| # taz.de -- Debatte um Prostitution in Südkorea: Frau Kim kämpft um ihren Job | |
| > Sexarbeit ist in Südkorea offiziell verboten und doch sehr weit | |
| > verbreitet. Prostituierte fordern nun, dass ihre Arbeit legalisiert wird. | |
| Bild: „Ist das, was wir tun, etwa schlimmer als Diebstahl?“ Prositutiertend… | |
| SEOUL taz | Für Kim Jeong Mi gehören Polizeirazzien zum Alltag, schließlich | |
| arbeitet die Südkoreanerin seit ihrem 24. Lebensjahr im Rotlichtgewerbe. | |
| Doch in einer Julinacht 2012 beließen es die Beamten nicht dabei, | |
| gebrauchte Kondome als Beweisstücke einzusammeln und den frisch ertappten | |
| Freier abzuführen. Sie befahlen auch der 43-jährigen Kim, zur Wache | |
| mitzukommen. Dort verhängten sie der Prostituierten eine Geldstrafe von | |
| umgerechnet 400 Euro – das Zwanzigfache des Preises ihrer sexuellen | |
| Dienste. | |
| Doch als erste ihrer Zunft wehrte sich Kim und verklagte den | |
| südkoreanischen Staat. „Ist das, was wir tun, etwa schlimmer als | |
| Diebstahl?“, fragte sie vor Gericht. Das Prostitutionsverbot würde gegen | |
| ihre Menschenrechte verstoßen, denn für sie sei Sex die einzige | |
| Einkommensquelle, um über die Runden zu kommen. | |
| Ihr Fall löste eine Grundsatzdebatte aus: Wie soll die Gesellschaft mit | |
| ihren Sexarbeiterinnen umgehen? Niemand redet darüber, offiziell gibt es | |
| sie nicht, und doch ist Prostitution so allgegenwärtig wie in kaum einen | |
| anderen OECD-Staat: 3,5 Prozent aller Frauen zwischen 20 und 40 verdienen | |
| laut Regierungsschätzungen mit Sex ihren Lebensunterhalt. | |
| Prostitution galt lange als so selbstverständlich in Südkoreas | |
| chauvinistischer Arbeitswelt, dass das Frauen- und Familienministerium noch | |
| 2006 männlichen Angestellten finanzielle Anreize bot, wenn sie erklärten, | |
| im Rahmen feierabendlicher Trinkgelage unter Kollegen keine sexuellen | |
| Dienste mehr zu kaufen. | |
| Laut den jüngsten staatlichen Erhebungen von 2007 tun das ein Fünftel aller | |
| Männer im Berufsalter mindestens viermal im Monat. Die Sexindustrie setzt | |
| demnach jährlich über 12 Milliarden Euro um. Zugleich stellt Südkorea die | |
| meisten Sextouristen in Südostasien und exportiert Tausende Prostituierte | |
| etwa nach Australien und in die USA. | |
| ## Hardlinerin fordert Legalisierung | |
| Nachdem die teils menschenunwürdigen Arbeitsbedingungen für Prostituierte | |
| durch einen tragischen Fall im Jahr 2002 ans Licht kamen, wurde das Kaufen | |
| und Verkaufen von Sex verboten. In der Stadt Gunsan starben bei einem Brand | |
| 14 Frauen, die wie Sklaven in einem Bordell eingesperrt waren. Derzeit | |
| drohen Prostituierten und Freiern bis zu ein Jahr Gefängnis oder | |
| Geldstrafen von über zweitausend Euro. | |
| Für Prostituierte wie Kim Jeong Mi sind es keine guten Zeiten fürs | |
| Geschäft: In einer zehn Quadratmeter Hütte arbeitet sie sechs Nächte die | |
| Woche von sieben Uhr abends bis vier Uhr früh. Meist sind es ältere, | |
| alkoholisierte Männer, um deren Gunst Kim in einem einst florierenden | |
| Rotlichtviertel im Nordosten von Seoul wirbt. Viele ihrer Kolleginnen dort | |
| sind bereits in den 50ern und 60ern. Mit jedem weiteren Jahr sinkt ihr | |
| Marktwert. | |
| Nun könnte das strenge Antiprostitutionsgesetz fallen. Die größte | |
| Befürworterin der Legalisierung ist ausgerechnet eine frühere Hardlinerin: | |
| Einst führte Seouls Polizeichefin Kim Kang Ja eine regelrechte Hetzjagd | |
| gegen die Prostituierten. Heute tritt sie als Professorin für staatlich | |
| registrierte Bordelle ein und möchte die Infrastruktur für Aussteigerinnen | |
| aus der Sexindustrie verstärken. | |
| „Die derzeitige Rechtslage drängt das Gewerbe nur weiter in den | |
| Untergrund“, sagt sie. Zwar hat sich die Zahl der Prostituierten in den | |
| Rotlichtbezirken innerhalb der letzten Dekade von über 9.000 auf 5.000 | |
| reduziert, doch zugleich bieten immer mehr Frauen sexuelle Dienste über | |
| Smartphone-Apps, in Karaoke- und Cocktailbars, Motels, Friseur- und | |
| Massagesalons an. | |
| ## Kontrollen im Akkord | |
| Zudem verfügt die Polizei über zu wenig Ressourcen, um das Gesetz effektiv | |
| umzusetzen. In Seouls noblem Geschäftsviertel Gangnam klagen Polizisten | |
| darüber, dass Kleinstteams von fünf Leuten bis in die Morgenstunden | |
| Bordelle im Akkord überprüfen müssten. Solange sie Freier und Prostituierte | |
| nicht auf frischer Tat ertappen, blieben ihnen die Hände gebunden. Trotzdem | |
| ermittelt Südkoreas Polizei derzeit in 8.600 Fällen der Prostitution. | |
| Auch wenn das Kaufen von Sex in Südkorea allgegenwärtig ist, bleibt die | |
| Gesellschaft dennoch prüde: Über die Hälfte der Bevölkerung gab in einer | |
| Umfrage an, Prostitution sei unter keinen Umständen zu rechtfertigen. | |
| 1 Aug 2015 | |
| ## AUTOREN | |
| Fabian Kretschmer | |
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