# taz.de -- Vierter Jahrestag des Breivik-Anschlags: Eine Ruhmeshalle für Terr… | |
> Sollte ein Terrorist möglichst vergessen werden? Oder sollte seiner Taten | |
> gedacht werden? Opferangehörige streiten um eine Breivik-Ausstellung. | |
Bild: Wie dem Anschlag gerecht werden? Gedenkstätte mit Blick auf Utøya (Arch… | |
STOCKHOLM taz | „Ich habe die Befürchtung, dass er damit seine eigene | |
kleine „Hall-Of-Fame“ bekommt. Viel lieber möchte ich, dass er ganz | |
vergessen wird und da, wo er jetzt sitzt, auch keinerlei Aufmerksamkeit | |
mehr bekommt.“ Tor Østbø hat seine Ehefrau beim Bombenanschlag auf das | |
Regierungszentrum in Oslo am 22. Juli 2011 verloren. Und den er da am | |
liebsten ganz vergessen haben möchte ist der Terrorist Anders Behring | |
Breivik. Dessen Terrortaten sind Thema einer Informationsausstellung, die | |
am Mittwoch, dem vierten Jahrestag des Anschlags, in Norwegens Hauptstadt | |
eröffnet wird. | |
Sie hat schon vorab Kontroversen ausgelöst. Denn in der Ausstellung werden | |
auch Exponate zu sehen sein, die Breivik für seine Autobombe und das | |
Massaker auf der Insel Utøya verwendet hatte. Taten, die 77 Menschen das | |
Leben kosteten. Dass man neben Bildern und Texten unter anderem auch Reste | |
des mit Sprengstoff vollgeladenen Transporters, die gefälschte Polizeimarke | |
und -uniform zeigt und den Ausrüstungskoffer den Breivik auf Utøya dabei | |
hatte, sei doch genau das, was der Terrorist beabsichtigt habe, sagte Østbø | |
vergangene Woche im norwegischen Fernsehen NRK: „Er suchte Aufmerksamkeit, | |
bekam Aufmerksamkeit und bekommt sie jetzt erneut.“ | |
Manche Opferangehörige haben sich mit ähnlichen Bedenken zu Wort gemeldet. | |
Doch es sind Vereinigungen von Überlebenden und Angehörigen der | |
Terroropfer, die die jetzige Ausstellung initiierten. Sie soll einmal Teil | |
einer permanenten Gedenkstätte werden und es sei wichtig für die | |
Demokratie, diese Terrortaten zu dokumentieren, sagt Tor Einar Fagerland, | |
einer der Ausstellungsverantwortlichen und Geschichtsprofessor an Norwegens | |
Technischer Universität in Trondheim. | |
„So sehr man auch Lust haben mag, Breivik einfach zu vergessen, sind Wissen | |
und Offenheit rund um diese Grausamkeiten Sauerstoff für eine lebendige | |
Demokratie“, sagt Fagerland. „Solch einen Platz zu haben, wo die | |
Geschehnisse dokumentiert werden – das ist von großer Bedeutung für die | |
Gesellschaft und künftige Generationen.“ | |
Man habe sich bemüht, den Terroristen gerade nicht zu mythologisieren und | |
deshalb auf die meisten theoretisch möglichen Exponate – etwa Waffen – | |
verzichtet, betont Fagerlund. Ausgewählt wurden nur wenige Gegenstände, die | |
wichtig seien, um das Geschehene verständlich zu machen. In der gesamten | |
Ausstellung komme auch nicht Breivik zu Wort, sondern die Opfer und ihre | |
Angehörigen: „Der Fokus liegt auf den Betroffenen.“ Das Erste, was einem in | |
dieser Ausstellung begegne, seien Fotos mit den Gesichtern der 77 Menschen, | |
die dem Terroristen zum Opfer gefallen waren. | |
Doch gerade die wenigen Artefakte könnten Breivik-Sympathisanten anziehen, | |
kritisiert beispielsweise Kjetil Stormark, Journalist und Verfasser zweier | |
Bücher über Breivik: Auf die werde das eine „magische Anziehungskraft“ | |
haben. Die Ausstellung könne zu einem „Mekka für Antiislamisten und | |
Rechtsradikale“ werden. Verhindern könne man das sicher nicht, sagt eine | |
Sprecherin des für die Ausstellungsräume zuständigen Kommunalministeriums: | |
Man habe sich jedenfalls darauf vorbereitet, sollten sich Besucher | |
„unpassend“ verhalten. | |
## Erstmals wieder auf Utøya | |
Eine Gedenkstätte sei besser, als der Versuch die Taten „unter den Teppich | |
zu kehren“, sagt Aage Storm Borchgrevink, Literaturwissenschaftler an der | |
Universität Oslo und ebenfalls Verfasser eines Breivik-Buchs: „So wie die | |
Geschichte hier erzählt wird, wird sie den Status von Breivik nicht etwa | |
steigern, sondern eher dazu beitragen, dass viel von seiner vermeintlichen | |
Glorie verschwindet.“ | |
Für den Jungsozialisten-Vorsitzenden Mani Hussaini ist die Ausstellung vor | |
allem deshalb wichtig, weil sie auch dokumentiere, was in den Stunden und | |
Tagen nach den Anschlägen passiert sei. „Diese Gemeinschaft, die es dann in | |
unserem Land gab, war etwas so Schönes“, so Hussaini. „Künftige | |
Generationen sollen wissen, dass unsere Antwort auf den Täter war, gerade | |
für die Werte einzustehen, die er vernichten wollte.“ | |
Die Jungsozialisten werden in diesem Jahr erstmals seit 2011 wieder ihr | |
traditionelles Sommerlager auf der Insel Utøya veranstalten. Es beginnt am | |
6. August und mit 1.000 TeilnehmerInnen haben sich so viele Jugendliche | |
angemeldet, wie noch nie zuvor. | |
21 Jul 2015 | |
## AUTOREN | |
Reinhard Wolff | |
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