlichen Protagonisten einer Serie, eines Buchs oder eines Films
ineinander, outen sich und haben Sex – auch wenn sie im Original eigentlich
heterosexuell sind.
## Es geht hart zur Sache
Das erste männliche Paar, das von Fans miteinander verkuppelt wurde, waren
Kirk und Spock, Figuren aus der Serie „Star Trek Enterprise“. Seit den
1960er Jahren haben Trekkies immer neue Geschichten über den Sex zwischen
dem Captain und seinem Lieblingsvulcanier geschrieben und in Fanmagazinen
veröffentlicht. Zusammengefasst wurden diese Geschichten unter dem Titel
„K/S“ für Kirk und Spock. Der Schrägstich (englisch: „slash“) gab dem…
seinen Namen.
Slash-Fiction ist schon lange keine Nische mehr. Immer mehr Texte werden
auf entsprechenden Internetforen veröffentlicht. Von den „Avengers“ über
„Harry Potter“ bis hin zu „Herr der Ringe“: Es gibt beinahe kein
literarisches oder filmisches Werk von dem es nicht auch Slash-Fiction
gibt. Die meisten AutorInnen sind zwischen 16 und 25 Jahren und weiblich –
genau wie Valerie.
Sie sitzt in ihrem Kinderzimmer in einem Einfamilienhaus in
Berlin-Charlottenburg. An ihrer Wand hängen Poster von Dutzenden
Serienhelden. Aber nur von zwei Serien schreibt sie Slash-Fiction: von
„Sherlock“ und von der Mystery Serie „Supernatural“.
„Das sind die Serien, bei denen ich die Protagonisten am attraktivsten
finde. Deshalb schreibe ich diese Geschichten. Es turnt mich an, mir
vorzustellen, wie sich diese Männer berühren und miteinander Sex haben.
Dabei kann es auch gerne mal härter zur Sache gehen“, sagt sie. Sie errötet
leicht, scheut den Blickkontakt.
## Es geht auch um Gefühle
Zunächst hat sie normale Fanfiction mit ihren Lieblingshelden geschrieben.
Im Laufe der Zeit wurden ihre Texte immer sexualisierter. „Am Anfang haben
sie sich ganz vorsichtig in einander verliebt. Es geht in meinen Texten
auch um Gefühle. Bei Supernatural hab ich zum Beispiel beschrieben, wie die
beiden Protagonisten, die ja Brüder sind, erst einmal entdecken, dass sie
gar nicht verwandt sind, um sich dann ineinander zu verlieben“.
Aus dieser schüchternen Liebe wurde dann Sex und den beschreibt sie
mittlerweile so deutlich, dass sie ihre Leidenschaft für das Schreiben von
Slash-Fiction ihren Eltern verheimlicht: „Ich hab das Gefühl, sie würden
das nicht verstehen“, meint Valerie.
Sie postet ihre Texte auf Foren wie dem englischsprachigen
[1][Fanfiction.net], dem größten von allen. Bei [2][Fanfiktion.de], dem
größten deutschsprachigen Forum für Fanfiction und Slash-Fiction, wurden
nach eigenen Angaben etwa 100.000 Slash-Texte, etwa 59.000 mit expliziten
Sexbeschreibungen, veröffentlicht. 93 Prozent der AutorInnen dort sind
weiblich und im Durchschnitt etwa 22 Jahre alt.
Dass vor allem junge heterosexuelle Frauen solche Geschichten schreiben,
wundert den Sexualforscher Professor Heinz-Jürgen Voß nicht. Sie würden
sich immerhin zu Männern hingezogen fühlen. Sie sind experimentierfreudig
und haben wenig Probleme damit, sich mit gleichgeschlechtlichen Beziehungen
unter Männern auseinanderzusetzen. „Frauen scheinen darüber hinaus auch
popfeministisch dafür zu streiten, nicht weiter passiv Sexualobjekt zu
sein, sondern sie sind auch in Bezug auf Sex und auch in Beziehungen taff
und bestimmen deutlicher, was im Bett oder auf der Wiese passiert“, erklärt
Voß weiter.
Auch Valerie ist sexuell aufgeschlossen: „Ich bin heterosexuell, aber ich
hab das Gefühl, ich lerne viel aus dem Sex, den ich beschreibe. Ich
recherchiere und tausche mich auch mit anderen AutorInnen aus. So lerne ich
auch, was mir gefällt und was nicht.“ Was sie selbst nicht mag, heftige
Fesselspiele zum Beispiel, beschreibt sie auch nicht. Zwar schreibt sie
über den Sex von zwei Männern, „aber sie haben den Sex, den ich gut finde.�…
## Einer dominant, einer devot
Neben der Experimentierfreude macht auch die Identifikation mit dem
Protagonisten den Reiz der Slash-Fiction für junge Frauen aus. Der
US-amerikanische Literaturwissenschaftler Henry Jenkins glaubt, dass sich
die AutorInnen mit dem männlichen Charakter identifizieren, weil es selten
starke Frauenfiguren gibt. So ist es auch bei Valeries Lieblingsserien.
Starke Frauen tauchen – wenn überhaupt – nur kurzzeitig und in Nebenrollen
auf.
Verständlich, dass nur männliche Personen zur Identifikation bleiben. Das
wird auch deutlich bei der Figurenkonstellation in vielen Texten der
Slash-AutorInnen. Bei dem homosexuellen Paar wird einer oft übermäßig
weiblich beschrieben: Er kichert ständig, klimpert mit den Wimpern und ist
der Devote in der Beziehung; derjenige, der vom Dominanten, dem männlichen
Part verführt und geführt wird. Alles sehr klischeebehaftet. Es wird
angenommen, dass die AutorInnen in ihrer Fantasie den devoten Part
ausfüllen und letztlich so Sex mit ihrem Lieblingshelden haben können.
Valerie mag diese Art der Slash-Fiction nicht sonderlich. „Keine Beziehung
funktioniert so, dass immer der Mann dominant ist und die Frau devot. In
meinen Texten sind meine Figuren beides. In meinen Fantasien bin ich ja
auch beides“, erzählt sie und blickt auf ihr „Sherlock“-Poster. „Ich b…
auch nicht alleine mit dieser Meinung“.
## Nur für die Aufmerksamkeit?
Tatsächlich gibt es in den entsprechenden Foren immer wieder heftige
Diskussionen rund um Slash-Texte. Diese scheinen die Forenmitglieder zu
spalten. Einerseits werden sie häufig gelesen und kommentiert. Gleichzeitig
beschweren sich viele, wie einseitig-sexuell die Geschichten seien, wie
schlecht geschrieben und dass es den jungen AutorInnen nur um die
Aufmerksamkeit geht.
Valerie glaubt das nicht: „Fanfiction ist generell eher versext. Was macht
es da für einen Unterschied, ob da Frau und Mann miteinander schlafen oder
Mann mit Mann. In allen Formen kommt es zu seltsamen Paarungen oder
komischen Sexbeschreibungen. Da macht es keinen Unterschied, ob da eine
Vagina geleckt wird oder eine Rosette. Nur das Letztere finde ich heißer,
deswegen beschreibe ich es“, sagt die junge Autorin selbstbewusst und lädt
ihre nächste Geschichte in einem Forum hoch. In dieser findet Sherlock
heraus, dass sein letztes Intermezzo mit Watson Folgen hat. Er ist
schwanger.
Findet sie das noch sexy? „Eher nicht, aber ich dachte, es sei ein witziger
Plottwist“, sagt die 17-Jährige und drückt auf Enter.
6 Aug 2015
## LINKS
[1] http://www.fanfiction.net/
[2] http://www.fanfiktion.de/
## AUTOREN
Laila Oudray
## TAGS
Schwerpunkt Gender und Sexualitäten
Homosexualität
Held
Harry Potter
Star Trek
GCHQ
Serie
Hollywood
Luft und Liebe
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