# taz.de -- Kolumne Der rote Faden: Wir werden es überwinden | |
> In Texas stirbt eine Afro-Amerikanerin im Knast, in Charleston agitieren | |
> Rassisten auf der Straße. Und „The Donald“ macht einen Bauchklatscher. | |
Bild: Helfen, egal wem. So sieht es Leroy Smith aus Charleston – und ignorie… | |
„We shall overcome. I’ll be all right someday.“ Wir werden es überwinden. | |
Eines Tages wird es mir gut gehen. [1][Der Song ist einer der bekanntesten | |
Protestsongs] in der US-amerikanischen Geschichte. Seit 50 Jahren Symbol | |
der Bürgerrechtsbewegung, Präsident Lyndon B. Johnson zitierte ihn [2][1965 | |
in seiner Rede], in der er das Wahlrecht für alle BürgerInnen des Landes | |
forderte. „Es sind nicht nur die Neger. Wir alle müssen in Wirklichkeit das | |
lähmende Vermächtnis der Bigotterie und Ungerechtigkeit überwinden. Und wir | |
werden es überwinden.“ | |
70 Millionen Amerikaner verfolgten Johnsons Worte. 50 Jahre später teilen | |
und liken in dieser Woche Millionen weltweit im Netz ein Foto von Leroy | |
Smith. Der afroamerikanische Polizist aus Charleston in South Carolina | |
hilft darauf einem weißen Mann ein paar Treppenstufen hinauf. Der Mann | |
trägt ein T-Shirt mit einem Hakenkreuz. Er ist ein Rassist und hatte an | |
einer Kundgebung des Ku-Klux-Klan teilgenommen, um dagegen zu protestieren, | |
dass die Konföderiertenflagge nicht länger auf dem Kapitol weht. | |
Smith wird als Held gefeiert, er selbst [3][zeigt sich überrascht von der | |
überwältigenden Reaktion auf das Bild]. Er habe seinen Job gemacht. | |
Menschen geholfen, egal woran sie glauben. „Ich hoffe, das Foto wird für | |
Menschen zu einem Katalysator, damit wir einiges von dem Hass und der | |
Gewalt, die unser Land in den vergangenen Wochen erlebt hat, überwinden.“ | |
We shall overcome. | |
Seit der mutmaßliche Attentäter Dylann Roof [4][in Charleston am 17. Juni | |
neun Afroamerikaner erschossen hat], brennen wieder Kirchen. Dagegen | |
stellen sich Menschen wie Leroy Smith. Mit einer einzigen Geste, die sagt: | |
Wir können es überwinden. | |
Hunderte Kilometer weiter stirbt in einer texanischen Gefängniszelle Sandra | |
Bland, nachdem sie von einem Polizisten wegen einer Bagatelle festgenommen | |
worden war. Die Afroamerikanerin soll sich erhängt haben, ihre Familie | |
glaubt das nicht. Häppchenweise veröffentlichen die Behörden Dokumente, sie | |
widersprechen sich, laut Autopsie war es nun Suizid. Doch warum musste die | |
„Black Lives Matter“-Aktivistin in den Knast, nur weil sie den Blinker | |
nicht gesetzt hatte? Die Handlung eines Einzelnen wirft erneut Fragen nach | |
Rassismus und Polizeigewalt auf. | |
## Trump mit exzellenter B-Note | |
Es ist die Gesellschaft und nicht zuletzt die Politik, die in Demokratien | |
den Rahmen setzen sollten, um Rassismus zu begegnen. In der amerikanischen | |
Politik zählt in Wahlkampfzeiten jedoch nicht die ernsthafte | |
Auseinandersetzung, sondern vielmehr der Unterhaltungswert, wie der | |
republikanische Präsidentschaftskandidat [5][Donald Trump] derzeit aufs | |
Anschaulichste verdeutlicht. | |
In dieser Woche liegt er in Umfragen erstmals vor dem Dutzend anderer | |
Bewerber, die bei den Konservativen um die Kandidatur für das Weiße Haus | |
buhlen. The New Yorker hebt Trump [6][in seiner aktuellen Ausgabe gar auf | |
den Titel]. Zeichner Barry Blitt zeigt „The Donald“ in vollem Flug. Das | |
Haar weht aus der Stirn, Arme und Beine sind in exzellenter B-Note nach | |
hinten gestreckt, es wird ein herrlicher Bauchklatscher in einen | |
Swimmingpool voller Republikaner. Jeb Bush klammert sich ans Geländer – | |
Rückzug statt Angriff. | |
Trump versteht sich darauf, jede Menge Unsinn von sich zu geben. Niemand | |
mag ernsthaft daran glauben, dass er am Ende tatsächlich triumphieren wird, | |
doch er schafft sich ein Forum, in dem er wahlweise alle Einwanderer aus | |
Mexiko als Drogendealer und Vergewaltiger abstempeln kann, mit seinen | |
Milliarden protzt oder Vietnam-Veteran John McCain verhöhnt. Es sind | |
billige Tricks, und die Medien halten drauf, denn die Leute schalten ein. | |
## Obama endlich mutig | |
Klar gehört das im unterhaltungsverliebten Amerika dazu, ohne Showbiz | |
gewinnt man weder Sympathien noch Wahlen. Barack Obama sitzt noch einmal in | |
Jon Stewarts „Daily Show“. Und Obama kann sich den Auftritt leisten. Er ist | |
endlich der Präsident, den viele im Jahr 2008 gewählt haben: | |
entscheidungsfreudig, mutig, mit Agenda. Gesundheitsreform, Ehe für alle, | |
Justizreform und nicht zuletzt der Rassismus im Land: Obama hat seine | |
Sprache zum Ende seiner Amtszeit wiedergefunden. | |
Bei Trump stimmt einzig der Entertainmentfaktor. In einer ernsthaften | |
Debatte darüber, wer der nächste Präsident werden wird, sollte man ihn bald | |
überwinden. Der Fall Sandra Bland, die Ku-Klux-Klan-Anhänger auf | |
Charlestons Straße – das größte gesellschaftliche Problem der USA ist | |
fortwährend präsent. Vier Tage vor seiner Ermordung am 4. April 1968 | |
[7][sagte Martin Luther King in einer Rede]: „We shall overcome.“ Es ist an | |
der Zeit. | |
25 Jul 2015 | |
## LINKS | |
[1] http://www.youtube.com/watch?v=MEZkZamGCmE | |
[2] http://www.lbjlibrary.org/lyndon-baines-johnson/speeches-films/president-jo… | |
[3] http://www.scdps.gov/comm/nr2015/072015b.html | |
[4] /Rassistische-Morde-in-Charleston/!5205047 | |
[5] /US-Tycoon-als-Praesidentschaftskandidat/!5204486 | |
[6] http://www.newyorker.com/culture/culture-desk/cover-story-2015-07-27 | |
[7] http://kingencyclopedia.stanford.edu/encyclopedia/documentsentry/doc_remain… | |
## AUTOREN | |
Rieke Havertz | |
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